"Der Frieden ist das Gegenteil vom Krieg, aber dazwischen gibt es noch etwas, dass ist die Kriegsvorbereitung und das Gegenteil davon ist die
Friedensbewegung"
Unsere Organisation " Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität" (GeFiS) e.V., trägt nicht nur das Wort "Frieden" im Vereinsnamen, sondern ist mit der Abbildung der Friedenstaube im Vereinslogo auch entsprechend sichtbar. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation dem "Comitee für internationale Solidarität und Frieden" (COSI), in Venezuela und weiteren Partnern im Friedenskampf z.B. dem Rostocker Friedensbündnis, IPPNW, Friedensratschlag, IALANA, Netzwerk Friedenskooperative, Friedens Glockengesellschaft" inkl. weiterer nationaler und internationaler Organisationen.
Sehr geehrte Besucher dieser Seite „ Frieden“ unserer Homepage der Gesellschaft für Frieden und internationaler Solidarität GeFiS e.V.
Die humanistische und pazifistische Grundhaltung, ist die Wurzeln unseres Friedenskampfes und wir sind ein Teil der deutschen und internationalen Friedensbewegung. Gemäß unserer Satzung ist unser Ziel die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik und die Verurteilung der bewaffneten Gewalt zur Durchsetzung politischer, ökonomischer, ideologischer oder religiöser Ziele.
Neben unseren verschiedenen Aktivitäten im Kampf um den Frieden, möchten wir auch die Beweggründe darlegen die zum bewaffneten Konflikt geführt haben bzw. den Frieden ständig gefährden. Dazu werden verschiedene Fakten aus unterschiedlichen Quellen verwendet, die tiefgründig die Ursachen bewaffneter Konflikte aufzeigen. Dabei erscheint es uns auch als sehr wichtig, den historischen Hintergrund aufzuzeigen.
Leider ist es uns nicht möglich, dass wir bei der großen Anzahl weltweit bestehenden Kriegen und territorial begrenzten bewaffneten Konflikten, von diesen umfassend zu berichten.
Neben der Aufklärung über die bewaffneten Konflikte, liegt unser Schwerpunkt im aktiven Handeln im Kampf um den Frieden. Es wäre prima, wenn auch du dich motiviert fühlst die Reihen der FriedenskämpferInnen im Rahmen deiner Möglichkeiten zu unterstützen.
Unter gefis2020@web.de kann man uns direkt erreichen!!!
Es ist Zeit, dass wir Bürgerinnen und Bürger uns wieder stärker in die politische Auseinandersetzung einmischen. Deshalb rufen wir auf, am 25.11.2023-am Samstag vor der Verabschiedung des Bundeshaushaltes- gemeinsam für den Frieden und Abrüstung, Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine und Friedensverhandlungen zu demonstrieren.
Wir von der Gesellschaft für Frieden und internationalen Solidarität (GeFiS) unterstützen diese Friedensaktion.
Aus: Ausgabe vom 27.11.2023, Seite 4 / Inland
FRIEDENSBEWEGUNG
Für den Frieden in die Kälte
Berlin: Tausende bei Kundgebung und Demo. Kampfansage an Kriegs- und Aufrüstungskurs. Friedensbewegung vor großen Herausforderungen
Von Nico Popp
Am Ende streikte die Technik: Als die letzte Rednerin ein paar Sätze gesagt hatte, waren die Lautsprecher auf einmal ohne Strom, und die Bühne lag im Dunkeln. Viele Menschen, die am Sonnabend um 13 Uhr zu der Friedenskundgebung auf der Westseite des Brandenburger Tors gekommen waren und die kurze Demo durch das Regierungsviertel mitgemacht hatten, waren zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Weg nach Hause. Die, die nach mehr als drei Stunden bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und einbrechender Dunkelheit noch ausharrten, überbrückten die technische Panne mit dem Absingen des Protestsongs »We shall overcome«.
Die Demonstration unter dem Motto »Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten« war nach der bundesweiten Demo im Februar der zweite größere Versuch der unverändert am Boden liegenden deutschen Friedensbewegung, angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine, des Kriegs- und Aufrüstungskurses der Bundesregierung und nun auch der aktuellen Zuspitzung im Nahen Osten wieder Präsenz auf den Straßen zu zeigen. Diesmal kamen weniger Menschen als im Februar – aber wenn man, wie das am Sonnabend von verschiedenen Rednern betont wurde, in dieser Demonstration vor allem einen Anfang sieht, dann war der Zuspruch unter dem Strich eher ermutigend. Hier ist auch zu vermerken, dass es diesmal keine Versuche von rechts gab, sich in die Demo zu drängen. Die Organisatoren hatten vorab klargestellt, dass »Rassismus, Antisemitismus, Faschismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« bei dieser Veranstaltung »keinen Platz« haben.
Die Veranstalter, die mehr als 20.000 Teilnehmer gezählt haben (die Polizei nannte 10.000), zeigten sich in einer Mitteilung am Nachmittag zufrieden mit dem »großartigen Erfolg«. Der Tag zeige, dass die Friedensbewegung stärker werde: »Das ermutigt uns, mit noch mehr Engagement weiterzumachen.« Die Bundesregierung müsse sich für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und auch im Nahen Osten einsetzen. Mit Blick auf die Lage in Deutschland hieß es weiter: »Wir lassen uns keinen Rückfall in deutsche ›Kriegstüchtigkeit‹ aufzwingen und wenden uns entschieden gegen Hetze und Feindbildkonstruktionen von Minister Pistorius und sogenannter Experten vom Schlage Masala und Münkler.«
Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht, die am Sonnabend gleich zu Beginn der Kundgebung sprach, bezeichnete die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Deutschland müsse »kriegstüchtig« werden, als »blanken Wahnsinn«. »Was ist nur aus dieser Partei Willy Brandts geworden«, rief sie aus. Wagenknecht kritisierte unter anderem die soeben erfolgte Aufstockung der für Waffenlieferungen an die Ukraine vorgesehenen Milliardensumme. Bei den Grünen sei kaum mehr vorstellbar, dass die Partei einmal aus der Friedensbewegung hervorgegangen sei. Mit Blick auf Außenministerin Annalena Baerbock sagte sie, »diese Frau« habe kürzlich erklärt, es sei nicht Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die Waffen schweigen. Wagenknecht nannte das eine »Absurdität«. Vor dem Hintergrund der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen erklärte Wagenknecht, die besondere deutsche Verantwortung für jüdisches Leben und das Existenzrecht Israels »verpflichtet uns nicht, die rücksichtslose Kriegführung der Regierung Netanjahu als Selbstverteidigung schönzureden und zu unterstützen«.
Nach Wagenknecht sprach die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz. Sie wolle das »ungenierte Kriegsgeschrei« nicht mehr hinnehmen und habe den Eindruck, dass sich die Mehrheit der Menschen weniger Kriegsrhetorik und »mehr ernstzunehmende diplomatische Aktivitäten« wünsche. »Unsere Demokratie wird nicht in der Ukraine verteidigt – genauso wenig wie damals am Hindukusch«, sagte Krone-Schmalz. Dieser Kampf finde »innerhalb unserer Landesgrenzen« statt. Dafür erhielt sie viel Applaus – auch, als sie die Hoffnung äußerte, dass junge Menschen, die derzeit mit großem Engagement gegen den Klimawandel auftreten, »das Thema Frieden entdecken«.
Nach den beiden Genannten sprachen am Sonnabend der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller, der ehemalige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg, Iris Hefets von der »Jüdischen Stimme« für einen gerechten Frieden in Nahost sowie die Anwältin Nadija Samour.
Hinsichtlich der Mobilisierung lief diesmal manches anders als im Februar. Es gab in den großen Medien keine wilde Kampagne gegen die Veranstaltung und ihre angeblich »rechtsoffenen« Organisatoren; vielmehr wurde die Demo diesmal totgeschwiegen. Auch die Linkspartei, deren Führung sich im Februar an der Gegenkampagne beteiligt und aktiv demobilisiert hatte, agierte flexibler. Während die Führungsebene des Berliner Landesverbandes keinen Finger rührte, um für die Demo zu mobilisieren, tolerierte die Bundesspitze die Mobilisierung aus einzelnen Basisorganisationen und Kreisverbänden sowie die Unterstützung des ursprünglichen Aufrufs durch prominente Mitglieder der Partei. Einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden – Ates Gürpinar – sprach bei der Abschlusskundgebung. Die Parteiführung gab wenige Tage vor der Demo auch noch einen eigenen Aufruf heraus.
Ein Faktor bei dieser modifizierten Positionierung dürfte die Überlegung sein, dass jenen Genossinnen und Genossen, die mit der Partei wegen ihrer Rolle in der Kampagne gegen die Februardemo weiterhin hadern, etwas vorgewiesen werden muss. Das kann im Januar, wenn viele sich die Frage stellen werden, ob sie sich der neuen »Wagenknecht-Partei« anschließen oder doch in der Linkspartei bleiben, noch wichtig werden.
In den Gewerkschaftsführungen gibt man sich mit solchen taktischen Feinheiten nicht ab. Die Gewerkschaften standen am Sonnabend einmal mehr abseits. Sie riefen nicht zu der Demo auf, und bei den aus dem gewerkschaftlichen Spektrum kommenden Einzelunterzeichnern des ursprünglichen Aufrufs handelt es sich überwiegend um ehemalige Funktionäre.
Und noch etwas anderes fiel am Sonnabend auf: Abgesehen von einem Block der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) gab es nahezu keine sichtbare Beteiligung migrantischer Organisationen an dieser Demonstration. Eine Friedensbewegung, die die Bevölkerung tatsächlich erreichen und Massen auf die Straße bringen will, wird daran arbeiten müssen, dass sich das ändert.
Quelle: junge welt v.27.11.2023/ Christian Ditsch/epd
Zwischen 10.000 und 20.000 Menschen folgten dem Aufruf zum Protest am Brandenburger Tor in Berlin
Wie Netanjahu die Nachrichten verfälscht
von Thierry Meyssan
Wir glauben im Westen, dass wir über die Geschehnisse in Gaza gut informiert sind. Dies ist nicht der Fall. Die Bilder, die wir sehen, werden ausgewählt. Die Kommentare, die wir hören, erlauben uns nicht, sie zu verstehen. Sie führen uns absichtlich in die Irre. Jede abweichende Meinung wird zensiert.
VOLTAIRE NETZWERK | PARIS (FRANKREICH) | 21. NOVEMBER 2023
ΕΛΛΗΝΙΚΆ ENGLISH ESPAÑOL FRANÇAIS ITALIANO NEDERLANDS РУССКИЙ
Foto von einem israelischen Bomber aufgenommen.
Wie alle Kriege ist auch der Krieg zwischen dem Staat Israel und der palästinensischen Bevölkerung Gegenstand einer Medienschlacht. Der palästinensische Widerstand braucht die Geschichte der Ungerechtigkeit, gegen die er kämpft, nicht zu erzählen: Man muss nur hinschauen, um sie zu sehen. Vielmehr zielt er darauf ab, diesen oder jenen Teil des Widerstandes zu verherrlichen. Israel hingegen muss die Menschen von seinem guten Willen überzeugen, was nach einem Dreivierteljahrhundert der Verletzung des Völkerrechts keine leichte Aufgabe ist.
VOR DEM ANGRIFF
Seit dem Angriff des palästinensischen Widerstands am 7. Oktober 2023 hat Israel alle seine Dienste eingesetzt, um uns glauben zu machen, dass es sich bei diesem Angriff um eine Operation der Hamas-Dschihadisten handelt; und dass Israel nichts von ihren Vorbereitungen wusste.
Die Rolle der Hamas
Dieser Angriff wurde jedoch von allen palästinensischen Fraktionen mit Ausnahme der Fatah verübt [1]. Noch bis vor kurzem definierte sich die Hamas als "palästinensischer Zweig der Muslimbruderschaft", wie es in all ihren Dokumenten steht. In dieser Funktion kämpfte sie gegen die Laizisten von Jassir Arafats Fatah und George Habachs PFLP und dann auch gegen die der Arabischen Republik Syrien von Präsident Baschar al-Assad. Sie alle waren in ihren Augen "Feinde Gottes". Die Hamas wurde von Israel finanziert, und in Syrien wurden ihre Kämpfer von Mossad- und NATO-Offizieren überwacht. Nach dem Scheitern der Muslimbruderschaft in Ägypten und ihrer Niederlage in Syrien spaltete sich die Hamas jedoch in einen loyalen Teil der Muslimbruderschaft, angeführt von Khaled Meshaal, der immer noch die Errichtung eines globalen Kalifats anstrebt, und einen anderen, der sich wieder auf die Befreiung Palästinas konzentrierte. Diese zweite vom Iran initiierte Tendenz erneuerte die Beziehungen zu Syrien, bis dessen Führer Khalil Hayya von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus empfangen wurde. Sie hat sich auch wieder mit der libanesischen Hisbollah versöhnt und ist sogar so weit gegangen, in Beirut an Treffen mit ihr und den anderen Teilen des palästinensischen Widerstands teilzunehmen.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad empfängt Khalil Hayya am 19. Oktober 2022 in Damaskus.
Alle Komponenten des palästinensischen Widerstands hatten sich darauf geeinigt, eine "Faustschlag"-Operation durchzuführen, um israelische Zivilisten und Soldaten zu entführen und sie gegen palästinensische Zivilisten und Kämpfer auszutauschen, die in Israel festgehalten werden. Das Datum des 7. Oktober wurde allein von der Hamas gewählt, und die anderen palästinensischen Fraktionen wurden erst wenige Stunden vorher informiert. Darüber hinaus waren die Hamas-Kämpfer im Vergleich zu den Marxisten der PFLP und den Mitgliedern der Achse des Widerstands (die mit dem Iran verbündet sind), dem Islamischen Dschihad, in der Mehrheit.
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah empfing die Nummer zwei der Hamas, Saleh el-Arouri und den Führer des Islamischen Dschihad, Ziad el-Nakhala.
Das offene Geheimnis der Operation vom 7. Oktober
Die schlagartige Operation war bei einem Koordinierungstreffen im Mai in Beirut geplant worden. Die libanesische Presse hatte darüber berichtet. Obwohl das Prinzip, die Ziele und der Modus Operandi festgelegt waren, wusste niemand, wann sie stattfinden würde.
Ägyptens Geheimdienste waren die ersten, die Alarm schlugen. Sie unterstützen den palästinensischen Widerstand, bekämpfen aber die Hamas, ohne zwischen ihren beiden Strömungen unterscheiden zu können. Sie sorgten sich nicht um den möglichen Erfolg des palästinensischen Widerstands, sondern um die Muslimbruderschaft. Der Geheimdienstminister Kamal Abbas warnte persönlich seine israelischen Amtskollegen [2].
Oberst Yigal Carmon, Direktor des Middle East Media Research Institute (MEMRI), informierte seinen Freund, Premierminister Benjamin Netanjahu, persönlich, dass etwas im Gange sei. Seiner Meinung nach, hörte dieser jedoch nicht auf ihn [3].
Die Central Intelligence Agency (CIA) hat zwei Berichte über die Vorbereitung dieses Anschlags erstellt. Nach Angaben der New York Times wurde die zweite, datiert auf den 5. Oktober, an die israelischen Behörden geschickt. Laut Corriere della Sera berief der Direktor des Shin Bet (Spionageabwehr) dann am 7. um 8 Uhr morgens ein Treffen der zentralen Direktoren aller Sicherheitsdienste ein.
Israelische Beamte hatten jedoch Zeit, die außergewöhnliche Rave-Party direkt an die Grenze zu Gaza zu verlegen und den Kräften, die mit dem Schutz beauftragt waren, einen freien Tag zu geben [4]
Heute sind viele Familien der Geiseln davon überzeugt, dass Benjamin Netanjahu dies zugelassen hat, um eine Rechtfertigung für die Operation zu haben, die er gegen die Menschen in Gaza durchführt.
NACH DEM ANGRIFF
Seit dem 7. Oktober versucht Israel, uns glauben zu machen, dass:
der palästinensische Widerstand als Ganzes nichts anderes ist als ein Haufen Dschihadisten;
die Menschen, die das palästinensische Volk unterstützen, Antisemiten sind;
IDF-Videobearbeitung
Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben eine Videomontage aus den Aufnahmen der Angreifer, der Überwachungskameras und der von ihnen gemachten Aufnahmen angefertigt. Diese Montage zielt darauf ab, die Menschen davon zu überzeugen, dass der palästinensische Widerstand ein Haufen antisemitischer Barbaren ist. Sie zeigt unerträgliche Szenen einer Familie, deren Vater vor den Augen seiner Kinder ermordet wird. Sie zeigt einen Dschihadisten, der versucht, einer Leiche mit einer Schaufel den Kopf abzuschlagen. Aber es gab keine Vergewaltigung oder Zerstückelung. Es gibt auch verkohlte Leichen, von denen der Betrachter glaubt, dass sie durch die Widerstandskämpfern verbrannt wurden. In Wirklichkeit waren sie das Ziel der Luft-Boden-Raketen der israelischen Armee, die kamen, um die Angreifer zu verhaften. Die "Hannibal-Direktive" erklärt tatsächlich, dass die Soldaten die "Terroristen" töten sollen, ohne sich um israelische Kollateralopfer zu sorgen.
Diese Montage wurde von Mitgliedern der Knesset, dann des US-Kongresses, angesehen, bevor sie in den verschiedenen Parlamenten der NATO-Mitgliedstaaten gezeigt wurde. Nur das belgische Parlament weigerte sich, diese Propaganda ohne externe Expertise zu sehen. Darüber hinaus wurde der Film ausgewählten Journalisten in den verschiedenen Hauptstädten gezeigt.
Die israelischen Behörden haben der Öffentlichkeit nur die folgenden 10 Minuten gezeigt. Sie sagten, dass sie aus Respekt vor den Opfern nicht die gesamte Montage der Öffentlichkeit zugänglich machen wollten. Aber wie sollte ein reduziertes Publikum respektvoller sein? In Wirklichkeit geht es darum, zu verhindern, dass Spezialisten ihre Täuschung anprangern, indem sie sich fragen, wer die einzelnen Opfer getötet hat.
Proteste gegen Antisemitismus
Um die westliche Öffentlichkeit für ihre Sache zu gewinnen und das in Gaza verübte Massaker zu relativieren, ruft Israel im ganzen Westen zu Unterstützungsdemonstrationen auf. Da es unmöglich wäre, live auf den Fernsehbildschirmen zur Unterstützung einer Armee aufzurufen, die Völkermord praktiziert, schlägt der Mossad Demonstrationen gegen den Antisemitismus vor, den die Hamas an den Tag gelegt hat.
Die Hamas ist aber von der Ideologie der Muslimbruderschaft durchdrungen. Sie vertritt einen sunnitischen Suprematismus. Lange Zeit kämpfte sie vor allem gegen schiitische und drusische Muslime. Sie war sicherlich antisemitisch, aber so wie sie auch gegen alle anderen muslimischen Glaubensrichtungen und alle anderen Religionen war, nicht mehr und nicht weniger.
So hat der Mossad manchmal ein anderes Argument verwendet: Arabische Einwanderer unterstützen die Hamas und seien deshalb antisemitisch. Die europäischen Staaten sollten Maßnahmen ergreifen, um ihre jüdische Bevölkerung zu schützen.
Die Demonstration in Washington prangerte vor allem die vermeintliche Barbarei der Hamas an, während die Demonstration in Paris den Kampf gegen Antisemitismus in den Vordergrund stellte. Aber keine von beiden war ein Erfolg. Die in Washington wurde von vielen jüdischen Vereinigungen boykottiert. Sie konnte nur 200 000 Leute versammeln, hauptsächlich christliche Zionisten. Die Leute kamen mehr, um den Fernsehprediger John Hagee zu hören, als um den Präsidenten des Staates Israel, Isaac Herzog zu sehen. Die Pariser Demonstration wurde von den Präsidenten der beiden Parlamente und allen ihren Vorgängern, von der Premierministerin und allen ihren Vorgängern sowie dem Präsidenten des Verfassungsrates und seinen Vorgängern eröffnet. Aber hinter ihnen gab es nur einige zehntausend Demonstranten. Zwei namhafte Abwesende: die Außenminister Roland Dumas (auch ehemaliger Präsident des Verfassungsrates) und Dominique de Villepin (ebenfalls ehemaliger Premierminister). Sie haben sich als Widerstand gegen den Imperialismus und damit gegen die Regierungen der USA und Israels hervorgetan.
Seit Jahrzehnten wirft Israel Antisemiten vor, sich hinter einer Antizionismus-Fassade zu verstecken. Nach und nach verschmilzt es die beiden Konzepte. Der europäische Antisemitismus ist eine Form der Fremdenfeindlichkeit, die unter dem Römischen Reich begann, sich unter der katholischen Kirche fortsetzte und unter dem Nationalsozialismus weiterging. Er besteht darin, sukzessive alle Juden kollektiv des Aufstandes zu beschuldigen, Christus getötet oder die arische Rasse entartet zu haben. Antizionismus hingegen ist eine politische Ansicht, dass jüdischer Nationalismus nicht in den Dienst eines kolonialen Projekts gestellt werden soll. Heute sind die meisten amerikanischen Juden antizionistisch, während die Mehrheit der europäischen Juden zionistisch ist.
Der französische Senator Stéphane Le Rudulier (LR; les républicains) hat gerade einen Gesetzentwurf eingebracht, der darauf abzielt, die Strafen für Beleidigung, Aufstachelung zu Hass oder Gewalt zu erhöhen, wenn sie sich gegen den Staat Israel richten. Abgesehen von der Tatsache, dass es schwer vorstellbar ist, dass diese Anschuldigungen in diesem Fall schwerwiegender sein sollten als in anderen, wird man sich daran erinnern, dass die Welt 1975 durch eine Debatte über das Wesen des Zionismus aufgewühlt wurde. Die Organisation für Afrikanische Einheit bekräftigte, dass "das rassistische Regime im besetzten Palästina und das rassistische Regime in Simbabwe und Südafrika einen gemeinsamen imperialistischen Ursprung haben, dass sie ein Ganzes bilden und die gleiche rassistische Struktur haben, und dass sie in ihrer Politik der Unterdrückung der Würde und Integrität des Menschen organisch miteinander verbunden sind". In ähnlicher Weise bezeichnete die Organisation der Blockfreien Staaten den Zionismus als "eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Welt und rief alle Länder auf, sich dieser rassistischen und imperialistischen Ideologie zu widersetzen". Schließlich verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der der Zionismus als "eine Form von Rassismus und Rassendiskriminierung" bezeichnet wird [5].
Lediglich die UN-Resolution wurde 1991 aufgehoben, um Israel bei der Umsetzung der Resolutionen der Madrider Palästina-Konferenz zu unterstützen. Die beiden anderen Texte sind nach wie vor in Kraft, und angesichts der Nichtumsetzung der Madrider Beschlüsse durch Israel ist wie bei allen internationalen Texten zu Palästina mehrfach die Frage der Wiedereinsetzung der Resolution 3379 aufgeworfen worden.
DIE INSZENIERUNG DES AL-SHIFA-KRANKENHAUSES
In diesem Zusammenhang inszenierte die IDF die Entdeckung des militärischen Hauptquartiers der Hamas unter dem größten Krankenhaus des Gazastreifens. Ein Pressesprecher teilte uns mit, dass am Tatort Waffen gefunden worden seien und dass mit Hilfe eines an einem Stuhlbein befestigten Seils Geiseln in einem unterirdischen Bunker untergebracht worden seien.
ΕΛΛΗΝΙΚΆ ENGLISH ESPAÑOL FRANÇAIS ITALIANO NEDERLANDS РУССКИЙ
Foto von einem israelischen Bomber aufgenommen.
Wie alle Kriege ist auch der Krieg zwischen dem Staat Israel und der palästinensischen Bevölkerung Gegenstand einer Medienschlacht. Der palästinensische Widerstand braucht die Geschichte der Ungerechtigkeit, gegen die er kämpft, nicht zu erzählen: Man muss nur hinschauen, um sie zu sehen. Vielmehr zielt er darauf ab, diesen oder jenen Teil des Widerstandes zu verherrlichen. Israel hingegen muss die Menschen von seinem guten Willen überzeugen, was nach einem Dreivierteljahrhundert der Verletzung des Völkerrechts keine leichte Aufgabe ist.
VOR DEM ANGRIFF
Seit dem Angriff des palästinensischen Widerstands am 7. Oktober 2023 hat Israel alle seine Dienste eingesetzt, um uns glauben zu machen, dass es sich bei diesem Angriff um eine Operation der Hamas-Dschihadisten handelt; und dass Israel nichts von ihren Vorbereitungen wusste.
Die Rolle der Hamas
Dieser Angriff wurde jedoch von allen palästinensischen Fraktionen mit Ausnahme der Fatah verübt [1]. Noch bis vor kurzem definierte sich die Hamas als "palästinensischer Zweig der Muslimbruderschaft", wie es in all ihren Dokumenten steht. In dieser Funktion kämpfte sie gegen die Laizisten von Jassir Arafats Fatah und George Habachs PFLP und dann auch gegen die der Arabischen Republik Syrien von Präsident Baschar al-Assad. Sie alle waren in ihren Augen "Feinde Gottes". Die Hamas wurde von Israel finanziert, und in Syrien wurden ihre Kämpfer von Mossad- und NATO-Offizieren überwacht. Nach dem Scheitern der Muslimbruderschaft in Ägypten und ihrer Niederlage in Syrien spaltete sich die Hamas jedoch in einen loyalen Teil der Muslimbruderschaft, angeführt von Khaled Meshaal, der immer noch die Errichtung eines globalen Kalifats anstrebt, und einen anderen, der sich wieder auf die Befreiung Palästinas konzentrierte. Diese zweite vom Iran initiierte Tendenz erneuerte die Beziehungen zu Syrien, bis dessen Führer Khalil Hayya von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus empfangen wurde. Sie hat sich auch wieder mit der libanesischen Hisbollah versöhnt und ist sogar so weit gegangen, in Beirut an Treffen mit ihr und den anderen Teilen des palästinensischen Widerstands teilzunehmen.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad empfängt Khalil Hayya am 19. Oktober 2022 in Damaskus.
Alle Komponenten des palästinensischen Widerstands hatten sich darauf geeinigt, eine "Faustschlag"-Operation durchzuführen, um israelische Zivilisten und Soldaten zu entführen und sie gegen palästinensische Zivilisten und Kämpfer auszutauschen, die in Israel festgehalten werden. Das Datum des 7. Oktober wurde allein von der Hamas gewählt, und die anderen palästinensischen Fraktionen wurden erst wenige Stunden vorher informiert. Darüber hinaus waren die Hamas-Kämpfer im Vergleich zu den Marxisten der PFLP und den Mitgliedern der Achse des Widerstands (die mit dem Iran verbündet sind), dem Islamischen Dschihad, in der Mehrheit.
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah empfing die Nummer zwei der Hamas, Saleh el-Arouri und den Führer des Islamischen Dschihad, Ziad el-Nakhala.
Das offene Geheimnis der Operation vom 7. Oktober
Die schlagartige Operation war bei einem Koordinierungstreffen im Mai in Beirut geplant worden. Die libanesische Presse hatte darüber berichtet. Obwohl das Prinzip, die Ziele und der Modus Operandi festgelegt waren, wusste niemand, wann sie stattfinden würde.
Ägyptens Geheimdienste waren die ersten, die Alarm schlugen. Sie unterstützen den palästinensischen Widerstand, bekämpfen aber die Hamas, ohne zwischen ihren beiden Strömungen unterscheiden zu können. Sie sorgten sich nicht um den möglichen Erfolg des palästinensischen Widerstands, sondern um die Muslimbruderschaft. Der Geheimdienstminister Kamal Abbas warnte persönlich seine israelischen Amtskollegen [2].
Oberst Yigal Carmon, Direktor des Middle East Media Research Institute (MEMRI), informierte seinen Freund, Premierminister Benjamin Netanjahu, persönlich, dass etwas im Gange sei. Seiner Meinung nach, hörte dieser jedoch nicht auf ihn [3].
Die Central Intelligence Agency (CIA) hat zwei Berichte über die Vorbereitung dieses Anschlags erstellt. Nach Angaben der New York Times wurde die zweite, datiert auf den 5. Oktober, an die israelischen Behörden geschickt. Laut Corriere della Sera berief der Direktor des Shin Bet (Spionageabwehr) dann am 7. um 8 Uhr morgens ein Treffen der zentralen Direktoren aller Sicherheitsdienste ein.
Israelische Beamte hatten jedoch Zeit, die außergewöhnliche Rave-Party direkt an die Grenze zu Gaza zu verlegen und den Kräften, die mit dem Schutz beauftragt waren, einen freien Tag zu geben [4]
Heute sind viele Familien der Geiseln davon überzeugt, dass Benjamin Netanjahu dies zugelassen hat, um eine Rechtfertigung für die Operation zu haben, die er gegen die Menschen in Gaza durchführt.
NACH DEM ANGRIFF
Seit dem 7. Oktober versucht Israel, uns glauben zu machen, dass:
der palästinensische Widerstand als Ganzes nichts anderes ist als ein Haufen Dschihadisten;
die Menschen, die das palästinensische Volk unterstützen, Antisemiten sind;
IDF-Videobearbeitung
Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben eine Videomontage aus den Aufnahmen der Angreifer, der Überwachungskameras und der von ihnen gemachten Aufnahmen angefertigt. Diese Montage zielt darauf ab, die Menschen davon zu überzeugen, dass der palästinensische Widerstand ein Haufen antisemitischer Barbaren ist. Sie zeigt unerträgliche Szenen einer Familie, deren Vater vor den Augen seiner Kinder ermordet wird. Sie zeigt einen Dschihadisten, der versucht, einer Leiche mit einer Schaufel den Kopf abzuschlagen. Aber es gab keine Vergewaltigung oder Zerstückelung. Es gibt auch verkohlte Leichen, von denen der Betrachter glaubt, dass sie durch die Widerstandskämpfern verbrannt wurden. In Wirklichkeit waren sie das Ziel der Luft-Boden-Raketen der israelischen Armee, die kamen, um die Angreifer zu verhaften. Die "Hannibal-Direktive" erklärt tatsächlich, dass die Soldaten die "Terroristen" töten sollen, ohne sich um israelische Kollateralopfer zu sorgen.
Diese Montage wurde von Mitgliedern der Knesset, dann des US-Kongresses, angesehen, bevor sie in den verschiedenen Parlamenten der NATO-Mitgliedstaaten gezeigt wurde. Nur das belgische Parlament weigerte sich, diese Propaganda ohne externe Expertise zu sehen. Darüber hinaus wurde der Film ausgewählten Journalisten in den verschiedenen Hauptstädten gezeigt.
Die israelischen Behörden haben der Öffentlichkeit nur die folgenden 10 Minuten gezeigt. Sie sagten, dass sie aus Respekt vor den Opfern nicht die gesamte Montage der Öffentlichkeit zugänglich machen wollten. Aber wie sollte ein reduziertes Publikum respektvoller sein? In Wirklichkeit geht es darum, zu verhindern, dass Spezialisten ihre Täuschung anprangern, indem sie sich fragen, wer die einzelnen Opfer getötet hat.
Proteste gegen Antisemitismus
Um die westliche Öffentlichkeit für ihre Sache zu gewinnen und das in Gaza verübte Massaker zu relativieren, ruft Israel im ganzen Westen zu Unterstützungsdemonstrationen auf. Da es unmöglich wäre, live auf den Fernsehbildschirmen zur Unterstützung einer Armee aufzurufen, die Völkermord praktiziert, schlägt der Mossad Demonstrationen gegen den Antisemitismus vor, den die Hamas an den Tag gelegt hat.
Die Hamas ist aber von der Ideologie der Muslimbruderschaft durchdrungen. Sie vertritt einen sunnitischen Suprematismus. Lange Zeit kämpfte sie vor allem gegen schiitische und drusische Muslime. Sie war sicherlich antisemitisch, aber so wie sie auch gegen alle anderen muslimischen Glaubensrichtungen und alle anderen Religionen war, nicht mehr und nicht weniger.
So hat der Mossad manchmal ein anderes Argument verwendet: Arabische Einwanderer unterstützen die Hamas und seien deshalb antisemitisch. Die europäischen Staaten sollten Maßnahmen ergreifen, um ihre jüdische Bevölkerung zu schützen.
Die Demonstration in Washington prangerte vor allem die vermeintliche Barbarei der Hamas an, während die Demonstration in Paris den Kampf gegen Antisemitismus in den Vordergrund stellte. Aber keine von beiden war ein Erfolg. Die in Washington wurde von vielen jüdischen Vereinigungen boykottiert. Sie konnte nur 200 000 Leute versammeln, hauptsächlich christliche Zionisten. Die Leute kamen mehr, um den Fernsehprediger John Hagee zu hören, als um den Präsidenten des Staates Israel, Isaac Herzog zu sehen. Die Pariser Demonstration wurde von den Präsidenten der beiden Parlamente und allen ihren Vorgängern, von der Premierministerin und allen ihren Vorgängern sowie dem Präsidenten des Verfassungsrates und seinen Vorgängern eröffnet. Aber hinter ihnen gab es nur einige zehntausend Demonstranten. Zwei namhafte Abwesende: die Außenminister Roland Dumas (auch ehemaliger Präsident des Verfassungsrates) und Dominique de Villepin (ebenfalls ehemaliger Premierminister). Sie haben sich als Widerstand gegen den Imperialismus und damit gegen die Regierungen der USA und Israels hervorgetan.
Seit Jahrzehnten wirft Israel Antisemiten vor, sich hinter einer Antizionismus-Fassade zu verstecken. Nach und nach verschmilzt es die beiden Konzepte. Der europäische Antisemitismus ist eine Form der Fremdenfeindlichkeit, die unter dem Römischen Reich begann, sich unter der katholischen Kirche fortsetzte und unter dem Nationalsozialismus weiterging. Er besteht darin, sukzessive alle Juden kollektiv des Aufstandes zu beschuldigen, Christus getötet oder die arische Rasse entartet zu haben. Antizionismus hingegen ist eine politische Ansicht, dass jüdischer Nationalismus nicht in den Dienst eines kolonialen Projekts gestellt werden soll. Heute sind die meisten amerikanischen Juden antizionistisch, während die Mehrheit der europäischen Juden zionistisch ist.
Der französische Senator Stéphane Le Rudulier (LR; les républicains) hat gerade einen Gesetzentwurf eingebracht, der darauf abzielt, die Strafen für Beleidigung, Aufstachelung zu Hass oder Gewalt zu erhöhen, wenn sie sich gegen den Staat Israel richten. Abgesehen von der Tatsache, dass es schwer vorstellbar ist, dass diese Anschuldigungen in diesem Fall schwerwiegender sein sollten als in anderen, wird man sich daran erinnern, dass die Welt 1975 durch eine Debatte über das Wesen des Zionismus aufgewühlt wurde. Die Organisation für Afrikanische Einheit bekräftigte, dass "das rassistische Regime im besetzten Palästina und das rassistische Regime in Simbabwe und Südafrika einen gemeinsamen imperialistischen Ursprung haben, dass sie ein Ganzes bilden und die gleiche rassistische Struktur haben, und dass sie in ihrer Politik der Unterdrückung der Würde und Integrität des Menschen organisch miteinander verbunden sind". In ähnlicher Weise bezeichnete die Organisation der Blockfreien Staaten den Zionismus als "eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Welt und rief alle Länder auf, sich dieser rassistischen und imperialistischen Ideologie zu widersetzen". Schließlich verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der der Zionismus als "eine Form von Rassismus und Rassendiskriminierung" bezeichnet wird [5].
Lediglich die UN-Resolution wurde 1991 aufgehoben, um Israel bei der Umsetzung der Resolutionen der Madrider Palästina-Konferenz zu unterstützen. Die beiden anderen Texte sind nach wie vor in Kraft, und angesichts der Nichtumsetzung der Madrider Beschlüsse durch Israel ist wie bei allen internationalen Texten zu Palästina mehrfach die Frage der Wiedereinsetzung der Resolution 3379 aufgeworfen worden.
DIE INSZENIERUNG DES AL-SHIFA-KRANKENHAUSES
In diesem Zusammenhang inszenierte die IDF die Entdeckung des militärischen Hauptquartiers der Hamas unter dem größten Krankenhaus des Gazastreifens. Ein Pressesprecher teilte uns mit, dass am Tatort Waffen gefunden worden seien und dass mit Hilfe eines an einem Stuhlbein befestigten Seils Geiseln in einem unterirdischen Bunker untergebracht worden seien.
Während die Öffentlichkeit darüber debattiert, ob diese Beweise überzeugend sind oder nicht, vergisst sie die Geschichte dieses Krankenhauses. Es wurde 1983 von Israel gebaut [6]. Die IDF hat also alle Pläne dafür. Der Mossad installierte die Hamas im Keller, als sie gegen die Fatah kämpfte. Später wurde das Krankenhaus zu einem Treffpunkt für Hamas-Funktionäre, um sich mit ausländischen Journalisten zu treffen. Aber all das macht es nicht zu einem Arsenal oder einem militärischen Hauptquartier.
Während der aktuellen Episode des israelisch-palästinensischen Krieges beschuldigte die IDF die Hamas, Tunnel unter dem Krankenhaus gegraben zu haben. Sie beschloss zunächst, diese mit durchschlagenden Bomben zu zerstören, um in seine Tiefen vorzudringen. Aber im Lichte der Beschwörungen der Weltgesundheitsorganisation gab die IDF zu, dass ihr Ziel die totale Zerstörung eines Krankenhauses nicht legitimiere. Also nahmen sie ihren Evakuierungsbefehl zurück und umzingelten das Krankenhaus. 2300 Menschen, darunter Patienten, medizinisches Personal und Flüchtlinge, ergaben sich der israelischen Armee, die sie ohne Rücksicht durchsuchte.
https://youtu.be/hEhsIJUw1DQ
Erst zwei Tage nach dem Beginn des Angriffs behauptete die IDF, das militärische Hauptquartier der Hamas unter dem Al-Shifa-Krankenhaus entdeckt zu haben. In Wirklichkeit zeigen die Bilder, die sie veröffentlicht haben, dass tatsächlich ein Brunnen in der Nähe des Krankenhauses zu Galerien führte, aber absolut nicht, dass diese zu einem Raum führten, der als Hauptquartier genutzt werden konnte.
https://youtu.be/rRra0hvjAL0
Da die Schießereien, die Stromausfälle und die Durchsuchung des Krankenhauses viele Tote verursacht haben, hat die IDF ein Dutzend Inkubatoren gebracht, die doch wegen der Stromausfälle nicht funktionieren können, wie Reuters und die BBC es berichten. Dennoch erfüllt der Mossad einen Zweck, denn die BBC entschuldigte sich bei ihren Zuschauern dafür, dass sie nicht über die Spenden von Inkubatoren und die Anwesenheit von Hebräisch-Arabisch-Übersetzern berichtet hat.
Thierry Meyssan
Übersetzung Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
Quelle: https://www.voltairenet.org/de v.21.11.2023 / Foto 1 Foto von einem israelischen Bomber aufgenommen. Foto 2 Der syrische Präsident Baschar al-Assad empfängt Khalil Hayya am 19. Oktober 2022 in Damaskus.Foto 3 Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah empfing die Nummer zwei der Hamas, Saleh el-Arouri und den Führer des Islamischen Dschihad, Ziad el-Nakhala.
Ausgrenzung der Friedensbewegung
NachDenkSeiten v.14.11.2023
14. November 2023 um 9:00
Ein Artikel von Bernhard Trautvetter
Die Cancel-Kultur in Deutschland überschreitet aktuell die Hemmschwelle der De-Legitimierung der Friedensbewegung, wie das im Kontext des Ukraine-Krieges schon begonnen hatte. Jüngstes Beispiel: Die Stadt Bremen hat kürzlich einen Link zum Bremer Friedensforum auf ihrer Website gelöscht, mit einer fragwürdigen Begründung. Von Bernhard Trautvetter. https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/231114-Ausgrenzung-Friedensbewegung-NDS.mp3
Die Stadt Bremen löschte kürzlich den Link zum Bremer Friedensforum auf ihrer Website. Diese Maßnahme war gegenüber dem Bremer Friedensforum vorab nicht kommuniziert worden. Ein Pressesprecher des Wirtschaftssenators des von SPD, Grünen und LINKEN gebildeten Senats begründete den Schritt auf Nachfragen per Mail unter anderem damit, dass das Bremer Friedensforum eine Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag auf ihrer Website präsentiere, deren Formulierungen „den Staat Israel, israelische Staatsbürger und Jüdinnen und Juden diffamieren“ würden.
Es werde „unter anderem beispielsweise von einem brutalen, völkerrechtswidrigen Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung gesprochen und davon, dass es kriminelle und rassistische Praktiken der israelischen Besatzungstruppen und radikaler Siedlerorganisationen sowie tägliche Provokationen und terroristische Angriffe von ‚Zionisten‘, Siedlern und Besatzungstruppen gibt oder dass eine gewaltsame Besatzungspolitik der derzeitigen rechtsradikalen Netanjahu-Regierung der Grund für die Angriffe der Hamas vom 07.10.2023 darstelle; Israel sei ein Apartheid- und Unterdrückerstaat, der der eigentliche Täter in der nahöstlichen Tragödie sei“.
Diese Darstellung belegt die Stadt nicht mit Zitaten aus der Erklärung des Friedensratschlags, sondern sie folgert ihre Behauptung aus Interpretationen, die sie auf Basis ihres Verständnisses der Erklärung aufstellt.
Die Erklärung des Bundesausschusses geht zwar in der Tat nicht explizit auf die Gräueltaten der Hamas-Kämpfer vom 7. Oktober ein, aber das tun auch andere weltweit anerkannte Texte nicht, so die von der UNO-Generalversammlung kürzlich angenommene Resolution für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen. Die Cancel-Kultur in Deutschland überschreitet aktuell die Hemmschwelle der De-Legitimierung der Friedensbewegung, wie das im Kontext des Ukraine-Krieges schon begonnen hatte, als Olaf Scholz von „gefallenen Engeln aus der Hölle“ und Wolf Biermann sowie andere von ‚Schein-‚ oder gar ‚Lumpenpazifisten‘‚ oder auch ‚Second-hand-Kriegsverbrechern‘ sprachen.
Hier folgen die Stellen der inkriminierten Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag, auf die die Stadt Bremen interpretierend Bezug nimmt:
„Der Angriff hat eine Vorgeschichte, die in der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik israelischer Regierungen seit 1967 zu suchen ist und immer wieder zu Gewaltausbrüchen zwischen den Konfliktparteien führte. Versuche, den Konflikt durch eine Zwei-Staaten-Lösung zu entschärfen, wurden von israelischer Seite wieder und wieder blockiert.
Entwicklungen, die eine Annäherung von einzelnen arabischen Staaten und Israel anbahnen und die Interessen der Palästinenser dabei übergehen, sowie die gewaltsame Besatzungspolitik der derzeitigen rechtsradikalen Netanjahu-Regierung, die seit Jahresbeginn etwa 300 palästinensische Todesopfer im Westjordanland forderte, bilden den provokatorischen Hintergrund für den Angriff aus dem Gazastreifen auf israelisches Territorium.
Erst am Vorabend des Angriffs hatten israelische Siedler zum wiederholten Mal und unter dem Schutz der Armee die Kleinstadt Huwara in einem pogromähnlichen Überfall angegriffen und einen 16jährigen getötet. Der israelische Finanzminister Betalel Smotrich hatte angekündigt, die Stadt auslöschen zu wollen. Ohne die Asymmetrie von Gewalt und Gewaltanwendung in diesem Konflikt zu benennen und zu bekämpfen, wird eine Lösung nicht möglich sein…“
Terror und strukturelle Gewalt
Die Erwähnung der Tatsache, dass der Hamas-Terror vom 7. Oktober eine Vorgeschichte hat, stellt zum einen keine Unterstützung der Verbrechen dar, sie diffamiert auch niemanden, auch nicht den Staat Israel. In Israel regiert seit der Ermordung des friedensorientierten Ministerpräsidenten Israels Itzak Rabin 1995 Netanjahu, dessen Machtpolitik selbst rechtsextreme Minister einbezieht. Hier ein Zitat aus dem ZDF-Beleg-Dokument als Beweis:
„Hinzu kommen geplante Neuregelungen, die dem möglichen Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir, Chef der ultrarechten Partei Jüdische Kraft, die Befehlsgewalt über die Grenzpolizei auch im Westjordanland und Ost-Jerusalem geben würde. Ihm wurde wiederholt vorgeworfen, dass er Spannungen mit den Palästinensern anheize.
Die israelische Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara verurteilte die geplanten Gesetzesreformen der künftigen Regierung scharf. Das von der Regierung angestrebte Vorhaben gefährde das demokratische System im Land.“
Die Besatzungspolitik der Regierung Netanjahu, die mit dem Friedensabkommen, das Itzak Rabin ausgehandelt hatte, bricht, verstößt natürlich gegen das Völkerrecht, wie z.B. die Resolution 242 des Weltsicherheitsrates von 1967. Darin hieß es, die israelische Armee müsse sich „aus Gebieten, die … besetzt wurden,“ zurückziehen und zwar unter der „Achtung und Anerkennung der Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staates in der Region und seines Rechts, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhung oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben“.
Diese Verpflichtung zu verletzen, ist bereits ein Ausdruck von struktureller Gewalt. Der Bundesausschuss Friedensratschlag kritisiert die Handlungen der Netanjahu-Regierung, ohne dass er sich dabei der Israelfeindlichkeit schuldig macht. Die Aussage, ohne „die Asymmetrie von Gewalt und Gewaltanwendung in diesem Konflikt zu benennen und zu bekämpfen, wird eine Lösung nicht möglich sein“, trifft auch die Interessen der Menschen, die in Israel leben, denn sie haben wie alle Menschen das Bedürfnis, in Sicherheit für sich und ihre Familien eine perspektivreiche Zukunft aufzubauen. Dies wird ohne eine Lösung der Krisen, die der Eskalation zugrunde liegen, ohne Kompromisse, die die Interessen aller Seiten mit einbeziehen, unmöglich sein.
Wer Frieden will, muss Kompromisse finden
Die Diffamierung der Friedensbewegung, wie sie von der Stadt Bremen exerziert wird, untergräbt die Demokratie hierzulande, sie stärkt die auf militärische Macht statt auf Lösung setzenden Kräfte und sie diffamiert jene, denen der unberechtigte Vorwurf gemacht wird, sie seien es, die diffamieren. Das Bestreben der Friedensbewegung, statt mit Gewalt mit Diplomatie – wie es Itzak Rabin und Yassir Arafat zuwege gebracht hatten – Konflikte zu vermeiden und zu lösen, ist die Antwort auf viele Weltkonflikte. Dazu gehört auch der Konflikt um die NATO-Mitgliedschaft osteuropäischer Staaten inklusive der Ukraine, die mit internationalem Recht bricht und die zur Vorgeschichte der Kampfhandlungen in ukrainischen Regionen unweit der russischen Westgrenze gehören.
Wer den Frieden will, hat angesichts dieser Zusammenhänge die Aufgabe, eine einseitige Parteinahme zu vermeiden, und er muss auf dem Weg zu Kompromissen Lösungen für die Konflikte finden, die als dessen Vorgeschichte dem Töten und Zerstören zugrunde liegen.
Titelbild: Fabian Junge/shutterstock.com
NachDenkSeiten
14. November 2023 um 10:00Ein Artikel von Éva Péli
General a.D. Kujat zur aktuellen Ampel-Regierung: Das ist keine Politik sondern Fanatismus
In einem aktuellen Interview rechnet Harald Kujat, früherer Bundeswehr-Generalinspekteur und ehemaliger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hart mit der westlichen Politik im Ukraine-Konflikt ab. Seine Kritik gilt insbesondere der bundesdeutschen Politik. Aus seiner Sicht hätte der Krieg in der Ukraine verhindert und nach seinem Ausbruch schnell beendet werden können. Von Éva Péli.
„Es gibt die einen, die den Krieg wollen, es gibt die anderen, die den Krieg nicht verhindern wollen. Und es gibt diejenigen, die den Krieg nicht verhindern können. Jetzt können Sie sich selbst aussuchen, wer zu welcher Kategorie gehört.“
So fasst der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a. D. Harald Kujat, in einem am 5. November veröffentlichten Interview (https://youtu.be/Ws0wX6ZTjkk) mit dem Fachportal für Finanzkapitalanalyse HKCM zusammen, warum der Krieg in der Ukraine trotz riesiger Verluste weitergeht. Kujat war unter anderem Generalinspekteur der Bundeswehr.
Sein Gesprächspartner, HKCM-Mitgeschäftsführer Philip Hopf, verweist auf die in den letzten Jahren einseitig gewordene Berichterstattung und die oftmals empfindlichen Reaktionen, wenn eine konträre Stimme erscheint. Er kritisiert die Politiker, „die den Nimbus hatten, für den Frieden zu stehen und jetzt voll in die Eskalation reingehen, während sie gleichzeitig nicht das Hintergrundwissen haben, um das überhaupt einschätzen zu können, was das eigentlich bedeutet“.
Fanatismus statt Politik
Kujat, einst ranghöchster Soldat Deutschlands, sieht das Problem darin, „dass wir Menschen in der Politik haben, die aus mangelnder Kompetenz, aber auch aus Ignoranz heraus diese Politik seit dem letzten Regierungswechsel betreiben“. Ihn haben die Reaktionen und die Einstellung von Teilen der Politik und Gesellschaft zum Krieg in der Ukraine nicht überrascht. Eher hat ihn diese Entwicklung enttäuscht: „vor allen Dingen der Fanatismus, mit dem diese Politik betrieben wird, mit Scheuklappen, ohne nach links und rechts zu schauen“. Diese Politik nimmt aus seiner Sicht keine Rücksicht auf das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung und lässt außer Acht, welche Konsequenzen sie für die ukrainische Bevölkerung hat, die unter diesem Krieg leidet. All das werde mit dem Satz verbrämt: Die Ukraine muss gewinnen. „Das ist keine Politik. Das ist Fanatismus.“
Damit wird laut dem Ex-General alles über Bord geworfen, „was wir aus unserer Geschichte gelernt und in den letzten Jahrzehnten aus dieser Erfahrung heraus in unserer Außen- und Sicherheitspolitik angewendet haben“. Diese Politik ist unverantwortlich, so Kujat.
Er ist davon überzeugt, dass der Krieg in der Ukraine hätte verhindert werden können. Er erinnert an das „sehr massive, sehr fordernde“ Papier der russischen Regierung am 17. Dezember 2021 an die Vereinigten Staaten und an die NATO. Im Kern ist es darum gegangen, auf Entwicklungen einzugehen, die aus russischer Sicht den Frieden gefährdeten. Der Westen beziehungsweise einige NATO-Staaten waren laut Kujat nicht bereit, darüber zu sprechen. „Hätte man das getan, hätte man zumindest den Versuch unternommen, den Krieg zu verhindern.“ Selbst das sei ja nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit geschehen, kritisiert er.
Nicht gewollter Frieden
Der Krieg hätte auch nach gut sechs Wochen beendet werden können, erklärt Kujat weiter und weist auf die vom türkischen Präsidenten initiierten Verhandlungen Anfang April 2022 hin, „die ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben“. Der Vertrag sei aber auf Druck des Westens nicht unterschrieben worden. Das sei der Ursprung aller Entwicklungen: die vielen Toten danach auf der ukrainischen Seite, aber auch die Zerstörung des Landes, sagt Kujat, der in seiner Dienstzeit auch Vorsitzender der NATO-Ukraine-Kommission war.
Im Augenblick bietet sich wieder eine Chance, die beiden Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bringen, erklärt Kujat, da die wetterbedingte Schlammperiode in der Ukraine einsetzt. Dadurch wird der Krieg gerade entschleunigt, bis voraussichtlich Anfang Dezember wird es nicht möglich sein, mit mechanisierten Kräften einzugreifen. „Aber die Entscheidung dafür fällt nicht in Kiew, sondern die muss in Washington fallen.“ Es gibt aus seiner Sicht überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Ablehnung immer vom Westen erfolgt, teilweise auch von der Ukraine, da der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Anfang Oktober 2022 per Dekret sich selbst und seiner Regierung Verhandlungen mit Russland untersagte.
Russlands Präsident Wladimir Putin habe dagegen mehrmals gesagt, dass er jederzeit zu Verhandlungen bereit sei. Beispielsweise am 17. Juni, als die afrikanische Friedensdelegation in Russland war, habe er auch gesagt, dass er jederzeit bereit sei, mit jedem zu verhandeln, der bereit ist, gerechte Verhandlungen zu führen und die beidseitigen Sicherheitsinteressen anzuerkennen.
Dieser Krieg ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung, er ist auch ein Informationskrieg, betont Kujat im Gespräch – darum wird über vieles konträr oder gar nicht berichtet –, sowie ein Wirtschaftskrieg. „In diesem Informationskrieg sitzen eben viele Frontkämpfer in den Schützengräben und berichten Dinge, die sie gerne so hätten, aber die nicht so sind, wie sie sie darstellen.“
Der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur findet am erschreckendsten an der ganzen Situation, „dass wir angeblich in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft leben und stolz darauf sind, eine Demokratie zu sein und die Werte hochhalten, die uns von anderen unterscheiden“. Doch: „Und was tun wir? Wir ignorieren das Friedensgebot der Verfassung. Die Verfassung interessiert die Politik überhaupt nicht. Wir ignorieren das Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Unterdrückung von Meinungsäußerung haben wir ja in der Vergangenheit leider leidvoll erfahren müssen, ist uns nicht gut bekommen, und sie wird uns auch in diesem Fall nicht gut bekommen.“
„Viel Unsinn“ über die Lage
Auch über die ukrainische Offensive werde „viel Unsinn geredet“, so Kujat. Ziel der Offensive war, die Landbrücke zwischen Russland und der Ukraine zu unterbrechen, also etwa bis zu der Hafenstadt Mariupol vorzustoßen. Die Krim ist praktisch eine logistische Drehscheibe für die russischen Streitkräfte. So wollten die Ukrainer aus seiner Sicht die Zufuhr der Versorgung unterbrechen, die russische Armee „austrocknen lassen“ und damit eine strategische Wende zugunsten der Ukraine erreichen. „Nun, das ist nicht eingetreten, und das wird auch nicht eintreten.“
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg habe vor einiger Zeit gesagt, die ukrainischen Streitkräfte würden jeden Tag 100 Meter zurückgewinnen. Bis Mariupol sind es 86 Kilometer, also würde die Ukraine 860 Tage brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. Das zeigt, wie viel „Unsinn geredet“ wird, so Kujats Kommentar.
Der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj soll in einem Interview mit der Zeitung Washington Post gesagt haben: Jeder Quadratmeter fordere einen hohen Blutzoll. Die Verluste der ukrainischen Streitkräfte sind exorbitant, gerade in dieser Offensive, betont Kujat. Die russischen Streitkräfte hätten sich dagegen zu einer strategischen Defensive entschieden. Ihr Ziel sei es, nicht Gelände um jeden Preis zu halten, sondern die Streitkräfte der Ukraine zu vernichten. Er zitiert den Grundsatz von Clausewitz: „Mache den Gegner wehrlos und dann kommt alles andere praktisch von selbst.“
Kujat macht weiter darauf aufmerksam, dass die Russen seit einigen Tagen von einer Gegenoffensive sprechen und im Hinterland erhebliche Kräfte zusammengezogen haben. Die Rede sei von 350.000 Mann. Das könne nur auf einen Vorstoß hindeuten. Der General a. D. stellt sich die Frage: „Welches Ziel verfolgen die Russen?“ Er geht davon aus, dass sie versuchen werden, ihre bisherigen Eroberungen zu konsolidieren, das heißt die ehemaligen Verwaltungsgrenzen der Regionen Donezk und Luhansk, aber auch die Regionen Saporischschja und Cherson, die Putin am 30. September vorigen Jahres zu russischem Staatsgebiet erklärt hat.
Er rechnet damit, dass sie auch Odessa einzunehmen versuchen, weil Russland Odessa als eine historisch bedeutende Stadt ansieht. Kujat hält es für wahrscheinlich, dass Moskau danach sagen wird: Wir haben das Ziel unserer militärischen Spezialoperation erreicht. Die entscheidende Frage ist aus seiner Sicht: Wie wird sich dann der Westen verhalten? Wird er den Krieg weiter fortsetzen wollen, oder wird er diese Gelegenheit ergreifen wollen, um dann doch den Krieg zu beenden?
Neue Phase des Krieges
Die ukrainischen Streitkräfte befinden sich laut Kujat in einem außerordentlich kritischen Zustand. Die Offensive, die vom Westen über lange Zeit hochgelobt wurde, ist aus seiner Sicht gescheitert. „Das muss man klar sagen.“ Jetzt entsteht eine neue Phase des Krieges, so Kujat weiter, in der die Ukraine versucht, Russland in der Tiefe des Raumes anzugreifen. Kujat zitiert die Worte von Präsident Selenskyj aus dem Juli dieses Jahres nach einem Drohnenangriff auf Russland: „Allmählich kehrt der Krieg auf das Territorium Russlands zurück – auf seine symbolischen Zentren und Militärstützpunkte.“
Der Krieg wird auf eine höhere Eskalationsstufe angehoben, so Kujat, und er habe den Eindruck, dass dies die letzte Stufe sei, „bevor die Ukraine darum bittet, dass westliche Soldaten den westlichen Waffensystemen folgen“. Denn Waffensysteme können die personellen Verluste der ukrainischen Streitkräfte nicht ausgleichen, sagt der ehemalige NATO-General.
Bei dieser neuen Phase spiele Deutschland eine besondere Rolle. Diese Phase könne die Ukraine überhaupt nur beginnen, wenn sie über Systeme wie „Taurus“ (ein deutscher Luft-Boden-Marschflugkörper) verfügt. Die US-Amerikaner haben sich bisher geweigert, solche Waffensysteme zu liefern. Er erinnert daran, was US-Präsident Joseph Biden gesagt hat: „Wir liefern keine. Wir wollen einen dritten Weltkrieg vermeiden.“ In Deutschland dagegen wird nach wie vor diese Diskussion um „Taurus“ geführt. Das ist eine äußerst kritische Entwicklung für die Bundesrepublik, so der Ex-General.
Kujat spricht auch über die hohe Zahl der Fahnenflüchtigen in der Ukraine und über das sehr geringe Reservoir. „Denn man kann sich freikaufen. Für zwischen 6.000 und 10.000 US-Dollar werden die Männer vom Wehrdienst befreit und gehen ins Ausland.“ Inzwischen hat Selenskyj versucht aufzuräumen, und der Verteidigungsminister und seine sechs Stellvertreter wurden entlassen, fügt er hinzu.
Effektive russische Armee
Die russischen Verluste sind laut dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr am Anfang des Krieges hoch gewesen, in den ersten zwei bis drei Wochen. Zwischendurch sind sie dann geringer geworden, denn, „das weiß jeder Militär, ein Verteidiger hat immer weniger Verluste als ein Angreifer“. Hinzu kommt, dass Russland über die gesamte Lufthoheit über dem Gefechtsfeld verfügt. Den Einsatz russischer Kampfhubschrauber schätzt er als äußerst effektiv ein. Weiterhin verfügen laut Kujat die russischen Streitkräfte über ein hochmodernes Führungsinformationssystem, das heißt eine hervorragende Vernetzung zwischen Aufklärungssystemen und Wirkungssystemen, also Waffensystemen. Diese Vernetzung erlaubt es ihnen, praktisch ohne Zeitverzug zu reagieren. Das macht die russische Kriegsführung aus seiner Sicht äußerst effektiv.
Einen dritten Punkt hebt er hervor: Bis zum Oktober ging es noch um einen Bewegungskrieg. Dann war die russische Überlegenheit dadurch gekennzeichnet, dass sie das Gefecht der verbundenen Waffen, also das Zusammenwirken verschiedener Waffensysteme, hervorragend beherrschen. Das ist eine Fähigkeit, die eine lange Ausbildungszeit erfordert. Die russischen Streitkräfte sind im Augenblick wesentlich stärker, als sie vor dem Krieg waren:
„Es ist eine sehr moderne, eine sehr schlagkräftige Armee.“
Den ukrainischen Brigaden, die im Ausland und überwiegend in Deutschland ausgebildet wurden, sei beigebracht worden, die westlichen Waffensysteme zu bedienen und zu beherrschen. Aber die Fähigkeit zum Gefecht der verbundenen Waffen hätten sie in der Zeit gar nicht lernen können. Das kann laut Kujat von ihnen gar nicht verlangt werden. Auch das hat dazu geführt, betont er, dass die ukrainischen Verluste im Vergleich zu den russischen Verlusten exorbitant sind.
Geopolitischer Konflikt
Zum eskalierten Nahost-Konflikt sagt der General a. D. der Luftwaffe, er finde es „unerträglich“, dass diese Situation über viele Jahre entstehen konnte:
„Wir müssen jetzt versuchen, die Situation kurzfristig zu deeskalieren. Denn es kann nicht sein, dass nun Auge um Auge, Zahn um Zahn Rache geübt wird.“
Er sagt: Es muss ein vernünftiges politisches Ziel sichtbar werden, eine stabile Ordnung muss entstehen. Das kann seiner Meinung nach nur darin bestehen, dass es eine Zweistaatenlösung gibt. Er bedauere es, dass es überall da, wo die Interessen beider Großmächte – Russland und die Vereinigten Staaten – berührt sind, zu einer Eruption kommt.
Käme es zu einem europäischen Krieg, wäre die Bundeswehr nach seiner Einschätzung im Moment nicht in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung zu leisten. „Sie wird laufend auch kannibalisiert durch den Abzug des Materials, das in die Ukraine geht.“ Das nennt er einen Riesenfehler, den die Politiker begehen.
Der Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur denkt nicht, dass Russland Europa, die baltischen Staaten oder Rumänien angreifen würde. Viel mehr bestehe das Risiko, dass sich eine Eskalation entwickelt, die weder von Russland noch vom Westen politisch unter Kontrolle gebracht werden kann. Das sieht er als das eigentliche Problem, gerade jetzt an der Schwelle der Ausweitung des Krieges der Ukraine auf Russland. Er weist auf einen weiteren Punkt hin: In der Vergangenheit verfügte Deutschland über erhebliche US-amerikanische und andere Kräfte von Bündnispartnern, um sich zu verteidigen. „Die sind nicht mehr da.“
Die US-Amerikaner würden vier bis sechs Monate brauchen, bis sie das Material wieder zurückgeführt haben:
„Früher zu den großen Übungen wurden die amerikanischen Soldaten eingeflogen, haben ihre Waffensysteme in Besitz genommen, und innerhalb von 72 Stunden waren sie in ihren Verteidigungsräumen. Das ist Geschichte, das ist nicht mehr der Fall.“
Krieg ohne Sieger
Überhaupt daran zu denken, dass es zu einem Krieg in Europa kommen könnte, der möglicherweise sogar das Risiko einer Eskalation in den nuklearen Bereich birgt, das hält er für „verbrecherisch“. Kujat sagt: „Wir müssten uns selbst Zurückhaltung auferlegen: uns gegenüber und der ukrainischen Bevölkerung gegenüber.“ Aber diese Zurückhaltung sehe er nicht:
„Ich sehe immer nur die Frontkämpfer des Informationskriegs, die fordern, fordern, fordern und den Eindruck erwecken, die Ukraine könnte den Krieg gewinnen.“
Diesen Krieg kann laut dem Ex-NATO-General niemand gewinnen. Russland könne ihn nicht gewinnen, denn sein Ziel, die NATO-Erweiterung zu verhindern, sei mit der Mitgliedschaft von Schweden und Finnland nicht mehr zu erreichen. Die Ukraine könne den Krieg auch nicht gewinnen, weil sie ihre Gebiete nicht zurückgewinnen könne. Die Vereinigten Staaten könnten ihr politisches Ziel ebenfalls nicht erreichen, nämlich die Schwächung der russischen Streitkräfte, die Schwächung von Russland insgesamt. Eher das Gegenteil treffe zu: Das zeige Russlands enormer politischer Aufschwung in Bezug auf die BRICS-Staaten und die Zusammenarbeit mit China.
Es bleibe also die Frage, wer eine militärische Niederlage erleiden wird. „Das ist ganz offensichtlich für jeden, der nur ein wenig von militärischen Operationen und von Strategie versteht.“ Das ist laut Kujat nur eine Frage der Zeit. Militärisch ist die russische Armee die stärkste seit vielen Jahren.
„Nur leider ist in unserer Bundesregierung die Fähigkeit zum Weitblick ganz gering ausgeprägt oder gar nicht vorhanden.“
Er hoffe auf ein Umdenken, zunächst in unseren Medien, denn dann wird diese Entwicklung auch bei der derzeitigen Regierung wirksam werden.
Aus: Ausgabe vom 08.11.2023, Seite 7 / Ausland
NAHOSTKONFLIKT
Verbrechen angeprangert
Lateinamerika: Honduras, Chile, Kolumbien und Bolivien ziehen Botschafter aus Israel ab und fordern Bestrafung für Vorgehen gegen Palästinenser
Von Volker Hermsdorf
Mit Honduras hat Ende vergangener Woche ein weiteres lateinamerikanisches Land seinen Botschafter aus Israel abberufen. Zuvor hatten bereits Chile und Kolumbien ihre Vertreter zurückbeordert. Bolivien hatte am Dienstag vergangener Woche als erstes Land der Region seine Beziehungen zu Tel Aviv ganz abgebrochen. Auch die Regierungen Brasiliens, Mexikos, Argentiniens, Venezuelas, Nicaraguas und Kubas verurteilen das Vorgehen der israelischen Regierung. Einige werfen ihr Völkermord vor und fordern, die Verantwortlichen für die Bombardierung von Krankenhäusern und die Tötung von Kindern zu bestrafen. In zahlreichen Städten demonstrierten Hunderttausende Menschen für Palästina.
Das honduranische Außenministerium hatte am Freitag im Kurznachrichtendienst X zunächst eine Mitteilung veröffentlicht, in der es hieß, Außenminister Enrique Reina rufe seinen Botschafter »angesichts des Völkermords und der ernsten Situation der Gewalt, der die Zivilbevölkerung in Palästina und die unschuldigen Opfer der israelischen Rache ausgesetzt sind«, nach Tegucigalpa zurück. Später löschte das Ministerium diese Formulierung zwar, blieb aber beim Vorwurf des Völkermords und schwerer Verstöße gegen das Völkerrecht und bestätigte die Abberufung des Botschafters.
Am selben Tag wies Bolivien Äußerungen des israelischen Außenministeriums zurück, das den Abbruch der Beziehungen als »Kapitulation vor dem Terrorismus und dem Regime der Ajatollahs im Iran« bezeichnet hatte. Derartige Formulierungen seien »unzulässig und unhaltbar«, so die Regierung in La Paz. In einer Erklärung wird »die Achtung des Rechts auf Leben, der Menschenrechte und des Friedens des palästinensischen wie aller anderen Völker« gefordert. Bolivien bekräftigte seine Position, dass »das Leben von Palästinensern und Israelis den gleichen Wert hat«, und forderte Tel Aviv auf, »die Stigmatisierung souveräner Staaten zu beenden sowie UN-Resolutionen und die Grundsätze des Völkerrechts zu beachten«.
»Das palästinensische Volk erlebt heute einen Horror«, erklärte auch Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel zu Wochenbeginn. Er fragte, wie lange die Welt das Leiden so vieler Kinder noch mit ansehen müsse. »Diejenigen, die sich der Beendigung der Gewalt widersetzen, werden die Verantwortung für so viele Tote übernehmen müssen«, sagte Díaz-Canel. »Sie bombardieren Krankenhäuser, Moscheen und Kirchen, greifen Flüchtlingszentren an und fabulieren über eine Atombombe«, prangerte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro am Montag in seiner Fernsehsendung »Con Maduro Más« das israelische Vorgehen an. »Die Drohungen des Ministers (Amichai Elijahu, jW) mit einem Atombombenabwurf auf Gaza sind ein Beweis dafür, dass Israel zu einer Gefahr für das Leben auf dem Planeten geworden ist«, hatte das venezolanische Außenministerium bereits einen Tag zuvor gewarnt. Auch der als eher gemäßigt geltende kolumbianische Präsident Gustavo Petro verschärfte seine Kritik. Nach Berichten über die Bombardierung des UN-Hilfswerks für Flüchtlinge in Gaza mit weißem Phosphor bezeichnete er dessen Einsatz als Kriegsverbrechen. »Kriegsverbrecher müssen unabhängig von Religion, Ideologie oder Nation vor Gericht gestellt und inhaftiert werden«, erklärte er auf X.
In der lateinamerikanischen Bevölkerung nehmen Solidarität mit Palästina und Kritik an Israel ständig zu. Die Teilnehmer einer Großdemonstration in Buenos Aires, auf der auch die Kovorsitzende der Mütter der Plaza de Mayo, Nora Cortiñas, und Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel mitmarschierten, verabschiedeten am Wochenende eine Erklärung, in der es hieß: »Es ist unvorstellbar, dass Israel vor den Augen Europas, der USA und der westlichen Mächte Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza durchführen darf.« Am Copacabana-Strand in Rio de Janeiro breiteten Aktivisten weiße, rot bemalte Leichentücher mit den Namen von Kindern aus, die durch israelische Bomben getötet wurden. In Brasilien, Chile, Mexiko forderten jeweils Zigtausende Demonstranten ihre Regierungen zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Tel Aviv auf.
Quelle: junge Welt v.08.11.2023/ Pablo Sanhueza/REUTERS
Solidarität mit Palästina ist im globalen Süden selbstverständlich (Santiago de Chile, 4.11.2023)
„Nicht die Zeit, über Frieden zu reden“
Berlin ist mit Israel über sanitätsdienstliche Unterstützung im Gespräch. Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen steigt. US-Außenminister warnt, bei weiterer Eskalation fehlten künftig „Partner für den Frieden“.
06
NOV
2023
TEL AVIV/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung ist mit Israel über medizinische Hilfen für die in Gaza kämpfenden israelischen Truppen im Gespräch. Dies geht aus Äußerungen von Sprechern der Bundesregierung hervor. Demnach steht das Bundesverteidigungsministerium „in einem engen Austausch“ mit Tel Aviv und verhandelt „insgesamt über sanitätsdienstliche Unterstützung“. Dies geschieht, während die Kritik am Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen weltweit zunimmt und Israel in zunehmendem Ausmaß isoliert. Die Zahl der Todesopfer in Gaza hat die Zahl der zivilen Todesopfer im Ukraine-Krieg nahezu eingeholt. UN-Generalsekretär António Guterres warnt, das humanitäre Völkerrecht sei „kein à la carte-Menü“; es dürfe „nicht selektiv angewandt“ werden. US-Außenminister Antony Blinken dringt zumindest auf eine Feuerpause und warnt, wenn die Bevölkerung „von der humanitären Katastrophe verzehrt“ und „entfremdet durch die wahrgenommene Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Not“ sei, werde es nach dem Ende der Kampfhandlungen „keine Partner für den Frieden“ mehr geben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck teilt den Gedanken nicht und postuliert: „Es ist jetzt nicht die Zeit, über Frieden zu reden.“
Die humanitäre Katastrophe
Die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen erreichte am Sonntagabend laut Angaben der dortigen Gesundheitsbehörden 9.730. Damit nähert sie sich der Zahl der zivilen Todesopfer im Ukraine-Krieg, die seit dem 24. Februar 2022 den Vereinten Nationen zufolge inzwischen auf mehr als 9.900 gestiegen ist.[1] Zwar ist nicht klar, wieviele Milizionäre sich unter den Opfern in Gaza befinden. Doch wurden dort mehrheitlich Kinder und Jugendliche (rund 3.900) oder Frauen (etwa 2.500) getötet. Während israelische Regierungsstellen die Angaben der Gesundheitsbehörden als übertrieben abtun, weisen kritische Stimmen auch in Israel darauf hin, dass sie sich in der Vergangenheit gewöhnlich als zuverlässig erwiesen haben.[2] Bis zu diesem Wochenende kamen im Gazastreifen außerdem 79 UN-Mitarbeiter zu Tode – fast zwei Drittel der 116 UN-Mitarbeiter, die im Jahr 2022 weltweit ihr Leben verloren.[3] Mehr als 1,4 Millionen der insgesamt 2,3 Millionen Einwohner sind auf der Flucht, ohne freilich eine Chance zu haben, sich vor den überall einschlagenden Bomben in Sicherheit zu bringen. Mittlerweile sind 16 der 35 Krankenhäuser geschlossen; die übrigen werden nur noch eingeschränkt betrieben, weil Treibstoff und Medikamente kaum mehr vorhanden sind. Die gesamte Gesundheitsversorgung hänge „am seidenen Faden“, hieß es bereits Anfang vergangener Woche.[4]
„Kein à la carte-Menü“
Heftigen Protest äußern die Vereinten Nationen. Mitte vergangener Woche konstatierte das UN-Menschenrechtskommissariat, unter anderem bei dem israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager Jabalia könne es sich wegen der hohen Zahl ziviler Todesopfer und wegen des Ausmaßes der Zerstörung um ein „Kriegsverbrechen“ handeln.[5] Berichten zufolge wurden bei mehreren Angriffen auf das Lager mindestens 195 Menschen getötet; mehr als hundert wurden noch unter den Trümmern vermutet. Nach einem Angriff auf einen Konvoi von Krankenwagen, dem Bombardements von Krankenhäusern vorausgegangen waren, gab sich der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, „zutiefst geschockt“: „Patienten, Gesundheitspersonal, Einrichtungen und Krankenwagen müssen zu allen Zeiten geschützt werden. Immer.“[6] UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich gleichfalls „entsetzt“. „Ich vergesse die Terrorangriffe, die in Israel von der Hamas begangen wurden, nicht“, betonte Guterres. Nun würden aber seit fast einem Monat Zivilisten im Gazastreifen belagert, von Hilfe abgeschnitten, getötet und aus ihren Wohnungen gebombt: „Das muss aufhören.“[7] Guterres hatte bereits zuvor gewarnt, das humanitäre Völkerrecht sei „kein à la carte-Menü“ und dürfe „nicht selektiv angewandt“ werden.[8]
Zunehmend isoliert
Die rücksichtslose Kriegführung stößt im Ausland in steigendem Maß auf scharfe Kritik. Mehrere Staaten haben mittlerweile aus Protest gegen die hohe Zahl an zivilen Todesopfern ihre Botschafter aus Israel zurückgerufen, darunter etwa Chile, Kolumbien und Honduras, Jordanien und Bahrain. Bahrain ist eines der Länder, die mit Israel ein sogenanntes Abraham-Abkommen geschlossen haben. Bolivien hat sogar seine diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen – bereits zum zweiten Mal: Der damalige Präsident Evo Morales hatte dies bereits im Jahr 2009 aus Protest gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen getan; die 2019 per kaltem Putsch an die Macht gelangte Übergangspräsidentin Jeanine Áñez [9] hatte die diplomatischen Beziehungen zu Israel 2020 wiederaufgenommen. Dass sich Israel mit seiner Kriegführung immer stärker isoliert, zeigte bereits das Votum der UN-Generalversammlung vom 27. Oktober. Lediglich 14 Staaten lehnten die Resolution mit ihrer Forderung nach einem Waffenstillstand im Gazastreifen ab: neben den USA, Israel und vier EU-Mitgliedern lediglich zwei Staaten Lateinamerikas und sechs Pazifikstaaten, die in ihrer aktuellen Politik von den Vereinigten Staaten abhängig sind.[10] Unter den 45 Staaten, die sich enthielten, befanden sich nur 15 aus dem Globalen Süden. Dieser geht ganz überwiegend zu Israel auf Distanz.
„Keine Partner für den Frieden“
Zur zunehmenden äußeren Isolation kommt mittlerweile auch Druck aus den Vereinigten Staaten hinzu. Hintergrund ist vor allem, dass die USA weiterhin ihren globalen Schwerpunkt auf den Machtkampf gegen China legen und deshalb einen ausufernden Flächenbrand im Nahen Osten verhindern wollen, der sie – wie zuletzt der Krieg gegen den IS – erneut von der Konzentration all ihrer Kräfte auf die Asien-Pazifik-Region abhalten würde. Washington hat deshalb die israelische Bodenoffensive zumindest zu verzögern versucht. Nun dringen die Vereinigten Staaten auf eine Feuerpause. Außenminister Antony Blinken erklärte am Freitag bei einem Besuch in Israel, er sei unverändert schockiert über das Hamas-Massaker vom 7. Oktober. Doch sei er auch erschüttert über die Bilder toter und verwundeter palästinensischer Kinder in Gaza: „Wenn ich das sehe, sehe ich meine eigenen Kinder.“[11] Israel habe zwar das Recht, sich selbst zu verteidigen. Allerdings müsse das unter Einhaltung des humanitären Völkerrechts geschehen. Wenn die Bevölkerung „von der humanitären Katastrophe verzehrt“ sei und „entfremdet durch die wahrgenommene Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Not“, dann werde es „keine Partner für den Frieden“ geben, warnte Blinken im Hinblick auf die Zeit nach dem Krieg.[12]
Kein Ende der Gewaltspirale
Die Bundesregierung weist derlei Überlegungen zurück. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte in der vergangenen Woche explizit: „Es ist jetzt nicht die Zeit, über Frieden zu reden.“[13] Habeck positionierte sich damit gegen die jüdische Schriftstellerin Deborah Feldman, die in einer TV-Talkshow mit Blick auf die hohe, schnell steigende Zahl ziviler Todesopfer im Gazastreifen erklärt hatte: „Es gibt eine erhebliche Stimme in der [jüdischen, d. Red.] Diaspora, die nach einem Ende der Gewaltspirale schreit. Ich gehöre dazu.“ „Wenn diese Eskalation der Gewalt nicht beendet wird“, warnte Feldman, dann „erleben wir möglicherweise eine dramatische, gefährliche Entwicklung“ – und das nicht nur „in unserer Gesellschaft“, sondern auch „in der Welt“, „die wir nicht mehr in den Griff bekommen“. Habeck lehnte Feldmans Warnung „politisch“ eindeutig ab: „Als politische Haltung schließt sich das für mich aus.“[14] Deutschland werde Israel weiter im Krieg unterstützen, nicht zuletzt mit Waffenlieferungen (german-foreign-policy.com berichtete [15]).
Sanitätsdienstliche Unterstützung
Aktuell ist die Bundesregierung mit Israel über medizinische Hilfen für Israel im Gespräch. Auf die Frage, ob es zutreffe, dass „Deutschland um ein Lazarettschiff gebeten worden sei ..., um die Verletzten aus dem Gazastreifen zu behandeln“, bestätigte ein Regierungssprecher am vergangenen Freitag, Berlin „prüfe“ derzeit“ „nach Kräften, was wir anbieten können“.[16] Ein „Lazarettschiff“ besitze die Deutsche Marine allerdings nicht. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erläuterte, es sei „kein Geheimnis“, dass „wir mit Israel in einem engen Austausch stehen und insgesamt über sanitätsdienstliche Unterstützung sprechen“. Die drei Einsatzgruppenversorger der Marine verfügten „über unterschiedliche sanitätsdienstliche Möglichkeiten“. Einer von ihnen, die Frankfurt am Main, befindet sich derzeit im östlichen Mittelmeer. Auf die Frage, ob die Marine eventuell „medizinische Hilfsleistungen für im Gazastreifen verwundete Palästinenser“ durchführen werde, erklärte ein Regierungssprecher: „Das ist mir nicht bekannt.“[17]
[1] ‘Unceasing Death, Destruction, Suffering’ of Russian Federation’s War on Ukraine Must End, Senior Humanitarian Affairs Official Tells Security Council. press.un.org 31.10.2023.
[2] Jack Khoury: Gaza Aid Groups Struggle to Estimate Extent of Destruction. They Say It’s Never Been Worse. haaretz.com 03.11.2023.
[3] Charles R. Davis: More UN aid workers have been killed in Gaza in the last few weeks than in all previous wars between Israel and Hamas combined. businessinsider.com 02.11.2023.
[4] Nadeen Ebrahim, Abeer Salman: Surgery without drugs, patients piling up: Gaza’s hospitals overwhelmed amid Israeli strikes and fuel shortages. edition.cnn.com 02.11.2023.
[5] Israel’s attacks on Gaza refugee camp may amount to war crimes, UN human rights office says. cbc.ca 01.11.2023.
[6] Ben Samuels: Israel’s UN envoy slams WHO for ‘bias and double standards’. haaretz.com 04.11.2023.
[7] Andrew Carey, Tara John, Kevin Flower: Israel admits airstrike on ambulance near hospital that witnesses say killed and wounded dozens. edition.cnn.com 04.11.2023.
[8] UN chief warns humanitarian law not ‘an a la carte menu’ in Israel-Hamas war. ynetnews.com 31.10.2023.
[9] S. dazu Berlin und der Putsch (II).
[10] Bei den Ländern handelt es sich um Guatemala und Paraguay sowie um Fidschi, die Marschallinseln, die Föderierten Staaten von Mikronesien, Nauru, Papua-Neuguinea und Tonga. Die vier EU-Staaten sind Österreich, Tschechien, Ungarn und Kroatien.
[11], [12] Matthew Lee, Eric Tucker: Blinken warns Israel that humanitarian conditions in Gaza must improve to have ‘partners for peace’. apnews.com 03.11.2023.
[13], [14] Marko Schlichting: „Es ist jetzt nicht die Zeit, über Frieden zu reden“. n-tv.de 02.11.2023.
[15] S. dazu Waffen für Israel und Einsatz im östlichen Mittelmeer.
[16], [17] Regierungspressekonferenz vom 3. November 2023. bundesregierung.de 03.11.2023.
Quelle: German Foreign.Policy.com
Aus: Ausgabe vom 06.11.2023, Seite 1 / Titel
KRIEG IN GAZA
Keine Chance auf Frieden
Israel lehnt Waffenstillstand in Gaza weiter ab. Flüchtlingsviertel bombardiert. US-Außenminister auf Nahosttour. Proteste gegen Netanjahu
Von Knut Mellenthin
Vier Wochen nach Beginn des neuen Kriegs im Gazastreifen sind wahrscheinlich bereits mehr als 10.000 Tote zu beklagen, und ein Ende ist nicht abzusehen, da die Regierungen Israels, der USA, Deutschlands und anderer EU-Staaten übereinstimmend die weltweit erhobene Forderung nach einem Waffenstillstand ablehnen. Das palästinensische Gesundheitsministerium in Gaza teilte am Sonnabend mit, dass bei den israelischen Angriffen mindestens 9.770 Menschen, darunter 4.800 Kinder, getötet worden seien. Das Kinderhilfswerk UNICEF und andere Unterorganisationen der Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Getöteten ebenfalls in dieser Größenordnung.
Ungefähr 1,5 Millionen Menschen – das entspricht 70 Prozent der Bevölkerung des Gebiets, das nur halb so groß ist wie Hamburg – sind vor den ständigen Luftangriffen und der Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte geflüchtet. Die israelische Kriegspropaganda setzt ihre Versuche fort, die noch im Nordteil des Gazastreifens verbliebene Bevölkerung mit Flugblattabwürfen und massenhaft versandten E-Mails ebenfalls zur Flucht zu treiben. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete am Sonntag unter Berufung auf Ärzte vor Ort von 45 Todesopfern nach der Bombardierung des Al-Magasi-Flüchtlingsviertels. Hier leben nach Angaben des UNRWA mehr als 33.000 Menschen auf einer Fläche von 0,6 Quadratkilometern.
US-Außenminister Antony Blinken traf sich am Sonnabend in Amman mit seinen Amtskollegen aus Jordanien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Ägypten. Außerdem nahm laut Presseberichten ein Abgesandter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) an dem Gespräch teil, der vermutlich auch die Autonomieregierung in Ramallah vertrat. Während die arabischen Politiker für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen eintreten, lehnte Blinken diese Forderung ab. Seine Begründung: Die islamisch-fundamentalistische Hamas, die das Gebiet seit 2007 beherrscht, dürfe keine Gelegenheit erhalten, »sich neu zu gruppieren« und den Kampf später fortzusetzen. Die US-Regierung empfiehlt lediglich kurze »humanitäre Pausen«, aber nicht einmal darauf wollte sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu im Gespräch mit Blinken einlassen.
Vor der Weiterreise in die Türkei unternahm der US-Außenminister am Sonntag einen kurzen Abstecher nach Ramallah, wo er mit Präsident Mahmud Abbas zusammentraf. Washington will die Autonomieregierung überreden, nach dem Krieg die »Verantwortung« im Gazastreifen zu übernehmen. Abbas macht das jedoch von einer »umfassenden Lösung« abhängig, die die Bildung eines palästinensischen Staates unter Einschluss des seit 1967 besetzten Westjordanlands und Ostjerusalems beinhalten müsse.
In Israel nimmt die offen gezeigte Unzufriedenheit mit dem »Krisenmanagement« Netanjahus und der von ihm geführten Regierungskoalition aus Rechten und Ultrarechten zu. Auf Initiative von Familienangehörigen der etwa 240 Geiseln, die am 7. Oktober von palästinensischen Kämpfern in den Gazastreifen entführt wurden, demonstrierten in der Nacht zum Sonntag mehrere tausend Menschen in Tel Aviv für einen von der Hamas angebotenen Gefangenenaustausch. Ähnliche Kundgebungen fanden auch in anderen Städten statt, so mit einigen hundert Teilnehmern in der Umgebung von Netanjahus Wohnung in Jerusalem. Nach Angaben der Hamas vom Sonnabend werden mehr als 60 der von ihr entführten Geiseln infolge israelischer Luftangriffe auf den Gazastreifen vermisst.
Quelle: junge Welt v.06.11.2023/ Bild Ammar Awad/REUTERS
Protest gegen Israels Rechtsregierung und Premier Benjamin Netanjahu am Sonnabend in Jerusalem
Aus: Ausgabe vom 06.11.2023, Seite 2 / Inland
VERFOLGUNG VON PALÄSTINASOLIDARITÄT
»Wir beobachten eine Zuspitzung der Repression«
Grundrechte bei Palästina-Solidarität zunehmend eingeschränkt. Ein Gespräch mit Tobias Den Haan
Interview: Jamal Iqrith
Tobias Den Haan arbeitet für das Monitoring Team des European Legal Support Center (ELSC)
Das European Legal Support Center, ELSC, möchte nach eigenen Angaben »Verfechter palästinensischer Rechte« in Europa »verteidigen und stärken«. Worin genau besteht Ihre Arbeit?
Wir verteidigen europaweit die Grundrechte von Menschen, die sich für Palästina einsetzen. Das bedeutet zunächst, dass wir aufklären, welche Rechte das eigentlich sind. Aber wir vertreten auch Menschen, die konkret von Repression betroffen sind. Daneben führen wir ein Register über einzelne Vorfälle und beobachten, wie sich die Maßnahmen gegen Menschen, die sich propalästinensisch engagieren, entwickeln. Wir arbeiten zum größten Teil in Deutschland, im Vereinigten Königreich, Frankreich, den Niederlanden und Italien.
Was für Repression meinen Sie konkret?
Das ist unterschiedlich. Wir sind seit 2019 aktiv. Die Unterstützung der Belange der Palästinenser wird schon lange staatlich verfolgt. Ich meine damit Menschen, die ihren Job verlieren, weil sie auf Social Media Position bezogen haben, oder Leute, die auf der Straße grundlos von der Polizei angehalten oder festgenommen wurden. Schließlich kümmern wir uns auch um mediale Hetzkampagnen gegen Individuen oder Kollektive, die wegen ihres Engagements für Menschenrechte angegriffen werden.
Was hat sich seit Beginn der aktuellen Kriegshandlungen am 7. Oktober verändert?
Was wir gerade beobachten können, ist eine Verschärfung und Zuspitzung der Repression, aber keinesfalls ein neues Phänomen. Seit mehreren Jahren indexieren wir solche Fälle, aber die Frequenz hat sich drastisch erhöht. Aktuell schaffen wir es nicht, restlos alle Meldungen zu kategorisieren, weil es so viele sind. Das Zusammenwirken von Medien, staatlichen Stellen und zivilgesellschaftlichen Institutionen hat sich seit dem 7. Oktober intensiviert. Es wird versucht, Dissens zu kriminalisieren, Individuen zu verleumden und Protest zu unterbinden.
Waren Sie überrascht über das Ausmaß der Maßnahmen in der BRD?
»Überraschung« ist nicht das richtige Wort. Die aktuelle Entwicklung ist beängstigend und einschüchternd. Polizei und Staat treten uneindeutig auf: Manches wird geahndet, anderes nicht. Das liegt daran, dass die aktuelle Verfolgung sich nicht auf Gesetze stützt. Wir reden hier von Parolen oder Symbolen, aber sie sind nicht verboten. Es gibt kein Gesetz, das das Palästinensertuch oder die palästinensische Flagge verbietet. Und auch keins, das von »From the River to the Sea, Palestine will be free« unter Strafe stellt.
Was ist der Grund für die harten polizeilichen Maßnahmen?
Insbesondere seit 2021 sehen wir in der BRD die Tendenz, propalästinensische Versammlungen schlichtweg zu verbieten. Spitzenpolitiker haben mehrfach erklärt, dass sie die »Sicherheit Israels« als deutsche Staatsräson betrachten. Das hat auch Robert Habeck in seiner Rede bei X betont. Vielleicht ist das, was wir hier auf den Straßen sehen, die praktische Umsetzung davon. Aber trotzdem dürfen demokratische Rechte nicht auf diese Weise eingeschränkt werden.
Wie schätzen Sie die aktuelle Flut von Strafanzeigen und die zahlreichen Demoverbote juristisch ein?
Die Argumentation der Demonstrationsverbote seit 2021 ist eigentlich immer ähnlich und operiert mit rassistischer Sprache. Man erklärt, es handele sich hier um eine »hoch emotionalisierte Untergruppe« der Gesellschaft von arabischstämmigen, palästinensischen oder libanesischen jungen Menschen. Diese würden schneller zu Gewalt oder Ausschreitungen tendieren sowie zu antisemitischen oder gewaltverherrlichenden Aussagen. Diese Argumentation müssen wir ablehnen, denn man kann nicht Tausende Menschen unter Generalverdacht stellen. Das ist verfassungswidrig.
Ob die Gerichte die Kriminalisierung der Solidaritätsbewegung mittragen werden, ist bisher schwer einzuschätzen. Es handelt sich allein in Berlin um 900 erhobene Strafanzeigen. Dazu kommen noch Tausende Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten deutschlandweit. Nach einer Strafanzeige dauert es meist mehrere Wochen oder Monate, bis die Angezeigten Briefe bekommen und die Verfahren beginnen.
Dass wir gegen die drastische Einschränkung der Grundrechte vorgehen müssen, versteht sich von selbst. Wir als ELSC sind da, um Leute zu unterstützen, die ebenfalls dagegen vorgehen möchten.
Quelle: junge Welt v.06.11.2023/ dts Nachrichtenagentur/Imago
Die Polizei geht gegen die verbotene palästinasolidarische Demonstration auf der Berliner Sonnenallee vor (18.10.2023)
Aus: Ausgabe vom 06.11.2023, Seite 2 / Ausland
KRIEG IN GAZA
Biden unter Druck gesetzt
300.000 Teilnehmer: Größte Palästina-Kundgebung in Geschichte der USA
Von Moss Robeson, Washington, D. C.
Rund 300.000 Menschen marschierten am Sonnabend zum Weißen Haus, um eine Botschaft an die Regierung von Joseph Biden zu senden. »Wir sagen nein, Völkermörder Joe!« war immer wieder auf der bisher größten Palästina-Solidaritätskundgebung in der Geschichte der USA zu hören. Die Demonstranten forderten ein Ende der Belagerung Gazas, die sofortige Einstellung aller US-Hilfen für Israel und den Stopp der Bombardierungen, die innerhalb von vier Wochen fast 10.000 Menschenleben gekostet haben.
Nihad Awad, geschäftsführender Direktor des Council on American-Islamic Relations, der größten muslimischen Bürgerrechtsorganisation in den Vereinigten Staaten, dirigierte Sprechchöre, die auf die US-Präsidentschaftswahl 2024 anspielten: »Kein Waffenstillstand, keine Stimmen!« und »Im November werden wir uns erinnern!« skandierten die Massen. Biden sieht sich wachsendem öffentlichem Druck ausgesetzt. In sogenannten Swing-Staaten mit einem starken Stimmenanteil der arabischstämmigen Bevölkerung, wie etwa Michigan, könnte ihm seine bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung im kommenden Jahr eine Wahlniederlage bescheren.
Die Wut über das moralische Totalversagen des US-Präsidenten ist groß: »Biden, Biden, du kannst dich nicht verstecken, wir klagen dich des Völkermordes an«, riefen die Teilnehmer des »National March on Washington – Free Palestine!«. Aufgerufen hatten die ANSWER Coalition, Dachorganisation antiimperialistischer Gruppen, die der marxistischen Party for Socialism and Liberation nahesteht, ebenso das Palestinian Youth Movement, The People’s Forum sowie sechs weitere Organisationen. Unterstützt wurde die Demonstration von mehr als 400 Parteien, Initiativen und Gruppen, darunter Democratic Socialists of America, Party of Communists USA, Code Pink und auch von diverse jüdischen Initiativen. Innerhalb kurzer Zeit ist in den USA ein breites Antikriegsbündnis entstanden.
Einige Redner kritisierten die weltweit zunehmende Repression gegen Palästinenser. Viele fürchteten, ihre Arbeit zu verlieren und geächtet zu werden, sagte Mohammed El-Kurd, ein preisgekrönter Dichter aus Ostjerusalem, dessen Familie seit Jahren von den israelischen Sicherheitsbehörden und rechten Siedlern drangsaliert wird. »Wie können sie es wagen, uns Kinder der Finsternis zu nennen?« so El-Kurd weiter. »Wir stehen für Aufklärung und moralische Klarheit.«
Quelle: junge Welt v.06.11.2023/ Elizabeth Frantz/REUTERS
Massendemonstration auf der Freedom Plaza in Washington, D. C. am Sonnabend
Aus: Ausgabe vom 06.11.2023, Seite 8 / Abgeschrieben
»Mit Waffen und Munition schafft man keinen Frieden«
In einem offenen Brief an Kanzler, Regierung und Bundestag rief das Kuratorium Friedensfahrt »Course de la Paix« e. V. am Sonnabend zu Bemühungen um Frieden und Diplomatie in Osteuropa auf:
Der Schock über den Angriff Russlands auf die Ukraine währte kurz. Sie, Herr Bundeskanzler, hielten eiligst eine Rede vor dem Parlament, in der Sie eine Zeitenwende verkündeten. Sie sprachen nicht über eiligste diplomatische Bemühungen Deutschlands. Sie sprachen nicht über mögliche Versäumnisse der Politik. Nein! Sie sprachen über Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden für die Bundeswehr.
Nun tobt der Krieg schon lange. Täglich hören wir von Angriffen und Rückeroberungen. Die Zahl der Toten wird emotionslos genannt. Als wäre ein Leben nichts mehr wert? Weiß man nicht, dass hinter jedem Toten und Schwerverwundeten eine Familie steht? Wird Deutschland schon an den Krieg gewöhnt oder auf ihn vorbereitet? Warum hört man nur noch Rufe nach Waffen und Munition?
Mit Waffen und Munition schafft man keinen Frieden, nur Leid und Elend! (…) Auch wenn der Verteidigungsminister in einem Interview mit dem ZDF verkündet, Deutschland müsse wehrhaft sein, kriegstüchtig, dürfen sich Deutschland und Europa nicht an die Kriegsgefahr gewöhnen.
Nur drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Internationale Radfernfahrt für den Frieden, kurz Friedensfahrt, das erste Mal gestartet. Radrennfahrer aus noch kurz vorher feindlichen Ländern traten gegeneinander zu einem fairen, friedlichen Wettkampf an. Sie lernten sich kennen, verstehen und zu achten. Im Laufe der Jahre entstanden Freundschaften, die bis heute anhalten.
Die Friedensfahrt wird seit 2006 nicht mehr ausgetragen. Ist Frieden damit auch nicht schützenswürdig? Wir, die Friedensfahrtfreunde, organisiert in den Vereinen »Radsport, Radfreizeit und Friedensfahrtgeschichte e. V.« und Kuratorium Friedensfahrt »Course de la Paix« e. V., sind entsetzt und besorgt über die aktuelle deutsche Herangehensweise an internationale Konflikte.
Wir ersuchen Sie, Herr Bundeskanzler, zusammen mit der Regierung, sich deutlich intensiver als bisher für diplomatische und menschliche Lösungen von Konflikten einzusetzen. Handeln Sie und entsprechen dem Grundgesetz in Wort und Geist. Die Kinder, die in diesem Land leben, sollen sich mit Schule, Sport und Spiel beschäftigen können. Gedanken an Kriege auf dieser, unserer Welt, sollten sie nie beunruhigen! Deutschland hat aufgrund seiner Geschichte eine Verpflichtung zur Erhaltung des Friedens. Vergessen wir diese nie!
Quelle: junge Welt v.06.11.2023/ imago images/opokupix
Veranstaltung zum 70jährigen Jubiläum der Friedensfahrt in Kleinmühlingen (23.5.2018)
Mit eindrucksvollen Manifestationen für den Frieden in Palästina haben am Wochenende in Venezuela große Teile der Bevölkerung ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk bekundet und sofort die Einstellung aller Kampfhandlungen gefordert.
https://twitter.com/i/status/1720884238944284777
https://twitter.com/i/status/1720879727647314241
Quelle: Videos aus Venezuela von der Cancilleriave
Der Krieg in Palästina wird weltweit verurteilt. Israel wird Vorgehensweise gegenüber dem palästinensischen Volk stellt ein Bruch des Völkerrechts dar. Im folgenden wird ein Auszug der internationalen Presse dargestellt;
Wie das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung in der BRD gelebt wird, kann man hier per Video Live erleben.
1. Stärkste irische Partei fordert Ausweisung der israelischen Botschafterin
4 Nov. 2023 19:41 Uhr RTd
Die irische Partei Sinn Fein hat gefordert, den israelischen Botschafter auszuweisen, solange Israel die Forderungen nach einem Waffenstillstand ignoriert. Die Verbindungen zwischen dem politischen Flügel der IRA und palästinensischen Organisationen reichen Jahrzehnte zurück.
© Sinn Féin, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons
Mary Lou McDonald
Die israelische Botschafterin Dana Erlich soll nach Auffassung der Vorsitzenden der Partei Sinn Fein, Mary Lou McDonald, "in Irland nicht länger diplomatischen Status genießen." McDonalds Partei, die tief reichende Verbindungen zur Sache der Palästinenser hat, hat wiederholt Israels Bombardements in Gaza verurteilt.
"[Die israelische Armee] betreibt eine blindwütige Offensive gegen die Zivilbevölkerung; sie verletzt das Völkerrecht, indem sie Zivilisten zum Ziel macht, zivile Infrastruktur zerstört, eine massenhafte Vertreibung der Bevölkerung erzwingt und diese von lebenswichtigen Gütern wie Wasser, Nahrung, Medikamenten und Treibstoff abschneidet", sagte McDonald am Freitag zu Reportern.
Erlichs Anwesenheit in Irland sei "unhaltbar" geworden, fuhr McDonald fort und fügte hinzu, die Botschafterin solle "nicht länger einen diplomatischen Status in Irland genießen, während sich Israel dem Gebot von Waffenstillständen widersetzt und das Leid und der Zoll an menschlichen Leben zunehmen".
Zuvor am Freitag hatte McDonald den Konflikt mit Diplomaten aus Algerien, Ägypten, dem Irak, Kuwait, Marokko, Palästina, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten besprochen. Die israelische Botschaft in Dublin kritisierte die Vorsitzende der Sinn Fein dafür, Erlich nicht zu dem Treffen eingeladen zu haben, und warf ihr vor, "nur Israel isolieren [zu wollen], statt ein Forum für ein konstruktives Engagement zu bieten".
"Israel von einem solchen Forum auszuschließen, sagt viel aus über die Position der Sinn Fein zu dem Konflikt", erklärte die Botschaft in einer Stellungnahme.
Sinn Fein ist die beliebteste politische Partei in Irland und hat einen Vorsprung von 13 Prozent zu ihrem nächsten Rivalen, der zentristischen Fine Gael. Sinn Fein ist aber durch eine Koalitionsvereinbarung zwischen Fine Gael und deren historischem Rivalen Fianna Fáil sowie der Grünen Partei von der Regierung ausgeschlossen.
Als ehemaliger politischer Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) hat Sinn Fein die palästinensische Sache schon lange unterstützt. Die Anhänger der Partei, insbesondere jene in Nordirland, sehen ihren eigenen Kampf gegen den britischen Kolonialismus als analog zum palästinensischen Kampf gegen die israelische Besatzung. Als die IRA die Waffen niederlegte, blieb die Sinn Fein im Kontakt mit der Hamas; der ehemalige Parteivorsitzende Gerry Adams traf den Hamas-Anführer Ismail Haniyya 2009 in Gaza. McDonald veranstaltete im Jahr 2020 eine Onlinekonferenz mit dem Leiter der Auslandsbeziehungen der Organisation, Basem Naim.
Sinn Fein "wird sich nie weigern, jemanden zu treffen oder mit ihm zu reden, denn das nützt gar nichts" bei der Sicherung des Friedens im Nahen Osten, erklärte letzten Monat der außenpolitische Sprecher der Partei, Matt Carthy.
Der irische Premier Leo Varadkar nahm in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt eine neutralere Haltung ein und erklärte am Freitag, Israel habe "das Recht, sich zu verteidigen und das Recht, gegen die Hamas vorzugehen, damit sie das nicht wiederholen können". Varadkar verurteilte zudem Israels Reaktion auf den Angriff vom 7. Oktober und erklärte, das sei "nicht einfach Selbstverteidigung, das wirkt eher wie Rache".
Irland hat im letzten Monat einer UN-Resolution zugestimmt, die einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza forderte, und sich gegen den inzwischen gekippten Plan der EU gewandt, Hilfsleistungen an Gaza zu streichen. Am Freitag sagte Varadkar jedoch gegenüber Journalisten, er sei sich, "offen gesagt, nicht sicher, ob [die Israelis] genau zuhören, was wir zu sagen haben".
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2.
Erdoğan: Netanjahu ist nicht mehr jemand, mit dem wir reden können
4 Nov. 2023 22:24 Uhr RTd
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat angekündigt, dass er den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu abgeschrieben hat.
Quelle: RT
Dies bedeute aber nicht den Abbruch der Beziehungen zu Israel. Netanjahu müsse "einen Schritt zurücktreten", meint er.
https://vk.com/video-134310637_456271478
Botschafter Türkei in Israel zurückgerufen. Eine Woche zuvor hat Israel ihren Botschafter aus der Türkei zurückgerufen,
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3.
Lateinamerikanische Staats- und Regierungschefs kritisieren Israel wegen der Lage im Gazastreifen
01:09 Uhr GMT 01.11.2023
Luiz Inácio Lula da Silva, Präsident von Brasilien - Sputnik World, 1920, 01.11.2023
Wenige Stunden nachdem Bolivien beschlossen hatte, die diplomatischen Beziehungen zu Israel als Vergeltung für die militärische Belagerung des Gazastreifens abzubrechen, schlossen sich die Präsidenten Kolumbiens, Brasiliens und Chiles der Kritik am hebräischen Staat an und ergriffen verschiedene Maßnahmen angesichts der Situation, die bis zum 31. Oktober mehr als 8.000 Todesopfer gefordert hat.
Gustavo Petro, Gabriel Boric und Luiz Inácio Lula da Silva, die Präsidenten von Kolumbien, Chile und Brasilien, legten unterschiedliche Positionen ihrer Regierungen zur Lage im Gazastreifen fest, die am 31. Oktober Bombardierung des größten Flüchtlingslagers im Norden der palästinensischen Enklave von der israelischen Armee verübt und nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 8.000 Opfer gefordert.
Präsident Lula prangerte die weltweite Unfähigkeit an, das Abschlachten von Kindern im Gazastreifen zu stoppen, die Opfer der israelischen Bombardements sind, die als Vergeltung für den Angriff der islamistischen Gruppe Hamas entfesselt wurden.
Die humanitäre Lage im Gazastreifen wird von den Vereinten Nationen nach dreiwöchiger Belagerung durch Israel als schrecklich beschrieben - Sputnik World, 1920, 31.10.2023
Lateinamerika
Bolivien bricht angesichts des Gaza-Konflikts die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab
31. Oktober, 19:44 GMT
Nach Angaben des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wurden in Gaza mehr als 3.400 Kinder durch das Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) getötet. Israelische Angriffe seit dem 7. Oktober detoniert.
"Wir sind zum ersten Mal Zeugen eines Krieges, in dem die Mehrheit der Toten Kinder sind. Niemand übernimmt die Verantwortung, und wir konnten nicht einmal eine überzeugende UN-Charta für den Waffenstillstand vorlegen. Aufhören! Um Gottes Willen, hör auf!", schrieb der brasilianische Präsident auf seinem verifizierten Twitter-Account (jetzt X).
Der brasilianische Staatschef sagte auch, er sei traurig darüber, dass 3.000 Kinder im Gazastreifen in einem Krieg sterben, den sie nicht für sich beanspruchten.
"Und die verantwortungslosen Leute, die den Krieg gemacht haben, trauern jetzt um den Tod dieser Kinder? Spürst du das Gewicht der Dinge?", fragte das portugiesischsprachige Staatsoberhaupt.
Lula in den letzten Tagen in der Kritik Israels Offensive gegen den Gazastreifen, die mangelnde Effektivität der Vereinten Nationen (UN), um die Eskalation des Krieges im Nahen Osten zu stoppen, und auch das, was sie als "terroristische Akte" der radikalen Palästinensergruppe Hamas bezeichnete.
Der brasilianische Präsident stellte auch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) in Frage. Washington will brasilianische Resolution am 18. Oktober stoppen um einen Waffenstillstand in Gaza zu erreichen.
Die Präsidenten Kolumbiens und Chiles, Petro und Boric, beschlossen ihrerseits, ihre Botschafter in Israel zurückzurufen, um die Relevanz der Aufrechterhaltung des diplomatischen Austauschs mit dem von Benjamin Netanjahu regierten Land zu bewerten.
Folgen der seit dem 7. Oktober 2023 entfesselten israelischen Belagerung im Norden des Gazastreifens - Sputnik World, 1920, 15.10.2023
Petro erwägt Aussetzung der diplomatischen Beziehungen zu Israel: "Wir unterstützen keine Völkermorde"
15. Oktober, 20:41 GMT
"Angesichts der inakzeptablen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die Israel im Gazastreifen begangen hat, haben wir als chilenische Regierung beschlossen, den chilenischen Botschafter in Israel, Jorge Carvajal, zu Konsultationen nach Santiago zurückzurufen", sagte Boric im selben X-Netzwerk.
"Chile verurteilt aufs Schärfste und stellt mit großer Besorgnis fest, dass diese Militäroperationen, die in diesem Stadium ihrer Entwicklung eine kollektive Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza mit sich bringen grundlegende Normen des Völkerrechts nicht respektieren, wie die mehr als 8.000 zivilen Opfer, vor allem Frauen und Kinder, beweisen", beschuldigte der chilenische Staatschef.
Der kolumbianische Präsident, der seit dem 8. Oktober seine Stimme gegen die feindliche Haltung Israels in Palästina erhob und schon früh erwog, die diplomatischen Beziehungen zum hebräischen Staat abzubrechen, beschloss unterdessen, seinen Vertreter in das Land der Mittelmeerlevante einzuladen.
Lateinamerika
Boric: "Chile darf angesichts des Leidens des palästinensischen Volkes nicht blind oder protokollarisch sein"
"Ich habe beschlossen, unseren Botschafter in Israel zur Konsultation zurückzurufen", twitterte Petro. "Wenn Israel das Abschlachten des palästinensischen Volkes nicht stoppt, können wir nicht dort sein."
Dieses Erheben der Stimme aus Brasília, Bogotá und Santiago angesichts der Situation in Gaza kommt nur wenige Stunden, nachdem der Plurinationale Staat Bolivien beschlossen hat, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen, um die Militärische Belagerung der palästinensischen Enklave, die in den letzten Tagen mit einem von Netanjahu angeordneten Bodenangriff eine neue Episode der Gewalt eröffnete.
Kuba verurteilt israelischen Angriff auf Flüchtlingslager in Gaza
2. November 2023
CDT11:23 (GMT) -0400
Der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez verurteilte heute den Angriff Israels auf das palästinensische Flüchtlingslager in Dschabalia im nördlichen Gazastreifen, bei dem Hunderte von Zivilisten getötet und verletzt wurden.
Israel begehe Kriegsverbrechen in Gaza, dank der Komplizenschaft der Vereinigten Staaten völlig ungestraft, prangerte der Außenminister auf seinem Account im sozialen Netzwerk X an.Auf dieser Plattform wiederholte Rodríguez den dringenden Aufruf des Karibikstaates zu einem Waffenstillstand.
Das Lager Jabalia liegt in der nördlichen Region der Küstenenklave und ist mit 116.000 Flüchtlingen das größte der acht Lager im Gazastreifen.
Es wird geschätzt, dass Hunderte von Zivilisten in den letzten Tagen von israelischen Streitkräften getötet wurden, und andere könnten unter den Trümmern von Wohngebäuden liegen, die nach einer gezielten Bombardierung eingestürzt sind.
Die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen seit der Eskalation des Konflikts zwischen Tel Aviv und der palästinensischen Widerstandsbewegung Hamas liegt bei mehr als 8.796 Bürgern.
Davon sind 3.648 minderjährig und 2.290 Frauen.
RO/MKS
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4.
Libanon und Jordanien diskutieren über die Notwendigkeit, die israelische Aggression zu stoppen
Amman, 5. November (Prensa Latina) Der libanesische Interimspremierminister Najib Mikati und der jordanische König Abdullah II. haben heute über die Notwendigkeit gesprochen, die internationalen Bemühungen zu intensivieren, um die israelische Aggression im Gazastreifen zu stoppen.
Laut dem Social-Media-Account X der libanesischen Regierung sprachen Mikati und der jordanische Monarch auch die Dringlichkeit an, die Ausweitung des Konfliktkreises in der Region zu verhindern.
Gleichzeitig betonten die Parteien, wie wichtig es ist, den Menschen in Gaza ununterbrochen humanitäre Hilfe zu leisten und die im Gazastreifen tätigen internationalen Organisationen zu unterstützen.
Bei dieser Gelegenheit bekräftigte der Gastgeber die Unterstützung Jordaniens für die Bemühungen des Libanon, seine Sicherheit zu verbessern.
Mikati lobte seinerseits die Rolle Jordaniens bei der Verteidigung arabischer Fragen und bei der Arbeit für Frieden und Stabilität.
In diesem Zusammenhang betonte der libanesische Kabinettschef die Notwendigkeit, die Bemühungen fortzusetzen, um den Krieg in Gaza zu beenden und eine gerechte und endgültige Lösung zu erreichen, die die Palästinenser in ihrem Land hält.
Im Rahmen seiner Regionalreise forderte Mikati gestern US-Außenminister Anthony Blinken auf, sich dafür einzusetzen, die israelische Aggression gegen Gaza und im Süden des Landes zu stoppen.
Später besprach der Ministerpräsident in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah El-Sisi die Dringlichkeit, den Friedensprozess zwischen Tel Aviv und den Palästinensern auf der Grundlage des Völkerrechts und der Zweistaatenlösung wieder in Gang zu bringen.
ODA/YMA
Syrien wirft Israel Staatsterrorismus vor (+Foto)
Veröffentlicht am 5. November 2023
08:05
Damaskus, 5. November (Prensa Latina) Die syrische Regierung hat heute die Äußerungen eines israelischen Ministers über die Möglichkeit, Gaza mit einer Atombombe anzugreifen, zurückgewiesen und sie als Staatsterrorismus bezeichnet.
Ergänzung:
Nahost-Updates: Israels Kulturminister befürwortet Atombombenabwurf auf Gazastreifen
5 Nov. 2023 11:20 Uhr
Die Bilder und Videos aus dem Grenzgebiet des Gazastreifens und Israel schockieren die Welt. Mit dem Angriff der Hamas auf Israel kam es nun zu einer neuen Eskalation der Gewalt. Die israelische Armee startete am 9. Oktober eine unbarmherzige Militäroperation gegen den Gazastreifen.
Quelle: www.globallookpress.com © globallook
Historische Fotografie des US-amerikanischen Atombombentests auf dem Bikini-Atoll, 1946 (Symbolbild)
Tschad ruft seinen Geschäftsträger zu Konsultationen nach Israel
N'Djamena, 5. November (Prensa Latina) Die tschadische Regierung hat ihren Geschäftsträger in Israel aufgrund der humanitären Krise nach der Eskalation im Gazastreifen zu Konsultationen zurückgerufen, berichtete das Außenministerium heute.
"Wir verfolgen mit größter Aufmerksamkeit und Besorgnis die Situation im Nahen Osten, insbesondere die beispiellosen Wellen tödlicher Gewalt im Gazastreifen", sagte der Sprecher des tschadischen Außenministeriums, Ibrahim Adam Mahamat, in einer Erklärung, die im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) veröffentlicht wurde.
Angesichts dieser Tragödie verurteile der Tschad den Verlust vieler unschuldiger Zivilisten und rufe zu einem Waffenstillstand auf, der zu einer dauerhaften Lösung der Palästinenserfrage führen werde, betonte Mahamat.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und der Übergangspräsident des Tschad, Mahamat Idriss Déby Itno, haben am 2. Februar die erste Botschaft des afrikanischen Landes in der Levante eingeweiht, ein Moment, den der israelische Staatschef als historisch bezeichnete.
Zuvor hatte das mehrheitlich muslimische Land seine diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gesenkt.
Tel Aviv hat nach der Besetzung der palästinensischen Gebiete 1967 und fünf Jahre später die Beziehungen offiziell und vollständig abgebrochen.
Anfang 2019 nahmen beide Seiten während eines Besuchs des verstorbenen Präsidenten Idriss Déby, des Vaters des derzeitigen tschadischen Staatschefs, in Jerusalem ihre Beziehungen wieder auf.
Israels Militäroffensive auf den Gazastreifen, die am 7. Oktober begann, hat bisher fast 9.500 Tote gefordert, die meisten von ihnen Kinder, Frauen und wehrlose ältere Menschen.
Betroffen sind auch die mehr als 24.000 Verletzten und rund 1,5 Millionen Vertriebenen, die aufgrund des Zusammenbruchs von Krankenhäusern und des Mangels an Trinkwasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Strom und Treibstoff unter sehr schwierigen Lebensbedingungen leiden.
ODA/EHL
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Israels Kulturminister befürwortet Atombombenabwurf auf Gazastreifen
Amihai Elijahu, Israels Kulturminister und Mitglied der Partei Otzma Jehudit, sieht es laut eigenen Angaben als eine Möglichkeit an, eine Atombombe über dem Gazastreifen abzuwerfen. Laut der Zeitung The Times of Israel sprach sich der Minister in einem Interview mit dem Radiosender "Kol Berama" außerdem gegen Unterstützung für die Zivilbevölkerung aus.
Man würde auch "den Nazis keine humanitäre Hilfe geben" und so etwas wie unbeteiligte Zivilisten gebe es dort nicht. Zur Frage nach dem Schicksal der Palästinenser sagte Elijahu, sie könnten nach Irland oder in die Wüste gehen, "die Monster in Gaza" sollten selbst eine Lösung finden.
Der Zeitung Haaretz zufolge kritisierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Aussagen seines Kulturministers. Elijahus Kommentare seien "realitätsfern", dass Israel und die israelischen Streitkräfte (IDF) handelten im Einklang mit dem Völkerrecht, um Schaden von Nichtkombattanten abzuwenden.
Elijahu gehört weder Netanjahus Sicherheitskabinett an, das an den Kriegsentscheidungen beteiligt ist, noch hat er Einfluss auf das Kriegskabinett, das den Krieg gegen die Terrorgruppe Hamas führt. Das Büro von Netanjahu gab mittlerweile bekannt, dass Elijahu bis auf Weiteres von den Regierungssitzungen suspendiert wurde.
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5.
INTERNATIONALMEXIKOMEINUNGGESELLSCHAFTWIRTSCHAFTWISSENSCHAFT/MATERIETECHNOLOGIEKULTURSPORTMENSCHEN & LEBENSSTIL
KRIEG ZWISCHEN ISRAEL UND GAZA
Mexiko kritisiert Israels Besatzung Palästinas und schlägt Zwei-Staaten-Lösung vor
Mexikos Vertreter bei den Vereinten Nationen sagt, Israels Reaktion auf den Terroranschlag der Hamas sei unverhältnismäßig gewesen und könnte Kriegsverbrechen gleichkommen
Ein Demonstrant hält während eines Marsches in Mexiko-Stadt am 22. Oktober ein Schild mit der Aufschrift "Mexiko unterstützt Palästina" hoch.LUIS CORTES (REUTERS)
Die mexikanische Regierung hat den Ton ihrer Position zum Krieg Israels im Gazastreifen verschärft, der fast 8.800 Tote und mehr als 21.000 Verletzte gefordert hat. Die Vertreterin Mexikos bei den Vereinten Nationen, Alicia Buenrostro, hat Israels willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung, medizinisches und humanitäres Personal und wichtige Infrastruktur verurteilt, "die Kriegsverbrechen darstellen könnten". Während der Dringlichkeits-Sonderversammlung anlässlich des Konflikts im Osten forderte der Botschafter Israel auch auf, die Blockade um Gaza aufzuheben, die den Fluss lebenswichtiger Güter gestoppt hat, "unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Repressalien gegen das Völkerrecht verstoßen". Der Diplomat forderte eine sofortige und dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten und wiederholte den Vorschlag für die Konsolidierung eines palästinensischen Staates, der mit dem Israels innerhalb sicherer und international anerkannter Grenzen koexistiert, ein Wunsch, der in den letzten sieben Jahrzehnten gescheitert ist.
Die mexikanische Vertreterin versäumte es nicht, die Terrorakte der Hamas zu verurteilen, und unterstützte Israels Recht, seine Bürger und sein Territorium zu schützen, "vorausgesetzt, dass dies in voller Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und unter voller Einhaltung der Prinzipien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit geschieht, die jede Anwendung von Gewalt regeln", sagte sie in ihrer Rede. Er äußerte sich jedoch besorgt darüber, dass die israelische Reaktion nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza zu Tausenden von Toten geführt hat, darunter mehr als 3.600 Kinder, sowie zu "unkalkulierbaren Schäden an palästinensischer Infrastruktur und anderem zivilen Eigentum". "Es ist erschreckend, dass wir für jeden Tag, der seit der Wiederaufnahme dieser Sondersitzung vergangen ist, Tausende von Toten zu unserer Intervention hinzufügen müssen. Das muss aufhören", betonte er.
Die Eskalation des Tons der mexikanischen Regierung kommt zu einer Zeit, in der mehrere lateinamerikanische Länder angesichts der verheerenden israelischen Offensive auf palästinensische Gebiete einen deutlicheren Schritt nach vorne gemacht haben. Bolivien hat die diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen, während Chile und Kolumbien ihre Botschafter zu Konsultationen nach Israel zurückgerufen haben, was als Vorstufe zum Abbruch der Beziehungen verstanden wird. "Wenn Israel das Massaker am palästinensischen Volk nicht stoppt, können wir nicht dabei sein", sagte der kolumbianische Präsident Gustavo Petro, der in seiner Haltung zu dem Konflikt am konsequentesten war.
In ihrer Rede kritisierte die mexikanische Botschafterin die illegale Besetzung der palästinensischen Gebiete und wies darauf hin, dass sie gegen die UN-Charta verstoße. "Auch das Recht auf unbefristete Besetzung ist nicht verankert. Jeder gewaltsame Erwerb von Territorium ist null und nichtig. Wir fordern, dass die Besatzungsmacht ihre Besatzung und alle anderen Handlungen, die die territoriale Integrität des Staates Palästina beeinträchtigen, einstellt", sagte er.
Der Diplomat sagte, dass Mexiko eine politische, umfassende und endgültige Lösung des Konflikts unter der Prämisse "zwei Staaten für zwei Völker" befürwortet, die "die legitimen Sicherheitsbedenken Israels anspricht und die Konsolidierung des politisch und wirtschaftlich lebensfähigen Staates Palästina ermöglicht, der mit Israel innerhalb sicherer und international anerkannter Grenzen koexistiert. im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen." Der mexikanische Botschafter sagte, die UNO müsse die Werte ehren, die ihre Gründung motiviert haben, und sicherstellen, dass die beiden Staaten "die Sicherheit haben, in Frieden leben zu können". Buenrostro zitierte die Worte der mexikanischen Außenministerin Alicia Bárcena, die am 23. September vor der Generalversammlung sagte, die Welt müsse "das Recht des israelischen Volkes anerkennen, aber nicht auf Kosten des palästinensischen Volkes".
Der Vorschlag für zwei Staaten, von denen einer von Juden und der andere von Palästinensern bewohnt wird, ist ein Plan, der seit Jahrzehnten durch geopolitische Interessen eingefroren ist, auf Kosten des Lebens von Tausenden von Menschen. Gemäß der Konvention von Montevideo von 1933, die die klassischen Attribute festlegt, die ein Staat erfüllen muss, um als solcher zu gelten, muss er über eine effektive Souveränität über ein definiertes Territorium, eine stabile Bevölkerung, Institutionen, die in der Lage sind, auf die Bedürfnisse der Bürger einzugehen, verfügen und von anderen Staaten als gleichwertig anerkannt werden. Israels Besetzung der palästinensischen Gebiete hat dazu geführt, dass die territoriale Souveränität diffus ist, wie ein Archipel. Ein Vollmitglied der UNO zu werden, könnte der Bildung des Staates Palästina helfen, aber das Veto der Vereinigten Staaten, eines unbestrittenen Verbündeten Israels, hat diesen Fortschritt verlangsamt (Palästina gilt derzeit als Nichtmitgliedsstaat mit Beobachterstatus). Während wiederum 193 Länder Palästina als eigenständigen souveränen Staat anerkennen, haben weitere 54 UN-Mitglieder dies nicht getan, darunter Mexiko, das in diplomatischer Hinsicht zwischen den beiden Seiten neutral geblieben ist.
Botschafter Buenrostro hat ihre Unterstützung für UN-Generalsekretär António Guterres zum Ausdruck gebracht, der eine Erklärung gegen die permanente Unterdrückung Palästinas abgegeben hat, was Israel dazu veranlasste, seinen Rücktritt zu fordern. Der Diplomat bedauerte den Tod von UN-Beamten in Gaza als Folge der Bombenangriffe und forderte, dass die Entscheidung, UN-Beamten, die in Israel tätig sind, Visa zu entziehen, rückgängig gemacht wird. "Wir nutzen diese Gelegenheit, um die volle Unterstützung Mexikos für Generalsekretär António Guterres und das gesamte System der Vereinten Nationen bei ihren politischen und humanitären Bemühungen in diesen Krisenzeiten zu bekräftigen", sagte er.
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6.
Erklärung des argentinischen Außenministeriums zur Verschärfung der Gewalt im Gazastreifen
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Mittwoch, 1. november 2023
Informationen für die Presse N°:
537/23
Die zunehmende Gewalt im Gazastreifen fordert immer mehr Opfer. Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, tragen die Hauptlast dieses Konflikts. Besorgniserregend ist auch die Zunahme der Gewalt im Westjordanland.
Argentinien hat die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober unmissverständlich verurteilt und erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung an. Nichts rechtfertigt jedoch die Verletzung des humanitären Völkerrechts und die Verpflichtung, die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten zu schützen, ohne jegliche Unterscheidung.
Unser Land verurteilt daher den Angriff der israelischen Streitkräfte auf das Flüchtlingslager Jabalia im Norden des Gazastreifens, der zu Hunderten von Toten und Verletzten führte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Angriffe auf die zivile Infrastruktur sofort eingestellt werden, insbesondere diejenigen, die darauf abzielen, die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen im Gazastreifen zu gewährleisten, einschließlich Krankenhäusern, Wasserentsalzungsanlagen und Aufnahmezentren für Flüchtlinge.
Die humanitäre Lage in Gaza wird immer besorgniserregender. Die internationale Hilfe muss die betroffene Bevölkerung uneingeschränkt und dringend erreichen. Die Vereinten Nationen haben davor gewarnt, dass die derzeitige humanitäre Hilfe nicht ausreicht, so dass die Einreise über den Grenzübergang Rafah flexibler gestaltet werden muss. Dies hat die argentinische Vertreterin bei den Vereinten Nationen gestern, am 31. Oktober, im Rahmen der zehnten Dringlichkeitssitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht, als sie ihre Besorgnis über die Lage der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen zum Ausdruck brachte.
Argentinien bekräftigt, dass die Geiseln, die nach wie vor Opfer bewaffneter Aktionen sind, von der Hamas bedingungslos und unverzüglich freigelassen werden müssen.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete eine Resolution, in der ein sofortiger, dauerhafter und dauerhafter humanitärer Waffenstillstand gefordert wird, der zur Einstellung der Feindseligkeiten führt. Argentinien hat für dieses Ersuchen gestimmt und unterstützt es weiterhin, und es bekräftigt seine tiefe Besorgnis über die Folgen der Eskalation der Gewalt, wobei es daran erinnert, dass es keine bewaffnete Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt geben kann.
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7.
Pressemitteilung
2023-10-31
Bogotá, 31. Oktober 2023. Die kolumbianische Regierung drückt ihre entschiedene Ablehnung des Vorgehens der israelischen Sicherheitskräfte im Gazastreifen aus, in dicht besiedelten Gebieten, die nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) zu mehr als 8000 Opfern, darunter Hunderte von Kindern, geführt haben.
Die kolumbianische Regierung bekräftigt die Dringlichkeit eines Waffenstillstands und die Verpflichtung der israelischen Sicherheitskräfte, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Alle Parteien sind aufgerufen, das Völkerrecht und das humanitäre Völkerrecht zu achten.
In gleicher Weise wiederholt die kolumbianische Regierung den Aufruf von Präsident Gustavo Petro an die internationale Gemeinschaft, dringend eine Friedenskonferenz abzuhalten, die Dialoge ermöglicht, die eine friedliche Koexistenz zwischen den beiden Völkern ermöglichen.
Die volle Anerkennung der beiden Staaten durch alle Nationen der Welt und der Dialog zwischen den Parteien dürften der Region Frieden bringen.
Angesichts dieser unerträglichen Situation hat Präsident Gustavo Petro beschlossen, die in Tel Aviv akkreditierte Botschafterin, Margarita Manjarrez, zu Konsultationen zurückzurufen.
Quelle: verschiedene internationale Presse/
Bilder zum Teil Eigenproduktion, Deutsche Friedensgesellschaft und Kriegsdienstverweigerer
Am 25.10.2023 hatte das Rostocker Friedensbündnis zu einer Gedenkminute für die zivilen Opfer von Palästinensern und Juden aufgerufen.
"Frieden für die Menschen in Palästina und Israel!
Die aktuelle Eskalation des Nahostkonflikts erfüllt uns mit Sorge. Nichts rechtfertigt das brutale Vorgehen der Hamas gegen die Menschen in Israel. Ihr Vorgehen ist beispiellos für die letzten Jahrzehnte. Zerstörung und Tod bringen aber auch die militärischen Antworten Israels und die Abriegelung von Gaza. Schon fliegen Raketen auch nach Syrien und in den Libanon. Israelische Bodentruppen stehen bereit.
Die Folgen trägt die Zivilbevölkerung. Flucht innerhalb des ohnehin überfüllten Gazastreifens macht die Menschen endgültig heimatlos. Menschen sterben an Hunger und Durst, Ärzte können ihnen wegen Treibstoffmangels in den Krankenhäusern nicht mehr helfen. Flucht und Evakuierung bestimmen die Tage der Menschen aber auch in Israel.
Die palästinensische Zivilbevölkerung darf nicht mit der Hamas gleichgesetzt werden. Aber auch Jüdinnen und Juden dürfen nicht mit der israelischen Regierung und der israelischen Armee gleichgesetzt werden. Übergriffe auf jüdische Menschen und jüdische Einrichtungen in Deutschland verurteilen wir. Auch in Israel gibt es eine Friedensbewegung. Junge Menschen verweigern den Kriegsdienst. Wir erklären uns mit ihnen solidarisch.
Der seit Jahrzehnten schwelende Nahostkonflikt kann nicht militärisch gelöst werden. Wir schweigen im Gedenken an die Opfer. Gleichzeitig erheben wir unsere Stimmen für Frieden in Israel und Palästina. Nötig ist ein Waffenstillstand - nicht als Zeitgewinn für die Kämpfenden, sondern als Chance, einen humanitären Korridor zu eröffnen, durch den Hilfsgüter in ausreichender Menge die Menschen erreichen und Geiseln und Gefangene ausgetauscht werden können. Was jetzt im Nahen Osten geschieht, muss zu einem Umdenken führen. Friedensverhandlungen müssen wieder in Gang kommen.
Frieden für die Menschen in Palästina und Israel!"
Diese Friedensinitiative haben wir vom GeFiS neben weiteren Einzelpersonen unterstützt.
Mit Stellungsnahmen des Friedensbündnis und weiteren Redner wurde diese friedenspolitische Veranstaltung gleich zu Beginn mit einer Gedenkminute für die zivilen Opfer gedacht und einen sofortigen Waffenstillstand gefordert. Zusätzlich wurden mit dem einspielen von Friedensliedern die ca. 2 stündige Veranstaltung abwechslungsreich gestaltet. In zahlreichen Gesprächen mit den Passanten vor Ort wurde immer wieder die Haltung der Bundesrepublik in dieser Situation ebenso kritisiert wie die militärische Unterstützung im Ukraine-Konflikt. Immer wieder wurde von den Gesprächspartnern das konsequente eintreten für den Frieden von der Bundesregierung gefordert und das über Verhandlungen und nicht mit Waffenlieferungen. Ebenso wurde von den Bürgern im Gespräch mit den Teilnehmern der Veranstaltung die unsachliche Medienberichterstattung kritisiert.
Auch wenn einige Bürger die Präsentation der Friedensteilnehmer ignorierten, wurde durchweg in den Diskussionen unser Anliegen unterstützt.
Quelle: Rostocker Friedensbündnis ; GeFiS-Bilder v.25-10-2023
Aus: Ausgabe vom 02.09.2023, Seite 8 / Abgeschrieben
Diplomatie statt Aufrüstung!
Die deutsche Sektion der IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung) mahnte am Freitag anlässlich des Weltfriedenstages, diplomatische Initiativen für einen Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg zu unterstützen:
Zum Antikriegstag appelliert die Friedensnobelpreisträgerorganisation IPPNW an die Bundesregierung, diplomatische Initiativen zu unterstützen für ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen und ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland und der Ukraine. Die IPPNW begrüßt den Verhandlungsvorschlag von Peter Brandt, Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Horst Teltschik, den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden zu beenden. Laut dem Vorschlag soll der UN-Sicherheitsrat gemäß Artikel 24 Absatz 1 der UN-Charta einen Zeit- und Ablaufplan für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges und die Wiederherstellung des Friedens beschließen.
Auch die Autor*innen der jüngst veröffentlichten Studie »Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine: Ideen und Optionen zur Vorbereitung und Gestaltung eines Verhandlungsprozesses« sprechen sich für die Vorbereitung und Planung von Verhandlungen aus und präzisieren notwendige Schritte. Dazu gehöre die Schaffung diplomatischer Koordinationsmechanismen, die Bildung ziviler Allianzen, die inhaltliche Vorbereitung von Verhandlungen sowie die Entwicklung entsprechender Kommunikationsstrategien. Fast 18 Monate nach Beginn des Krieges hätten weder Russland noch die Ukraine einen entscheidenden Sieg errungen. Vergleichende Untersuchungen zeigten, dass Verhandlungen statistisch gesehen die wahrscheinlichste Chance auf eine dauerhafte Beendigung des Krieges darstellen. Sie betonen, dass die Vorbereitung von Verhandlungen noch während die Kampfhandlungen andauern, nicht im Gegensatz stehen. (…)
»Frieden und internationale Sicherheit müssen auf dem dauerhaften Engagement für das Überleben und Leben auf unserem Planeten beruhen statt auf der Drohung von Zerstörung und Vernichtung durch Waffengewalt«, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen zum Antikriegstag.
Quelle: junge welt v.02.09.2023
Aus: Ausgabe vom 02.09.2023, Seite 4 / Inland
RÜSTUNGSEXPORTE
Hamburg bleibt den Waffen treu
Hamburgisches Verfassungsgericht stoppt Volksbegehren gegen Waffenexporte unter anderem mit dem Verweis auf die Pflicht zur »Bundestreue«
Von Kristian Stemmler
Es bleibt dabei: Hamburg ist kein gutes Pflaster für Volksbegehren. Nach drei Volksbegehren, unter anderem gegen den Pflegenotstand und für die Streichung der Schuldenbremse, hat das Hamburgische Verfassungsgericht am Freitag auch das Volksbegehren gegen Rüstungsexporte über den Hafen der Stadt kassiert – ausgerechnet am Antikriegstag. Ein zentrales Argument des Gerichts war zum wiederholten Male, dass die Stadt nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz habe, in diesem Fall für das »angestrebte Transport- und Umschlagsverbot«. Das geht aus einer Mitteilung des Gerichts vom Freitag hervor. Das Urteil sei einstimmig ergangen.
Das Volksbegehren ging auf eine Volksinitiative zurück, die von einem im Sommer 2019 gegründeten Bündnis von Gruppen und Einzelpersonen aus Friedensbewegung, Gewerkschaften, Hochschulen, Kirchen und Parteien getragen wird. Ziel war ein Volksentscheid über das Verbot aller Exporte von Waffen und Munition über den Hamburger Hafen. Ende 2021 gab die Initiative mehr als 16.000 Unterschriften ab, im April 2022 wurde ein Volksbegehren – die zweite Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens – beantragt. Daraufhin rief der Senat das Verfassungsgericht an, erklärte sich für nicht zuständig.
Das Gericht folgte der Argumentation. Das vom Bündnis geforderte Verbot würde »die Regelungsbereiche zur Kontrolle von Kriegswaffen, über die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland sowie das Waffen- und Sprengstoffrecht berühren«, so das Urteil. Für die sei nach dem Grundgesetz aber »ausschließlich der Bund zuständig«. Die Richter bemängelten zudem, dass die Volksinitiative sich »nicht auf einen konkreten und ausgearbeiteten Gesetzgebungsvorschlag« beziehe. Der Senat werde vielmehr aufgefordert, »in eigener Verantwortung einen Gesetzentwurf zu erarbeiten«. Dann müsse er aber auch die Möglichkeit haben zu prüfen, ob das Vorhaben zweckdienlich und zulässig sei, was aber nicht der Fall sei.
Auch das Argument, Hamburg stehe die Kompetenz zu, seinen Hafen frei zu widmen, und könne so Rüstungsexporte unterbinden, wies das Verfassungsgericht zurück. Eine entsprechende Widmungsbestimmung würde gegen den Grundsatz der sogenannten Bundestreue verstoßen, so das Urteil. Dieser Grundsatz verpflichte die Länder, »die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht durch anderweitige Regelungen im Gewande einer Widmung zu unterlaufen«.
Bei der Volksinitiative sorgte das Urteil für Kritik. »Das Gericht hat sehr formal argumentiert«, erklärte Paula Herrschel, Vertrauensperson der Volksinitiative, im Gespräch mit jW. Was in der Präambel der Hamburgischen Verfassung als »besondere Aufgabe« Hamburgs als Welthafenstadt formuliert sei, habe keine Rolle gespielt. Dort heiße es, die Stadt wolle »im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein«. Dass das Gericht die Vorlage eines ausgearbeiteten Gesetzestextes fordere, sei eine »enorm hohe Hürde« für Volksbegehren, sagte Herrschel. So werde die Volksgesetzgebung »immer weiter ausgehöhlt«. Trotz des Misserfolgs wolle sich das Bündnis nicht auflösen, sondern weiter gegen Waffenexporte kämpfen.
Kritik am Urteil kam auch vom fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Mehmet Yildiz. Die Entscheidung des Gerichts sei »offenbar von politischen Vorgaben motiviert«, erklärte er in einer Mitteilung. Es sei die vierte Entscheidung des Verfassungsgerichts gegen die Volksgesetzgebung. »Im Grunde genommen wird über den Weg des Verfassungsgerichts der Volksentscheid ausgehebelt«, so Yildiz. Es sei zu überlegen, ob die Praxis des Senats, unliebsame Volksinitiativen auf diesem Weg zu stoppen, vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft werden könne.
Der größte Seehafen der BRD ist eine Drehscheibe des Waffenhandels. Nach Angaben der Initiative werden rund 1.000 Tonnen Munition täglich über den Hafen ausgeführt, ebenso wie jede Menge Kleinwaffen, Panzer und anderes Kriegsgerät – und das in Kriegs- und Krisengebiete wie Mexiko, Kolumbien oder die Türkei.
Quelle: junge Welt v.02.09.2023/ Ulrich Perrey/dpa
Auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichts will die Volksinitiative weiter gegen Waffenexporte arbeiten (Hamburg, 12.7.2023)
Aus: Ausgabe vom 02.09.2023, Seite 2 / Inland
ANTIKRIEGSTAG
Gedenken am Weltfriedenstag
Zwei Kränze legten am Freitag, dem 84. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, Vertreter der polnischen Botschaft und der Stadt Berlin am Denkmal der polnischen Soldaten und deutschen Antifaschisten nieder. Errichtet nach einem Entwurf von Bildhauern der DDR und der Volksrepublik Polen 1972 im Volkspark Friedrichshain, erinnert es, so die Inschrift, »an den Kampf der polnischen Volksarmee, die an der Seite der Sowjetarmee einen ruhmvollen Kampfweg zurücklegte und einen Beitrag für die Befreiung der Völker Europas vom Faschismus leistete«. (jW)
Quelle: junge Welt v.02.09.2023/ Ivett Polyak-Bar Am/jW
Aus: Ausgabe vom 02.09.2023, Seite 1 / Titel
OSTSEE
Seekrieg aus Rostock
Deutscher Führungsstab leitet multinationales Großmanöver »Northern Coasts 2023«. Geübt wird der Einsatz gegen Russland
Von Jörg Kronauer
Klappe, die nächste: Die Bundeswehr hat den Weltfriedenstag am Freitag genutzt, um erneut ein Ostseegroßmanöver als Übung für einen möglichen heißen Krieg gegen Russland anzukündigen. Rund 3.200 Soldaten aus insgesamt 14 Ländern werden ab dem kommenden Sonnabend (9. September) zu »Northern Coasts 2023« erwartet, um im Szenario eines klassischen zwischenstaatlichen Krieges taktische Operationen in küstennahen Gewässern zu proben. Schauplatz sind vor allem die Gewässer vor den Küsten Lettlands und Estlands einschließlich vorgelagerter Seegebiete, die russische Schiffe aus der Region um Sankt Petersburg nutzen müssen, um über die Ost- und die Nordsee in Richtung Atlantik zu fahren oder auch nur Kaliningrad auf dem Seeweg zu versorgen. Zum Einsatz kommen werden rund 30 Schiffe und U-Boote, bis zu 15 Luftfahrzeuge sowie Landeinheiten, die allerlei Operationen in enger Abstimmung miteinander üben sollen. Sammel- und Ausgangspunkt ist der Hafen von Riga. Beteiligt sind neben den Ostseeanrainern unter anderem Italien, Frankreich und die USA.
Northern Coasts 2023 zeigt: Rostock wird eine spezielle Bedeutung für künftige deutsche Seekriege erhalten. Im Rahmen der Übung spielt Deu Marfor (Maritime Forces) eine besondere Rolle, ein Führungsstab für die Marinekriegführung, der in der Hansestadt angesiedelt ist – beim neuen Führungszentrum der Deutschen Marine dort. Hatte das noch im Aufbau befindliche Deu Marfor eine erste Feuertaufe erhalten, als Flottillenadmiral Stephan Haisch im Jahr 2019 von dort aus erstmals eine Northern-Coasts-Übung kommandierte, gilt die Führung des diesjährigen, deutlich größeren Manövers als bedeutender Schritt auf dem Weg zur vollen Einsatzbereitschaft des Rostocker Führungsstabs. Eine zweite Besonderheit besteht darin, dass erstmals eine amphibische Einheit der U. S. Navy an Northern Coasts teilnimmt. Sie wird gemeinsam mit Teilen des deutschen Seebataillons Operationen zu See wie auch an Land trainieren. Das gleiche hatten Soldaten des Seebataillons zuletzt beim Manöver »Talisman Sabre 2023« in Australien getan; dort trainierten sie gemeinsam mit einer anderen amphibischen US-Einheit Operationen, die laut dem Manöverszenario leicht als Angriff auf China zu identifizieren waren.
Northern Coasts 2023 ist Teil einer Manöverserie, die bereits im Jahr 2007 gestartet wurde, und zwar auf deutsche Initiative. Es handelt sich dabei bis heute um die Schwerpunktübung der Deutschen Marine. Die operativ-praktische Führung wechselt jährlich zwischen Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland. Die deutsche Gesamtführung aber macht den Unterschied zum klassischen Ostseegroßmanöver Baltops (Baltic Operations), das seit seiner ersten Realisierung im Jahr 1971 von den USA organisiert und geleitet wird, also die US-Führung im westlichen Bündnis stärkt. Berlin hatte Northern Coasts initiiert, um nach dem EU- und NATO-Beitritt der baltischen Staaten im Jahr 2004 möglichst alle Ostseeanrainer – außer Russland, versteht sich – unter seinem Kommando zusammenzuführen. Stand dabei zunächst der Kampf gegen Piraten und Terroristen im Vordergrund, so hat sich der Fokus seit 2014 auf einen etwaigen Krieg gegen Russland verschoben, der freilich als »Landes- und Bündnisverteidigung« verklausuliert wird. Dabei können vom Rostocker Führungsstab Deu Marfor aus nicht nur NATO-, sondern auch EU-Seekriege kommandiert werden.
Quelle: junge Welt v.02.09.2023/ Kay Nietfeld/dpa
Das nächste Manöver soll größer werden: Kanzler Scholz (l.) bei der Baltops-Übung (Rostock, 5. Juni 2023)
Aus: Ausgabe vom 14.08.2023, Seite 2 / Inland
KRIEGSVORBEREITUNGEN
»Rostock spielt eine unrühmliche Rolle«
Mecklenburg-Vorpommern: Kriegsgegner protestieren während »Hanse Sail« für Ostsee als Meer des Friedens. Ein Gespräch mit Cornelia Mannewitz
Interview: Martin Dolzer
Das Rostocker Friedensbündnis hat am Donnerstag unter dem Motto »Keine Militärmusik zur Hanse Sail« gegen ein Konzert des Heeresmusikkorps Hannover der Bundeswehr protestiert. Warum?
Wir machten als kleine Gruppe die Rostocker und Gäste der Stadt mit Megafon und Flyern darauf aufmerksam, dass auf dem Universitätsplatz ausgerechnet ein Bundeswehrorchester spielte. Und das zu einem friedlichen Seglerfest. Das war Militärwerbung mitten im »Wohnzimmer« der Stadt. Nach unserer Mahnwache gab es noch eine feine Transparentaktion direkt vor der Nase der Musiker.
Am selben Abend fand eine Veranstaltung gegen die Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchsarbeit der Bundeswehr statt. Was wurde dort konkret kritisiert?
Im Prinzip dasselbe. Die Bundeswehr buhlt mit allen Mitteln um Sympathien. Wir hatten Michael Schulze von Glaßer von der DFG/VK gewinnen können. Er ist sehr gut im Thema. Die Ereignisse des Nachmittags gehörten zu seinen Beispielen. Er zeigte aber auch flecktarnbedruckte Pizzakästen und -Samentüten, mit denen sich die Bundeswehr in den Alltag mogelt. Lustig ist das nicht: Die Kehrseite sind die Besuche von Jugendoffizieren an Schulen sowie die Rekrutierung und Ausbildung von Unter-18jährigen an der Waffe. Übrigens hat dankenswerterweise die Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern den Abend unterstützt.
Im Rahmen der Hanse Sail bot die Bundeswehr auch am Sonnabend und Sonntag ein Familienprogramm auf dem Marinestützpunkt Warnemünde unter anderem mit dem Segelschulschiff »Gorch Fock«, Panzerfahren und U-Boot-Hüpfburg an. Was halten Sie von einem solchen Spektakel?
Das ist der Versuch, eine Kaserne als Erlebnisbereich zu tarnen. Wie bei einem Familienevent war für jeden etwas dabei. Bei Jugendlichen dürfte es die Technikbegeisterung sein, auf die spekuliert wurde. Der Kommandeur des Stützpunkts hat es so ausgedrückt: Die Bevölkerung bekomme die Möglichkeit, »ihre Streitkräfte wieder hautnah zu erleben«. Da winken wir schon ab. Wessen Streitkräfte? Den Wunsch der Bevölkerung nach Frieden bedient die Bundeswehr nicht. Der Clou: Am Sonntag lief die Korvette »Oldenburg« ins Mittelmeer aus, mitten am Tag der offenen Tür. Soll das Stolz auf die Bundeswehr befördern? Wohlwollen für Auslandseinsätze schinden? Soll es normal werden, mit Kind und Kegel einer Militäreinheit auf dem Marsch ins Ausland hinterherzuwinken? Im Endeffekt ist das Kriegsvorbereitung.
Auch der Ständige Minenabwehrverband der NATO, ein indonesisches Schulschiff und zwei dänische Heimwehrkutter waren dort. Gibt es diesbezüglich eine Gegenposition für einen friedlichen Internationalismus im Rahmen der Hanse Sail?
Man kann erleben, wie friedlich die Segler aus verschiedenen Ländern miteinander umgehen. Aber eine offizielle Gegenposition: eher nicht. Sogar der Abendempfang von Stadt und Wirtschaftsförderern sollte unbedingt im neuen Marinearsenal abgehalten werden. Oberpeinlich: Dafür wurde eine chinesische Delegation – »Sicherheitsrisiko«! – wieder ausgeladen. Aber letztens gab es eine Diskussion über ein Wiederaufleben der Rostocker »Ostseewoche« aus DDR-Zeiten. Das Land ist dafür, bekommt aber Gegenwind von Rostocker Historikern: Die Ostseewoche habe nur der Selbstdarstellung der DDR gedient, sei von der Stasi durchsetzt gewesen. Dabei waren das Tage für den Frieden, mit politischen Kongressen, Kultur und internationalen persönlichen Begegnungen. Wir unterstützen diese Idee jedenfalls. Und ganz bescheiden möchten wir für uns reklamieren, dass wir mit unseren Aktionen zur Hanse Sail auch eine Stimme für den friedlichen Internationalismus sind.
Wie sieht das Rostocker Friedensbündnis die zunehmende Militarisierung der Ostsee?
Die Ostsee wird immer mehr zum Aufmarschgebiet der NATO gegen Russland. Staaten, die jahrzehntelang blockfrei waren, werden NATO-Mitglied. Die deutsche Marine will ihre Flotte umfassend modernisieren. Manöver beider Seiten häufen sich. Aufrüstung, Säbelrasseln, strategische Gelüste: Mit dem Ukraine-Krieg glaubt man, alles rechtfertigen zu können. Rostock, Standort des Marinekommandos, das auch als NATO-Hauptquartier bereitsteht, spielt auch hier eine unrühmliche Rolle. »Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein«: Wir setzen uns dafür ein, dass die Losung der Ostseewoche wieder zu Ehren kommt.
Quelle: junge Welt v.14.08.2023/ Dirk Hogess
Soll Technikbegeisterte anlocken: Stand der Streitkräfte am Sonnabend in Rostock
Cornelia Mannewitz ist aktiv im Rostocker Friedensbündnis
Am 06. August 2023 trafen sich wie jedes Jahr, unter organisatorischer Leitung des Rostocker Friedensbündnis, Vertreter weiterer Organisationen z.B. ISOR, Basisorganisation Rostock Nord -Ost Die Linke und wir vom GeFiS mit weiteren Menschen der Hansestadt Rostock, um den Opfern der USA-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945 zu gedenken. In verschiedenen Redebeiträgen, Tatsachenberichten und Gedichten, wurden auf die verheerenden Auswirkungen der Atombombenabwürfe auf die Menschheit hingewiesen. Gleichzeitig wurde mit eindringlichen Appellen an die Politiker der Hansestadt Rostock, den Politikern in Mecklenburg-Vorpommern wie der Bundespolitik, die Forderungen gestellt, ein weiteres Aufrüsten in der Umgebung von Rostock, aber auch in MV sofort zu unterbinden und an die Bundesregierung gerichtet, alle Atomwaffen vom Territorium der BRD zu entfernen.
Neben den Infotafeln, die am Veranstaltungsplatz dem " Brunnen der Lebensfreude" über die Auswirkungen der Atombombenabwürfe informierte, konnten die Anwesenden bei japanischer Musik und dem Phydus-Lied "Hiroshima" das im Lichtermeer gezeichnete Peace-Symbol beim Gedenken an die zahlreichen Opfer innehalten.
Gedenkveranstaltung zum 78. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki - YouTube
Die Organisation "Friedensglockengesellschaft Berlin e.V." mit denen wir solidarisch zusammenarbeiten haben uns folgenden Beitrag aus aktuellem Anlass zur Verfügung gestellt.
Quelle: GefiS-Archiv 2023
Hiroshima: Jahrestag bei wachsender Gefahr
Japan und Friedensbewegte weltweit mahnen zur atomaren Abrüstung
Zum 78. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima hat der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida am Sonntag die Bemühungen Japans um eine »atomwaffenfreie Welt« bekräftigt. Er verurteilte insbesondere die Drohungen Russlands, im Rahmen des Ukraine-Kriegs Atomwaffen einzusetzen. Der Weg zu einer atomwaffenfreien Welt »wird immer schwieriger, da sich in der internationalen Gemeinschaft die Unstimmigkeiten zu nuklearer Abrüstung und der nuklearen Bedrohung durch Russland vertiefen«, sagte Kishida bei einer Gedenkzeremonie in Hiroshima.
»Japan wird als einziges Land, das im Krieg Opfer von Atombombenabwürfen geworden ist, seine Bemühungen um eine atomwaffenfreie Welt fortsetzen«, betonte Kishida. Angesichts der Drohungen aus Russland und der unterschiedlichen internationalen Standpunkte zum Ukraine-Krieg sei es »umso wichtiger, die internationale Dynamik zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt wiederherzustellen«. Die durch nukleare Waffen verursachte »Verwüstung in Hiroshima und Nagasaki darf sich nie wiederholen«, forderte der Ministerpräsident, dessen Familie aus Hiroshima stammt.
In Deutschland fanden am Wochenende in zahlreichen Städten Mahnwachen und Gedenkaktionen statt. Das Rostocker Friedensbündnis sprach sich gegen die fortschreitende Militarisierung in der Stadt und der Region aus. Neben dem Marinekommando, der höchsten Instanz der Marine ist auch in Rostock-Warnemünde das Korvettengeschwader ansässig sowie ein Marinearsenal in Betrieb. Auf seinem Gelände plant die Nato eine Logistikbasis. Das Bündnis kritisiert auch die im Mai dort abgehaltene weltgrößte Rüstungsmesse für Unterwasserkriegsführung, die Undersea Defence Technology (UDT). »Allerdings nicht, ohne dass Proteste, an denen auch wir beteiligt waren, für massiven Gegenwind sorgten«, schreibt das Bündnis in einer Grußbotschaft. Die Hauptkritik der Rostocker Aktivistinnen gilt in diesem Jahr aber auch der mangelnden Bereitschaft der Lokalpolitik, entschiedener für den Frieden einzutreten. Bereits 2020 hatte das Stadtparlament beschlossen, dass der Oberbürgermeister sich dem internationalen Bündnis »Mayors for peace« anschließt. »Bisher wird die Zugehörigkeit zu dieser Bewegung in der Stadt aber kaum gelebt. Wir haben deshalb in diesem Jahr mit einem Offenen Brief einen weiteren Vorstoß in diese Richtung gemacht und werden es am 6. August wieder tun«, kündigte das Bündnis an.
In Berlin lud das Bündnis 6. August zur Weltfriedensglocke im Volkspark Friedrichshain ein. In Göttingen protestierten am Samstag Atomkraftgegnerinnen der Anti-Atom-Initiative gemeinsam mit dem Friedensforum und der Organisation IPPNW. Die Internationale Organisation der Ärztinnen für die Verhütung des Atomkrieges, fordert die Bundesregierung auf, dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, Entschädigungszahlungen an die Überlebenden von Nuklearwaffeneinsätzen zu leisten und aus der nuklearen Teilhabe der Nato auszutreten.
Auch in Frankfurt am Main wurde protestiert. Eingeladen hatte Friedensaktivist Willy van Ooyen auf den Paulsplatz. »Seit Jahrzehnten fordert die Friedensbewegung ernsthafte Schritte zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens. Dazu haben sich die Vertragsstaaten, somit auch Deutschland, in dem Nichtverbreitungsvertrag verpflichtet«, mahnt van Ooyen.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte anlässlich des Jahrestags vor einer erneuten Eskalation: »Einige Länder rasseln wieder rücksichtslos mit dem nuklearen Säbel und drohen, diese Vernichtungswerkzeuge einzusetzen«, hieß es in einer Erklärung. »Angesichts dieser Bedrohungen muss die Weltgemeinschaft geschlossen sprechen. Jeder Einsatz von Atomwaffen ist inakzeptabel.« Auch Walter Baier, Präsident der Europäischen Linken, forderte ein Ende des Krieges: »Die Spirale des von Russland – unter Bruch des Völkerrechts – begonnenen Krieges gegen die Ukraine dreht sich unaufhaltsam weiter.«
Der Abwurf der Atombombe durch das US-Militär in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs tötete sofort oder in den folgenden Monaten etwa 140 000 Menschen. Drei Tage später starben etwa 70 000 Menschen beim Abwurf einer weiteren Atombombe über Nagasaki. Bis heute leiden Tausende Menschen unter den Spätfolgen der radioaktiven Strahlung. Am 15. August endete mit der Kapitulation Japans der Zweite Weltkrieg.
Russland und Weißrussland wurden wegen des Ukraine-Kriegs zum zweiten Mal in Folge nicht zur Zeremonie eingeladen, an der 111 Länder teilnahmen. Die Teilnehmer, von denen viele schwarz gekleidet waren, sprachen um 8.15 Uhr (1.15 Uhr MESZ) – dem Zeitpunkt, als die erste in Kriegszeiten eingesetzte Atomwaffe abgeworfen wurde – ein stilles Gebet. Mit Agenturen
neues deutschland
Aus: Ausgabe vom 05.08.2023, Seite 1 / Titel
HIROSHIMA-TAG
Atomwaffen verbieten – jetzt!
78. Jahrestag des US-Atombombenabwurfs auf Hiroshima: Friedensbewegung und Kirchen fordern atomwaffenfreie Welt. Kriegslobby verlangt Lieferung deutscher Langstreckenraketen an Kiew
Von Arnold Schölzel
Am 6. August 1945 um 8.16.02 Uhr warfen US-Streitkräfte eine Atombombe über der japanischen Stadt Hiroshima ab. Am 9. August zerstörten die USA mit einer weiteren Atombombe Nagasaki. Insgesamt mehr als 100.000 Menschen starben bei den Explosionen sofort – vor allem Zivilisten und Zwangsarbeiter aus Korea und China –, etwa 130.000 weitere bis Ende 1945. Über spätere Opfer existieren nur Schätzungen, gesundheitliche Spätfolgen, insbesondere Krebserkrankungen, werden bis heute registriert.
Auf der Internetseite friedenskooperative.de sind bundesweit mehr als 100 Veranstaltungen der Friedensbewegung gelistet, die bis zum kommenden Mittwoch in Klein- und Großstädten stattfinden. In allen Aufrufen zu den Kundgebungen findet sich die Forderung nach einem Beitritt der Bundesrepublik zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV), der 2021 in Kraft trat. Das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn hält dazu aber fest: »Ganz im Gegenteil hat sich die Ampelregierung mit dem 100-Milliarden-Aufrüstungspaket dafür entschieden, neue Flugzeuge vom Typ F-35 anzuschaffen. Diese sollen die bisher für die nukleare Teilhabe zur Verfügung stehenden ›Tornados‹ ablösen. Damit werden die Weichen gestellt für eine jahrzehntelange Fortsetzung der nuklearen Teilhabe.«
Der evangelische Landesbischof und Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, schloss sich in einer Erklärung zum Hiroshima-Tag der Forderung nach einem Verbot von Massenvernichtungswaffen und dem Beitritt zum AVV an: »Unser Ziel muss Global Zero, eine Welt ohne Atomwaffen sein. Diese Massenvernichtungsmittel gehören ebenso wie biologische und chemische Waffen völkerrechtlich geächtet.« Statt dessen erlebe die Welt aber, wie die Atommächte dabei seien, ihr Atomwaffenarsenal zu modernisieren und auszubauen. Kramer erinnerte an die Warnung des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI vom Juni, dass sich die Menschheit angesichts der zunehmenden Zahl von einsatzfähigen Atomwaffen in einer der gefährlichsten Perioden ihrer Geschichte befinde. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) habe berichtet, dass die Atomstaaten mehr als 80 Milliarden US-Dollar in ihre Arsenale investieren würden und zum dritten Mal in Folge die Ausgaben für die Massenvernichtungswaffen gesteigert hätten.
Ausgerechnet in der vergangenen Woche erhöhte die deutsch-ukrainische Kriegslobby den Druck auf die Bundesregierung, deutsche Langstreckenmarschflugkörper vom Typ »Taurus« an Kiew zu liefern und damit auch die Atomkriegsgefahr zu erhöhen. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Olexij Makejew, erklärte in mehreren Zeitungen, er hoffe, dass die »Taurus«-Lieferung nicht so lange dauere wie die Panzerdebatte. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter verlangte in der Welt am Sonntag, die Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern »sofort« zu liefern. Das unterstützten auch Politiker der Koalition wie Marcus Faber (FDP), Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Kampagne hatte die FAZ im Mai eröffnet, als sie die »Taurus« als »Game-Changer aus Deutschland« bezeichnete. Angeblich erteilte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den Forderungen eine Absage, tatsächlich erklärte er am Donnerstag beim Besuch einer Gebirgsjägerbrigade in Bayern: »Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass das jetzt gerade nicht unsere vorrangigste Priorität hat.« Und: »Der Zeitpunkt für eine Entscheidung ist für uns noch nicht gekommen.«
Quelle: junge Welt v.05.08.2023/ Issei Kato/REUTERS
Das Friedensdenkmal in Hiroshima – Überreste einer 1915 erbauten Ausstellungshalle mit der charakteristischen Kuppel (29.7.2015)
Aus: Ausgabe vom 05.08.2023, Seite 2 / Inland
NUKLEARE GEFAHR
»Das Risiko eines Einsatzes ist gestiegen«
Tag des Gedenkens an Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Ein Gespräch mit Florian Eblenkamp
Interview: Henning von Stoltzenberg
Florian Eblenkamp ist Vorstandsmitglied bei ICAN Deutschland
Am 6. und 9. August jähren sich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Jedes Jahr wird die Abschaffung von Atomwaffen gefordert. Was plant ICAN an diesem Gedenktag?
In diesem Jahr gibt es eine Besonderheit, denn aktuell haben Atomwaffen weltweit ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen. Der Hollywoodfilm »Oppenheimer« hat für viel Trubel und Diskussionen gesorgt. Wir haben den Filmstart begleitet und veranstalten am Hiroshima-Tag ein »Oppenheimer«-Screening im Hackesche-Höfe-Kino in Berlin. Mit den medizinischen und politischen Expertinnen Stella Ziegler und Juliane Hauschulz werden wir inhaltliche Lücken schließen und darüber sprechen, was wir heute tun können, um uns für eine atomwaffenfreie Welt von morgen zu engagieren.
Laut einer INSA-Umfrage vom Oktober 2022 hatten rund 59 Prozent in Deutschland Angst vor einem dritten Weltkrieg. Erhöht der Krieg in der Ukraine die reale Gefahr eines Atomkrieges aus Ihrer Sicht?
Zweifelsohne ist das Risiko eines Einsatzes gestiegen. Solange es Atomwaffen gibt, ist die Gefahr eines Atomkrieges oder eines Atomwaffeneinsatzes, ob vorsätzlich oder versehentlich, absolut real und allgegenwärtig. Die Bundesregierung rüstet gerade auf – und das ohne angemessene öffentliche Debatte. Damit werden Atomwaffen weiter als legitimes Mittel der Politik verharmlost, was am Ende nur dem Aggressor hilft. Statt nukleare Aufrüstung zu betreiben, sollte die Bundesregierung die nukleare Teilhabe beenden. Die Stationierung von noch mehr Atomwaffen macht unsere Welt nicht sicherer.
Im Mai hatten Sie sich anlässlich des G7-Treffens in Hiroshima mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. Haben Sie eine Reaktion darauf erhalten?
In unserem Brief haben wir gemeinsam mit Partnerorganisationen gefordert, dass Deutschland den UN-Atomwaffenverbotsvertrag als zentrales völkerrechtliches Instrument unterstützt. Wir bitten Bundeskanzler Scholz, die zweite Atomwaffenverbotsvertragsstaatenkonferenz im November 2023 als Beobachter zu begleiten und weitere Schritte in Richtung eines deutschen Beitritts zum Vertrag zu unternehmen. Das Ergebnis des G7-Treffens war aus unserer Sicht ernüchternd. Anstatt neue Wege der nuklearen Abrüstung zu gehen, schieben die G7-Staaten die Verantwortung von sich. So wurde zwar Russlands Absicht, Atomwaffen in Belarus zu stationieren, als »gefährlich und inakzeptabel« verurteilt, die in Deutschland und Italien stationierten US-Atomwaffen werden jedoch noch nicht einmal erwähnt. Das G7-Statement zur nuklearen Abrüstung erweckte den Eindruck, dass den Überlebenden nicht zugehört wurde.
Wie setzt sich ICAN über die Gedenktage hinaus für nukleare Abrüstung ein?
Wir setzen uns das ganze Jahr für nukleare Abrüstung ein. Dabei haben wir auch bedeutende Fortschritte erzielt, indem wir aktiv an der Ausarbeitung und Förderung des Atomwaffenverbotsvertrags mitgewirkt haben, der 2017 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Dieser Vertrag verbietet die Entwicklung, Produktion, Lagerung und den Einsatz von Atomwaffen und stärkt das internationale Recht gegen Atomwaffenstaaten. Die Mehrheit der Staaten weltweit hat sich bereits dem Atomwaffenverbotsvertrag angeschlossen und lehnt Atomwaffen aktiv ab. Durch Sensibilisierung und Bildungsarbeit arbeiten wir daran, das Bewusstsein für die katastrophalen Folgen von Atomwaffen zu schärfen.
Welche Veranstaltungen empfehlen Sie zum Gedenktag?
Am 8. August haben wir eine Onlineveranstaltung zum Thema »Geschichte und Gegenwart der Stationierung von Atomwaffen« geplant. Gerade im Kontext der Festigung der nuklearen Teilhabe durch die Beschaffung der neuen F-35-Bomber durch die Bundesregierung, ergeben sich hier wichtige und aktuelle Fragen, die wir mit Alexander Sorg, Postdoc an der VU Amsterdam, diskutieren wollen. Zudem tagt gerade in Wien, parallel zu den Gedenktagen, der Vorbereitungsausschuss für die Überprüfungskonferenz der Vertragsparteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen im Jahr 2026. Dort sind wir ebenfalls mit einem Side Event zu nuklearer Gerechtigkeit und einer Erklärung zur nuklearen Teilhabe vertreten.
Quelle: junge welt v.05.08.2023/ Jens Schicke/imago
Nie wieder saurer Regen: Protest gegen Atomwaffen (Berlin, 11.4.2022)
Aus: Ausgabe vom 05.08.2023, Seite 2 / Inland
PAZIFISMUS
Orchester gegen Atomkrieg
Das Netzwerk »Lebenslaute« hat am Freitag am Fliegerhorst der Luftwaffe in Nörvenich in Nordrhein-Westfalen Blockadeaktionen durchgeführt. Zum Hiroshima-Gedenktag spielte die Gruppe ein Aktionskonzert, um »die tödliche Routine dieses Ortes, an dem das Taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr im Rahmen der ›nuklearen Teilhabe‹ Tag für Tag den Atomkrieg übt«, zu unterbrechen, wie die Gruppe am Freitag mitteilte. »Atomkrieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, kritisierte »Lebenslaute«. Auf seine Vorbereitung treffe dies ebenso zu. (jW)
Quelle: junge welt v.05.08.2023
Aus: Ausgabe vom 05.08.2023, Seite 8 / Abgeschrieben
ICAN Deutschland gedenkt der Opfer von Hiroshima und Nagasaki und fordert nukleare Abrüstung
Rolf Zoellner/epd/imago
Anlässlich des Jahrestags der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August gedenkt die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) der verheerenden Auswirkungen dieser historischen Ereignisse:
Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 führten zum Tod von Hunderttausenden Menschen und hinterließen eine dauerhafte Narbe in der Geschichte der Menschheit. Diese tragischen Ereignisse verdeutlichen auf erschütternde Weise, welche katastrophalen Folgen Atomwaffen für die Menschheit haben können.
Janina Rüther, ICAN-Aktivistin und Teil einer jungen Delegation, die kürzlich nach Hiroshima reiste, um über die Geschichte dieser Stadt zu lernen, äußerte sich dazu: »Diese Tage sind wegen ihrer Grausamkeit im Gedächtnis geblieben. Und das nicht nur bei den Überlebenden der Abwürfe, sondern auch bei all den Menschen, die seitdem von der Produktion und dem Testen von Atomwaffen geschädigt wurden. Heute kämpfen diese Menschen gemeinsam für Gerechtigkeit, für nukleare Gerechtigkeit. Und ich finde, dass sie Unterstützung verdient haben. Als ich zum ersten Mal am Einschlagsort der Bombe stand, ging mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich werde diese Reise nie vergessen.«
Die schrecklichen Erinnerungen einer Überlebenden, Keiko Ogura, die als junges Mädchen die Zerstörung von Hiroshima miterlebte, sind noch immer präsent. Sie beschrieb die glühende Hitze und die Flammen um sie herum, als sie damals von ihrer Familie getrennt wurde und in der brennenden Stadt umherirrte, um sie herum fliehende und sterbende Menschen. Keiko sprach von den Narben, die dieser Tag hinterlassen hat, und von ihrer jahrzehntelangen Arbeit gegen Atomwaffen. Zum Schluss sagte sie den jungen Menschen: »Ihr seid an der Reihe. Bitte tut, was ihr könnt.«
Quelle: junge welt v.05.08.2023
Kommuniqué des Gipfeltreffens von Vilnius
Herausgegeben von den Staats- und Regierungschefs der NATO, die an der Tagung des Nordatlantikrats in Vilnius teilnehmen, 11. Juli 2023
Der NATO-Eingeladene schließt sich diesem Kommuniqué an.
1. Wir, die Staats- und Regierungschefs des Nordatlantischen Bündnisses, die durch gemeinsame Werte der individuellen Freiheit, der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verbunden sind, sind in Vilnius zusammengekommen, während der Krieg auf dem europäischen Kontinent andauert, um unsere dauerhafte transatlantische Bindung, Einheit, Zusammenhalt und Solidarität in einer kritischen Zeit für unsere Sicherheit und unseren internationalen Frieden und unsere Stabilität zu bekräftigen. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Es ist das einzigartige, unverzichtbare und unverzichtbare transatlantische Forum, um alle Fragen im Zusammenhang mit unserer individuellen und kollektiven Sicherheit zu beraten, zu koordinieren und zu handeln. Wir bekräftigen unsere eiserne Verpflichtung, uns gegenseitig und jeden Zentimeter des Bündnisgebiets jederzeit zu verteidigen, unsere eine Milliarde Bürger zu schützen und unsere Freiheit und Demokratie gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrags zu schützen. Wir werden weiterhin unsere kollektive Verteidigung gegen alle Bedrohungen, unabhängig davon, woher sie kommen, auf der Grundlage eines 360-Grad-Ansatzes sicherstellen, um die drei Kernaufgaben der NATO zu erfüllen: Abschreckung und Verteidigung, Krisenprävention und -management sowie kooperative Sicherheit. Wir halten uns an das Völkerrecht sowie an die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und verpflichten uns zur Wahrung der regelbasierten internationalen Ordnung. Dieser Gipfel ist ein Meilenstein bei der Stärkung unseres Bündnisses.
2. Wir begrüßen Präsident Selenskyj herzlich zur konstituierenden Tagung des NATO-Ukraine-Rates. Wir freuen uns auf den wertvollen Austausch mit den Staats- und Regierungschefs Australiens, Japans, Neuseelands und der Republik Korea sowie mit dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission auf diesem Gipfel. Wir begrüßen auch die Gespräche mit den Außenministern Georgiens und der Republik Moldau sowie mit dem stellvertretenden Außenminister von Bosnien und Herzegowina, da wir uns weiterhin eng über die Umsetzung der maßgeschneiderten Unterstützungsmaßnahmen der NATO abstimmen.
3. Wir begrüßen Finnland als neuestes Mitglied unseres Bündnisses. Dies ist ein historischer Schritt für Finnland und für die NATO. Viele Jahre lang haben wir eng als Partner zusammengearbeitet; wir stehen jetzt als Verbündete zusammen. Die NATO-Mitgliedschaft macht Finnland sicherer und die NATO stärker.
4. Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur Politik der offenen Tür der NATO und zu Artikel 10 des Washingtoner Vertrags. Jede Nation hat das Recht, ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Wir freuen uns darauf, Schweden als vollwertiges Mitglied des Bündnisses willkommen zu heißen, und begrüßen in diesem Zusammenhang die Einigung, die zwischen dem NATO-Generalsekretär, dem Präsidenten der Türkiye und dem schwedischen Ministerpräsidenten erzielt wurde.
5. Der Frieden im euro-atlantischen Raum ist erschüttert. Die Russische Föderation hat die Normen und Prinzipien verletzt, die zu einer stabilen und berechenbaren europäischen Sicherheitsordnung beigetragen haben. Die Russische Föderation ist die bedeutendste und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Bündnispartner sowie für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum. Der Terrorismus in all seinen Formen und Erscheinungsformen ist die unmittelbarste asymmetrische Bedrohung für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger sowie für den Weltfrieden und den Wohlstand. Die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, sind global und miteinander verbunden.
6. Strategischer Wettbewerb, allgegenwärtige Instabilität und wiederkehrende Schocks bestimmen unser breiteres Sicherheitsumfeld. Konflikte, Fragilität und Instabilität in Afrika und im Nahen Osten wirken sich direkt auf unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Partner aus. Die erklärten Ambitionen und Zwangsmaßnahmen der Volksrepublik China (VR China) stellen unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte in Frage. Wir sind nach wie vor offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der VR China, einschließlich der Schaffung gegenseitiger Transparenz, um die Sicherheitsinteressen des Bündnisses zu wahren. Wir sind weiterhin mit Cyber-, Weltraum-, Hybrid- und anderen asymmetrischen Bedrohungen sowie mit dem böswilligen Einsatz neuer und disruptiver Technologien konfrontiert.
7. Russland trägt die volle Verantwortung für seinen illegalen, nicht zu rechtfertigenden und unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die euro-atlantische und globale Sicherheit ernsthaft untergraben hat und für den es uneingeschränkt zur Rechenschaft gezogen werden muss. Wir verurteilen weiterhin aufs Schärfste die eklatanten Verstöße Russlands gegen das Völkerrecht, die Charta der Vereinten Nationen und die Verpflichtungen und Prinzipien der OSZE. Wir erkennen die illegalen und illegitimen Annexionen Russlands, einschließlich der Krim, nicht an und werden dies auch nie tun. Es darf keine Straflosigkeit für russische Kriegsverbrechen und andere Gräueltaten geben, wie Angriffe auf Zivilisten und die Zerstörung ziviler Infrastruktur, die Millionen von Ukrainern grundlegender menschlicher Dienstleistungen beraubt. Für Verletzungen und Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, insbesondere gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, einschließlich der Zwangsdeportation von Kindern und konfliktbedingter sexueller Gewalt, müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verdeutlicht die brutalen Folgen des von Russland begonnenen Krieges. Russlands Krieg hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Umwelt, die nukleare Sicherheit, die Energie- und Ernährungssicherheit, die Weltwirtschaft und das Wohlergehen von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Die Bündnispartner arbeiten daran, die Ausfuhr von ukrainischem Getreide zu ermöglichen, und unterstützen aktiv die internationalen Bemühungen zur Linderung der globalen Nahrungsmittelkrise.
8. Russland muss diesen illegalen Angriffskrieg unverzüglich beenden, seine Gewaltanwendung gegen die Ukraine einstellen und seine gesamte Kräfte und Ausrüstung vollständig und bedingungslos aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen bis in ihre Hoheitsgewässer abziehen. Wir fordern alle Länder auf, die russische Aggression in keiner Weise zu unterstützen und all jene zu verurteilen, die den Krieg Russlands aktiv unterstützen. Die Unterstützung von Belarus war von entscheidender Bedeutung, da es weiterhin sein Territorium und seine Infrastruktur zur Verfügung stellt, damit die russischen Streitkräfte die Ukraine angreifen und die russische Aggression aufrechterhalten können. Insbesondere Belarus, aber auch der Iran müssen ihre Komplizenschaft mit Russland beenden und zur Einhaltung des Völkerrechts zurückkehren.
9. Wir begrüßen die nachdrückliche Unterstützung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die Förderung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens in der Ukraine. Wir begrüßen und unterstützen das Engagement von Präsident Selenskyj, die Grundsätze für einen solchen Frieden in seiner Friedensformel festzulegen. Wir setzen uns für einen gerechten und dauerhaften Frieden ein, der die Prinzipien der UN-Charta, insbesondere Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit, wahrt. Wir betonen, dass dies ohne den vollständigen und bedingungslosen Rückzug Russlands nicht möglich ist. Wir haben Russland zwar aufgefordert, sich konstruktiv an glaubwürdigen Verhandlungen mit der Ukraine zu beteiligen, aber Russland hat keine wirkliche Offenheit für einen gerechten und dauerhaften Frieden gezeigt.
10. Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Solidarität mit der Regierung und dem ukrainischen Volk bei der heldenhaften Verteidigung ihrer Nation, ihres Landes und unserer gemeinsamen Werte. Wir unterstützen voll und ganz das der Ukraine innewohnende Recht auf Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der UN-Charta verankert ist. Wir bleiben unerschütterlich in unserer Entschlossenheit, die politische und praktische Unterstützung für die Ukraine weiter zu verstärken, während sie ihre Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen verteidigt, und werden unsere Unterstützung so lange fortsetzen, wie es nötig ist. Wir begrüßen die Bemühungen aller Bündnispartner und Partner, die sich für die Unterstützung der Ukraine einsetzen.
11. Wir unterstützen uneingeschränkt das Recht der Ukraine, ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Die Zukunft der Ukraine liegt in der NATO. Wir bekräftigen die Verpflichtung, die wir auf dem Gipfel 2008 in Bukarest eingegangen sind, dass die Ukraine Mitglied der NATO wird, und erkennen heute an, dass der Weg der Ukraine zu einer vollständigen euro-atlantischen Integration über die Notwendigkeit des Aktionsplans für die Mitgliedschaft hinausgegangen ist. Die Ukraine ist zunehmend interoperabel und politisch in das Bündnis integriert und hat auf ihrem Reformpfad erhebliche Fortschritte erzielt. Im Einklang mit der Charta über eine besondere Partnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine von 1997 und der Ergänzung von 2009 werden die Bündnispartner die Fortschritte der Ukraine bei der Interoperabilität sowie die erforderlichen zusätzlichen Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors weiterhin unterstützen und überprüfen. Die NATO-Außenminister werden die Fortschritte im Rahmen des angepassten nationalen Jahresprogramms regelmäßig bewerten. Das Bündnis wird die Ukraine bei diesen Reformen auf ihrem Weg zur künftigen Mitgliedschaft unterstützen. Wir werden in der Lage sein, die Ukraine zum Beitritt zum Bündnis einzuladen, wenn die Bündnispartner zustimmen und die Bedingungen erfüllt sind.
12. Die Sicherheit der Ukraine ist für die Bündnispartner und das Bündnis von großer Bedeutung. Um die weitere Integration der Ukraine in die NATO zu unterstützen, haben wir uns heute auf ein umfangreiches Paket erweiterter politischer und praktischer Unterstützung geeinigt. Wir haben beschlossen, den NATO-Ukraine-Rat einzurichten, ein neues gemeinsames Gremium, in dem die Bündnispartner und die Ukraine als gleichberechtigte Mitglieder zusammensitzen, um den politischen Dialog, das Engagement, die Zusammenarbeit und die euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine nach einer NATO-Mitgliedschaft zu fördern. Es wird gemeinsame Konsultationen, Beschlussfassungen und Aktivitäten vorsehen und auch als Krisenkonsultationsmechanismus zwischen der NATO und der Ukraine dienen.
13. Die NATO leistet der Ukraine im Rahmen des umfassenden Hilfspakets (GAP) weiterhin dringend benötigte nichtletale Hilfe Hilfe. Seit dem Madrider Gipfel haben die Bündnispartner und Partner mehr als 500 Millionen Euro für die GAP bereitgestellt. Um die Abschreckung und Verteidigung der Ukraine kurz-, mittel- und langfristig zu unterstützen, haben wir uns heute darauf geeinigt, die GAP zu einem mehrjährigen Programm für die Ukraine weiterzuentwickeln. Die geleistete Hilfe wird zum Wiederaufbau des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungssektors beitragen und die Ukraine in Richtung vollständiger Interoperabilität mit der NATO führen. Die Bündnispartner werden die GAP weiterhin nachhaltig und berechenbar finanzieren. Wir freuen uns sehr über Beiträge unserer Partner und ermutigen sie.
14. Russland hat seine militärische Aufrüstung und Präsenz in der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Mittelmeer verstärkt und unterhält bedeutende militärische Fähigkeiten in der Arktis. Russlands selbstbewusstere Haltung, seine neuartigen militärischen Fähigkeiten und provokativen Aktivitäten, auch in der Nähe der NATO-Grenzen, sowie seine groß angelegten No-Notice- und Snap-Übungen bedrohen weiterhin die Sicherheit des euro-atlantischen Raums. Im Hohen Norden stellt seine Fähigkeit, die Verstärkung des Bündnisses zu stören, und die Freiheit der Schifffahrt über den Nordatlantik eine strategische Herausforderung für das Bündnis dar. Die NATO und die Bündnispartner werden weiterhin die notwendigen, abgestimmten und koordinierten Maßnahmen ergreifen, unter anderem durch die Durchführung einschlägiger Pläne.
15. Die Vertiefung der militärischen Integration Russlands in Belarus, einschließlich der Stationierung fortschrittlicher russischer militärischer Fähigkeiten und militärischer Kräfte in Belarus, hat Auswirkungen auf die regionale Stabilität und die Verteidigung des Bündnisses. Die NATO wird wachsam bleiben und die Entwicklungen, insbesondere die mögliche Entsendung sogenannter privater Militärunternehmen nach Belarus, weiter aufmerksam verfolgen. Wir fordern Belarus auf, seine bösartigen Aktivitäten gegen seine Nachbarn einzustellen, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten und sich an das Völkerrecht zu halten.
16. Russland modernisiert seine Nuklearstreitkräfte, einschließlich seines großen Arsenals an Waffen mit großer Reichweite und erweitert seine neuartigen und disruptiven dualen Trägersysteme. Es ist inakzeptabel, dass Russland solche dualen Systeme einsetzt, um Zivilisten und kritische zivile Infrastruktur in der Ukraine anzugreifen. Wir verurteilen die angekündigte Absicht Russlands, Atomwaffen und atomwaffenfähige Systeme auf belarussischem Territorium zu stationieren, was ein weiterer Beweis dafür ist, wie die wiederholten Handlungen Russlands die strategische Stabilität und die allgemeine Sicherheit im euro-atlantischen Raum untergraben. Wir verurteilen Russlands unverantwortliche nukleare Rhetorik und seine erzwungenen nuklearen Signale. Wir erinnern an die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs der fünf Atomwaffenstaaten vom 3. Januar 2022 zur Verhütung eines Atomkriegs und zur Vermeidung von Rüstungswettläufen. Wir rufen Russland auf, sich in Wort und Tat erneut zu den in dieser Erklärung verankerten Grundsätzen zu bekennen.
17. Das Vorgehen Russlands zeugt von einer Haltung der strategischen Einschüchterung und unterstreicht, dass die NATO all diese Entwicklungen weiterhin beobachten und ihre Haltung gegebenenfalls anpassen muss. Die Bündnispartner werden weiterhin eng zusammenarbeiten, um den von Russland ausgehenden Bedrohungen und Herausforderungen zu begegnen, und bekräftigen, dass jeder Einsatz chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer Waffen durch Russland schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde.
18. Russland hat seine hybriden Aktionen gegen NATO-Verbündete und -Partner intensiviert, auch über Stellvertreter. Dazu gehören die Einmischung in demokratische Prozesse, politischer und wirtschaftlicher Zwang, weit verbreitete Desinformationskampagnen, böswillige Cyberaktivitäten sowie illegale und störende Aktivitäten russischer Geheimdienste. Wir verstärken die uns zur Verfügung stehenden Instrumente, um russischen hybriden Aktionen entgegenzuwirken, und werden sicherstellen, dass das Bündnis und die Bündnispartner auf die Abschreckung und Abwehr hybrider Angriffe vorbereitet sind.
19. Wir streben Stabilität und Berechenbarkeit im euro-atlantischen Raum und zwischen der NATO und Russland an. Die NATO sucht keine Konfrontation und stellt keine Bedrohung für Russland dar. Angesichts seiner feindseligen Politik und seines feindseligen Handelns können wir Russland nicht als unseren Partner betrachten. Jede Veränderung in unseren Beziehungen hängt davon ab, dass Russland sein aggressives Verhalten einstellt und sich voll und ganz an das Völkerrecht hält. Wir sind weiterhin bereit, die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten, um Risiken zu managen und zu mindern, eine Eskalation zu verhindern und die Transparenz zu erhöhen. Gleichzeitig werden wir weiterhin über die Auswirkungen der russischen Politik und seines Handelns auf unsere Sicherheit beraten und diese bewerten und auf russische Drohungen und feindselige Handlungen geschlossen und verantwortungsvoll reagieren.
20. Wir lehnen den Terrorismus kategorisch ab und verurteilen ihn auf das Schärfste. Die Bekämpfung des Terrorismus in all seinen Formen und Erscheinungsformen ist für unsere kollektive Verteidigung von entscheidender Bedeutung. Die Rolle der NATO bei der Terrorismusbekämpfung trägt zu allen drei Kernaufgaben des Bündnisses bei und ist integraler Bestandteil des 360-Grad-Ansatzes des Bündnisses für Abschreckung und Verteidigung. Die Bündnispartner werden diese Bedrohung weiterhin mit Entschlossenheit, Entschlossenheit und Solidarität bekämpfen. Als Teil einer umfassenderen Bemühung, gemeinsam besser auf diese Bedrohung zu reagieren, werden wir die Fähigkeiten der Bündnispartner weiterentwickeln und weiterhin mit der Globalen Koalition zur Bekämpfung von Da'esh und mit Partnerländern zusammenarbeiten, um ihre Bemühungen zu unterstützen und ihnen beim Aufbau ihrer Kapazitäten zur Terrorismusbekämpfung zu helfen. Die NATO wird auch weiterhin gegebenenfalls mit anderen internationalen Akteuren zusammenarbeiten, um einen Mehrwert und Komplementarität zu gewährleisten.
21. Terroristische Organisationen bedrohen die Sicherheit unserer Bevölkerung, unserer Streitkräfte und unseres Territoriums. Sie haben ihre Netzwerke erweitert, ihre Fähigkeiten verbessert und in neue Technologien investiert, um ihre Reichweite und Letalität zu verbessern. Wir werden weiterhin Bedrohungen und Herausforderungen durch terroristische Gruppen abschrecken, verteidigen und darauf reagieren, und zwar auf der Grundlage einer Kombination aus Präventions-, Schutz- und Verleugnungsmaßnahmen. Wir haben heute den ständigen Rat beauftragt, die politischen Leitlinien und den Aktionsplan der NATO zur Terrorismusbekämpfung zu aktualisieren und in Absprache mit unseren regionalen Partnern die Bereiche neu zu bewerten, in denen die NATO den Partnern in diesem Bereich zivil-militärische Hilfe leisten kann. Unsere Herangehensweise an den Terrorismus und seine Ursachen steht im Einklang mit dem Völkerrecht und den Zielen und Grundsätzen der UN-Charta und steht im Einklang mit allen einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus.
22. Die südliche Nachbarschaft der NATO, insbesondere der Nahe Osten, Nordafrika und die Sahelzone, steht vor miteinander verbundenen sicherheitspolitischen, demografischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen. Diese werden durch die Auswirkungen des Klimawandels, fragile Institutionen, gesundheitliche Notlagen und Ernährungsunsicherheit noch verschärft. Diese Situation bietet einen fruchtbaren Boden für die Verbreitung nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen, einschließlich terroristischer Organisationen. Sie ermöglicht auch destabilisierende und erzwungene Eingriffe strategischer Wettbewerber. Russland schürt Spannungen und Instabilität in diesen Regionen. Die allgegenwärtige Instabilität führt zu Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich konfliktbedingter sexueller Gewalt, sowie zu Angriffen auf Kulturgüter und Umweltschäden. Sie trägt zur Vertreibung bei und fördert Menschenhandel und irreguläre Migration. Diese Trends stellen ernsthafte transnationale und humanitäre Herausforderungen dar und wirken sich unverhältnismäßig stark auf Frauen, Kinder und Minderheiten aus. Als Reaktion auf die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Bedrohungen und Herausforderungen innerhalb und in der Nähe des euro-atlantischen Raums haben wir heute den Nordatlantikrat in ständiger Sitzung beauftragt, eine umfassende und eingehende Reflexion über bestehende und neu auftretende Bedrohungen und Herausforderungen sowie über Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern, internationalen Organisationen und anderen relevanten Akteuren in der Region einzuleiten. auf unserem nächsten Gipfel im Jahr 2024 vorgestellt werden.
23. Die erklärten Ambitionen und die Zwangspolitik der Volksrepublik China stellen unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte in Frage. Die VR China setzt eine breite Palette politischer, wirtschaftlicher und militärischer Instrumente ein, um ihre globale Präsenz und Projektmacht zu vergrößern, während sie gleichzeitig über ihre Strategie, ihre Absichten und ihre militärische Aufrüstung undurchsichtig bleibt. Die böswilligen Hybrid- und Cyberoperationen der VR China sowie ihre konfrontative Rhetorik und Desinformation zielen auf die Bündnispartner ab und schaden der Sicherheit des Bündnisses. Die VR China ist bestrebt, wichtige technologische und industrielle Sektoren, kritische Infrastrukturen sowie strategische Material- und Lieferketten zu kontrollieren. Sie nutzt ihren wirtschaftlichen Hebel, um strategische Abhängigkeiten zu schaffen und ihren Einfluss zu stärken. Sie strebt danach, die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, auch in den Bereichen Weltraum, Cyber und See.
24. Wir sind nach wie vor offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der VR China, einschließlich des Aufbaus gegenseitiger Transparenz, um die Sicherheitsinteressen des Bündnisses zu wahren. Wir arbeiten als Bündnispartner verantwortungsvoll zusammen, um die systemischen Herausforderungen anzugehen, die die VR China für die euro-atlantische Sicherheit darstellt, und um sicherzustellen, dass die NATO dauerhaft in der Lage ist, die Verteidigung und Sicherheit der Bündnispartner zu gewährleisten. Wir stärken unser gemeinsames Bewusstsein, stärken unsere Widerstandsfähigkeit und Bereitschaft und schützen uns vor den Zwangstaktiken und -bemühungen der VR China, das Bündnis zu spalten. Wir werden für unsere gemeinsamen Werte und die regelbasierte internationale Ordnung, einschließlich der Freiheit der Schifffahrt, einstehen.
25. Die Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen der VR China und Russland und ihre sich gegenseitig verstärkenden Versuche, die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, laufen unseren Werten und Interessen zuwider. Wir fordern die VR China auf, als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine konstruktive Rolle zu spielen, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu verurteilen, die Kriegsanstrengungen Russlands in keiner Weise zu unterstützen, damit aufzuhören, das falsche Narrativ Russlands zu verstärken, das die Ukraine und die NATO für den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verantwortlich macht, und sich an die Ziele und Grundsätze der UN-Charta zu halten. Wir appellieren insbesondere an die VR China, verantwortungsvoll zu handeln und keine tödliche Hilfe für Russland zu leisten.
26. Im Jahr 2014 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten auf dem Gipfeltreffen in Wales auf die Zusage für Verteidigungsinvestitionen. Seitdem haben die Bündnispartner bemerkenswerte Fortschritte erzielt, und alle haben ihre Verteidigungsausgaben erhöht, ihre Streitkräfte und Fähigkeiten weiterentwickelt und zu den Operationen, Missionen und Aktivitäten des Bündnisses beigetragen. Wie das Strategische Konzept darlegt, stehen unsere Nationen heute jedoch vor tiefgreifenderen Sicherheitsbedrohungen und -herausforderungen als jemals zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges.
27. Im Einklang mit unseren Verpflichtungen aus Artikel 3 des Washingtoner Vertrags verpflichten wir uns, jährlich mindestens 2 % unseres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung zu investieren. Wir tun dies in dem Bewusstsein, dass dringend mehr erforderlich ist, um unseren Verpflichtungen als NATO-Bündnispartner nachhaltig nachzukommen, einschließlich der Erfüllung des seit langem bestehenden großen Ausrüstungsbedarfs und der NATO-Fähigkeitsziele, der Bereitstellung von Ressourcen für die neuen Verteidigungspläne und des neuen Streitkräftemodells der NATO sowie der Mitwirkung an NATO-Operationen, -Missionen und -Aktivitäten. Wir bekräftigen, dass in vielen Fällen Ausgaben von mehr als 2 % des BIP erforderlich sein werden, um bestehende Defizite zu beheben und die Anforderungen in allen Bereichen zu erfüllen, die sich aus einer umstritteneren Sicherheitsordnung ergeben.
28. Wir verpflichten uns, mindestens 20 % unseres Verteidigungshaushalts in Großausrüstung, einschließlich der damit verbundenen Forschung und Entwicklung, zu investieren. Wir erkennen an, dass dies in Verbindung mit einem jährlichen Verteidigungsaufwand von mindestens 2 % des BIP erreicht werden sollte. Wir müssen unseren technologischen Vorsprung bewahren und unsere Streitkräfte und Fähigkeiten weiter modernisieren und reformieren, unter anderem durch die Integration innovativer Technologien.
29. Wir verpflichten uns, die erforderlichen Streitkräfte, Fähigkeiten und Ressourcen für das gesamte Spektrum der Operationen, Missionen und Aktivitäten der NATO bereitzustellen. Dazu gehören die Erfüllung der Anforderungen an Abschreckung und Verteidigung, die Bereitstellung der Streitkräfte, die zur Umsetzung der Verteidigungspläne der NATO erforderlich sind, und der Beitrag zu den Krisenbewältigungsoperationen der NATO. Die Bündnispartner werden dafür sorgen, dass unsere Streitkräfte bereit sind und über das erforderliche Personal, die Ausrüstung, die Ausbildung, die Ersatzteile, die Logistik, die Infrastruktur und die Vorräte verfügen. Wir verpflichten uns, die Interoperabilität unserer nationalen Streitkräfte zu verbessern, unter anderem durch die transparente Einhaltung und Weiterentwicklung der NATO-Standards und -Doktrinen.
30. Um über die erforderlichen Fähigkeiten zu verfügen, benötigt das Bündnis eine starke und leistungsfähige Verteidigungsindustrie mit widerstandsfähigen Lieferketten. Eine starke Verteidigungsindustrie im gesamten Bündnis, einschließlich einer stärkeren Verteidigungsindustrie in Europa und einer stärkeren verteidigungsindustriellen Zusammenarbeit innerhalb Europas und über den Atlantik hinweg, ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, um die erforderlichen Fähigkeiten bereitzustellen. Darüber hinaus werden wir im Einklang mit unseren Verpflichtungen, Verpflichtungen und Prozessen die Hindernisse für den Handel und die Investitionen im Verteidigungsbereich zwischen den Bündnispartnern verringern und gegebenenfalls beseitigen.
31. Die NATO ist das Fundament unserer kollektiven Verteidigung. Der Hauptzweck und die größte Verantwortung der NATO besteht darin, unsere kollektive Verteidigung gegen alle Bedrohungen aus allen Richtungen zu gewährleisten. Die NATO wird weiterhin drei Kernaufgaben erfüllen: Abschreckung und Verteidigung; Krisenprävention und -bewältigung; und kooperative Sicherheit. Diese ergänzen sich, um die kollektive Verteidigung und Sicherheit aller Bündnispartner zu gewährleisten.
32. Abschreckung und Verteidigung sind das Herzstück des Bündnisses, das durch Artikel 5 des Washingtoner Vertrags und eine dauerhafte transatlantische Bindung untermauert wird. Wir modernisieren die NATO für eine neue Ära der kollektiven Verteidigung. Wir sind vereint in unserem Engagement und unserer Entschlossenheit, uns gegen jeden Aggressor durchzusetzen und jeden Zentimeter des alliierten Territoriums zu verteidigen.
33. Geleitet von unseren souveränen Entscheidungen und als Reaktion auf die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, bleiben wir wachsam und solidarisch zusammen, um eine substanzielle und anhaltende Präsenz unserer Streitkräfte im gesamten Bündnis zu Lande, in der Luft und auf See im Einklang mit unserem 360-Grad-Ansatz zu gewährleisten. Die Abschreckungs- und Verteidigungshaltung der NATO beruht auf einer angemessenen Mischung aus nuklearen, konventionellen und Raketenabwehrfähigkeiten, die durch Weltraum- und Cyberfähigkeiten ergänzt werden. Sie ist defensiv, verhältnismäßig und steht voll und ganz im Einklang mit unseren internationalen Verpflichtungen. Wir werden militärische und nichtmilitärische Instrumente in verhältnismäßiger, kohärenter und integrierter Weise einsetzen, um auf alle Bedrohungen unserer Sicherheit auf die Weise, den Zeitpunkt und den Bereich unserer Wahl zu reagieren.
34. Als Reaktion auf ein radikal verändertes Sicherheitsumfeld verstärken wir die kollektive Verteidigung der NATO gegen alle Bedrohungen aus allen Richtungen. Wir können die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Integrität der Bündnispartner nicht ausschließen. Seit 2014 und insbesondere auf dem Madrider Gipfel 2022 haben wir Beschlüsse gefasst, um unsere Haltung zu stärken und einen klaren Kurs für eine beschleunigte militärische Anpassung festzulegen. Wir haben uns heute auf bedeutende Maßnahmen geeinigt, um die Abschreckungs- und Verteidigungsposition der NATO in allen Bereichen weiter zu verbessern, einschließlich der Verstärkung der vorderen Verteidigung und der Fähigkeit des Bündnisses, jeden Bündnispartner, der bedroht wird, rasch zu verstärken. Wir werden diese Maßnahmen vollständig umsetzen und jedem potentiellen Gegner jede Möglichkeit zur Aggression verwehren. Wir haben:
35. Wir begrüßen die raschen Fortschritte auf dem Weg zur vollständigen Integration Finnlands in die Abschreckung und Verteidigung der NATO und sind übereingekommen, diesen Prozess so bald wie möglich abzuschließen.
36. Wir brauchen eine robuste und widerstandsfähige Verteidigungsindustrie, die in der Lage ist, den Bedarf an einer deutlich verstärkten kollektiven Verteidigung nachhaltig zu decken. Wir haben einen Aktionsplan für die Verteidigungsproduktion und seine Aktionspunkte gebilligt. Dieser Plan wird ein langfristiges Engagement der NATO im gesamten Bündnis auf der Grundlage der Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung und der inklusiven Teilhabe sicherstellen. Mit diesem Plan und zur Unterstützung der eigenen Prioritäten der Bündnispartner sind wir entschlossen, die Rolle des Bündnisses als Einberufer, Standardsetzer, Anforderungssetzer und -aggregator sowie als Wegbereiter für die Umsetzung zu nutzen, um nachhaltige industrielle Kapazitäten im Verteidigungsbereich zu fördern. Dies wird durch einen erneuten und dringenden Fokus auf Interoperabilität und eine Verbesserung der Materialnormung untermauert, um sicherzustellen, dass unsere Streitkräfte nahtlos zusammenarbeiten können, wobei der Schwerpunkt zunächst auf Landmunition liegt. Der Plan wird sicherstellen, dass wir die Verteidigungsindustrie im gesamten Bündnis, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, verstehen, dazu beitragen, die Nachfrage zu bündeln, um die Fähigkeitsziele der NATO zu erreichen, die multinationale Zusammenarbeit und eine flexiblere Beschaffung fördern und die Transparenz gegenüber der Industrie erhöhen.
37. Unsere robusten militärischen Fähigkeiten sind für die Abschreckung und Verteidigung der NATO von entscheidender Bedeutung. Wir investieren weiterhin verstärkt in fortschrittliche und interoperable Fähigkeiten in allen Bereichen, wobei wir besonderen Wert auf kampffähige, überwiegend schwere High-End-Streitkräfte und -Fähigkeiten legen. Diese werden den Erfordernissen der Verteidigungspläne und anderer Aufgaben der NATO entsprechen. Wir werden sicherstellen, dass diese Fähigkeiten mit Ressourcen ausgestattet werden, um das erforderliche hohe Maß an Bereitschaft aufrechtzuerhalten. Wir arbeiten weiter daran, die Verlegefähigkeit, Interoperabilität, Standardisierung, Reaktionsfähigkeit, Streitkräfteintegration und Unterstützung unserer Streitkräfte zu verbessern, um hochintensive Operationen, einschließlich Krisenreaktionsoperationen, in anspruchsvollen Umgebungen durchzuführen und aufrechtzuerhalten. Der NATO-Verteidigungsplanungsprozess spielt eine Schlüsselrolle bei der Aufteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten, und wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, unseren jeweiligen Anteil an den Fähigkeiten bereitzustellen, die das Bündnis zur Erfüllung seiner drei Kernaufgaben benötigt. Unsere Pläne zur Entwicklung von Fähigkeiten werden sicherstellen, dass wir unseren technologischen Vorsprung beibehalten, die Herausforderungen und Chancen erkennen, die sich aus neuen und disruptiven Technologien ergeben, und gleichzeitig deren rechtzeitige Integration sicherstellen. Wir haben auch beschlossen, unsere Bestände an bestimmter kampfentscheidender Munition deutlich zu erhöhen.
38. Wir werden die Fähigkeit des Bündnisses, jeden Verbündeten, der bedroht wird, rasch zu verstärken, weiter stärken und regelmäßig ausüben. Übungen sind ein wichtiges Mittel, um die Entschlossenheit und Fähigkeit des Bündnisses zu demonstrieren. Wir passen unsere Entscheidungsprozesse an und verschlanken sie, verbessern die Effektivität unseres Alarmierungs- und Reaktionssystems.
39. Wir werden einzeln und gemeinsam das gesamte Spektrum an Streitkräften, Fähigkeiten, Plänen, Ressourcen, Mitteln und Infrastrukturen bereitstellen, die für Abschreckung und Verteidigung erforderlich sind, einschließlich für hochintensive, bereichsübergreifende Kriegsführung gegen nuklear bewaffnete Konkurrenten. Dementsprechend werden wir die Ausbildung und Übungen verstärken, die konventionelle und für die betreffenden Bündnispartner eine nukleare Dimension einer Krise oder eines Konflikts simulieren und so eine größere Kohärenz zwischen konventionellen und nuklearen Komponenten der Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie der NATO in allen Bereichen und im gesamten Konfliktspektrum ermöglichen.
40. Wir haben unsere Anstrengungen sowohl auf nationaler Ebene als auch in der NATO beschleunigt, um die Befähigung des Zuständigkeitsbereichs der SACEUR, einschließlich der Logistik, sicherzustellen und unsere Fähigkeit zu verbessern, die Verstärkung und den Unterhalt der Streitkräfte der Bündnispartner in, quer durch und aus dem gesamten Bündnisgebiet zu unterstützen, auch durch die Vorpositionierung von Munition und Ausrüstung. Im Rahmen der Ermöglichung des Zuständigkeitsbereichs des SACEUR setzen wir unsere Arbeit an den Modalitäten der Verteilung der Treibstoffversorgung fort, da die rechtzeitige Bereitstellung von Treibstoff für die Streitkräfte der NATO, wo dies in Europa erforderlich ist, die Bereitschaft und Reaktionsfähigkeit des Bündnisses untermauert. Wir sind uns bewusst, dass das veränderte Sicherheitsumfeld eine größere Herausforderung für die kollektive Logistik des Bündnisses darstellt, und wir werden politische und militärische Anstrengungen unternehmen, um dieser Herausforderung zu begegnen, wobei wir anerkennen, dass eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung von angemessenen logistischen Kapazitäten abhängt. Eine wirksame militärische Mobilität ist für die Befähigung von entscheidender Bedeutung, und es sind weitere Fortschritte erforderlich. Die Anstrengungen zur Gewährleistung eines kohärenten Ansatzes und der Synergien zwischen der NATO und der EU im Bereich der militärischen Mobilität sollten fortgesetzt werden.
41. Die integrierte Luft- und Raketenabwehr der NATO (IAMD) ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung für eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung sowie für die unteilbare Sicherheit und Handlungsfreiheit des Bündnisses, einschließlich der Fähigkeit der NATO, die NATO zu stärken und strategisch zu reagieren. Die IAMD der NATO ist eine wesentliche und kontinuierliche Mission in Friedens-, Krisen- und Konfliktzeiten. Die IAMD der NATO umfasst alle Maßnahmen, die zur Abschreckung von Luft- und Raketenbedrohungen beitragen oder ihre Wirksamkeit zunichte machen oder verringern. Diese Mission wird in einem 360-Grad-Ansatz durchgeführt und ist auf alle Luft- und Raketenbedrohungen zugeschnitten, die von allen strategischen Richtungen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure ausgehen.
42. Die Stationierung der IAMD durch die Bündnispartner, auch an der Ostflanke als Reaktion auf die russische Aggression gegen die Ukraine, sowie Übungen und Schulungen zeugen von Solidarität und Entschlossenheit des Bündnisses. Auf der Grundlage des Strategischen Konzepts, der 2022 in Madrid vereinbarten neuen Ausgangsbasis für Abschreckung und Verteidigung und der neuen Generation von Verteidigungsplänen stärkt die NATO ihre IAMD weiter, indem sie die Bereitschaft, Reaktionsfähigkeit, Wirksamkeit und Interoperabilität der IAMD sowie die Verfügbarkeit des Luftraums verbessert. Die NATO und die Bündnispartner arbeiten weiter an der Verbesserung der IAMD-Fähigkeiten, wie z. B. Überwachung, Abfangjäger sowie Führung und Kontrolle. Wir werden weiterhin die immer vielfältigeren und anspruchsvolleren Bedrohungen aus der Luft und mit Raketen berücksichtigen, die von einfachen unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs) bis hin zu hochentwickelten Hyperschallraketen reichen.
43. Der grundlegende Zweck der nuklearen Fähigkeiten der NATO besteht darin, den Frieden zu wahren, Zwang zu verhindern und Aggressionen abzuschrecken. Atomwaffen sind einzigartig. Solange es Atomwaffen gibt, wird die NATO ein nukleares Bündnis bleiben. Das Ziel der NATO ist eine sicherere Welt für alle; Wir versuchen, ein Sicherheitsumfeld für eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Die Umstände, unter denen die NATO Atomwaffen einsetzen muss, sind äußerst unwahrscheinlich. Jeder Einsatz von Atomwaffen gegen die NATO würde das Wesen eines Konflikts grundlegend verändern. Das Bündnis verfügt über die Fähigkeiten und die Entschlossenheit, einem Gegner Kosten aufzuerlegen, die inakzeptabel wären und die Vorteile, die sich jeder Gegner erhoffen könnte, bei weitem überwiegen würden.
44. Die strategischen Nuklearstreitkräfte des Bündnisses, insbesondere die der Vereinigten Staaten, sind die höchste Garantie für die Sicherheit des Bündnisses. Die unabhängigen strategischen Nuklearstreitkräfte des Vereinigten Königreichs und Frankreichs haben eine eigene Abschreckungsfunktion und tragen erheblich zur allgemeinen Sicherheit des Bündnisses bei. Die unterschiedlichen Entscheidungszentren dieser Bündnispartner tragen zur Abschreckung bei, indem sie die Berechnungen potenzieller Gegner erschweren. Die nukleare Abschreckung der NATO beruht auch auf den Atomwaffen der Vereinigten Staaten, die in Europa stationiert sind. Die nationalen Beiträge der betreffenden Bündnispartner zu Flugzeugen mit doppelter Eignung sowie die Bereitstellung konventioneller Streitkräfte und militärischer Fähigkeiten zur Unterstützung der nuklearen Abschreckungsmission der NATO sind nach wie vor von zentraler Bedeutung für diese Bemühungen.
45. Die NATO wird alle erforderlichen Schritte unternehmen, um die Glaubwürdigkeit, Wirksamkeit und Sicherheit der nuklearen Abschreckungsmission zu gewährleisten. Dazu gehört die weitere Modernisierung der nuklearen Fähigkeiten der NATO und die Aktualisierung der Planungen, um die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Nuklearstreitkräfte des Bündnisses zu erhöhen und dabei jederzeit eine starke politische Kontrolle auszuüben. Das Bündnis bekräftigt die Notwendigkeit, die größtmögliche Beteiligung der betroffenen Bündnispartner an den nuklearen Lastenteilungsvereinbarungen der NATO sicherzustellen, um die Einheit und Entschlossenheit des Bündnisses zu demonstrieren.
46. Das Bündnis setzt sich für eine stärkere Integration und Kohärenz der Fähigkeiten und Tätigkeiten in allen Bereichen und im Konfliktspektrum ein und bekräftigt gleichzeitig die einzigartige und besondere Rolle der nuklearen Abschreckung. Die NATO wird weiterhin eine glaubwürdige Abschreckung aufrechterhalten, ihre strategische Kommunikation stärken, die Wirksamkeit ihrer Übungen verbessern und strategische Risiken verringern. Die NATO ist bereit und in der Lage, Aggressionen abzuschrecken und Eskalationsrisiken in einer Krise mit nuklearer Dimension zu bewältigen.
47. Die Raketenabwehr kann die Rolle von Kernwaffen bei der Abschreckung ergänzen; sie kann sie nicht ersetzen. Das Ziel und die politischen Grundsätze der NATO-Raketenabwehr (BMD) bleiben gegenüber dem Gipfel von Lissabon 2010 unverändert. Die NATO BMD ist rein defensiv ausgerichtet und zielt darauf ab, Bedrohungen durch ballistische Raketen abzuwehren, die von außerhalb des euro-atlantischen Raums ausgehen. Die Bündnispartner sind nach wie vor entschlossen, die NATO BMD in vollem Umfang zu entwickeln, die kollektive Verteidigung des Bündnisses fortzusetzen und allen europäischen Bevölkerungen, Gebieten und Streitkräften der NATO uneingeschränkten Schutz und Schutz vor der zunehmenden Bedrohung durch die Verbreitung ballistischer Flugkörper zu bieten.
48. Die NATO BMD stützt sich auf freiwillige nationale Beiträge, einschließlich der US-amerikanischen Mittel im Rahmen des europäischen phased adaptive approach in Rumänien, der Türkiye, Spanien und Polen sowie der NATO-BMD-Kommando- und Kontrollkomponente, der einzigen Komponente, die für eine gemeinsame Finanzierung in Betracht kommt. Zusätzliche freiwillige nationale Beiträge werden für Robustheit sorgen. Wir verpflichten uns, zusätzliche wesentliche Komponenten der NATO-BMD-Führung zu vervollständigen, die für das Erreichen des nächsten wichtigen Meilensteins vor dem Erreichen der vollen Einsatzfähigkeit erforderlich ist.
49. Strategische Stabilität, die durch wirksame Abschreckung und Verteidigung, Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie einen sinnvollen und gegenseitigen politischen Dialog erreicht wird, ist für unsere Sicherheit nach wie vor von entscheidender Bedeutung. Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung leisten einen wichtigen Beitrag zu den Zielen des Bündnisses. Die Anstrengungen der Bündnispartner in den Bereichen Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung zielen darauf ab, Risiken zu verringern und die Sicherheit, Transparenz, Überprüfung und Einhaltung von Vorschriften zu verbessern. Wir werden alle Elemente der strategischen Risikominderung verfolgen, einschließlich der Förderung von Vertrauensbildung und Berechenbarkeit durch Dialog, der Verbesserung des Verständnisses und der Einrichtung wirksamer Krisenmanagement- und Präventionsinstrumente. Diese Anstrengungen werden dem vorherrschenden Sicherheitsumfeld und der Sicherheit aller Bündnispartner Rechnung tragen und die Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie des Bündnisses ergänzen. Wir werden die NATO als Plattform für eingehende Diskussionen und enge Konsultationen über Rüstungskontrollbemühungen nutzen.
50. Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung haben einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Sicherheitsziele des Bündnisses und zur Gewährleistung der strategischen Stabilität und unserer kollektiven Sicherheit geleistet und sollten dies auch weiterhin tun. Die NATO kann auf eine lange Erfolgsbilanz zurückblicken, wenn es darum geht, ihren Beitrag zur Abrüstung und Nichtverbreitung zu leisten. Nach dem Ende des Kalten Krieges reduzierte die NATO die Zahl der in Europa stationierten Atomwaffen und ihre Abhängigkeit von Atomwaffen in der NATO-Strategie drastisch. Die Bündnispartner sind nach wie vor gemeinsam entschlossen, bestehende Vereinbarungen und Verpflichtungen in den Bereichen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung aufrechtzuerhalten und zu unterstützen. Wir werden Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung als Schlüsselelement der euro-atlantischen Sicherheit weiter stärken und dabei dem vorherrschenden Sicherheitsumfeld und der Sicherheit aller Bündnispartner Rechnung tragen.
51. Die Verstöße Russlands und die selektive Umsetzung seiner Verpflichtungen und Verpflichtungen im Bereich der Rüstungskontrolle haben zur Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage beigetragen. Wir verurteilen die angebliche Aussetzung des New-START-Vertrags durch Russland und die Nichteinhaltung seiner rechtsverbindlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag. Wir fordern Russland auf, zur vollständigen Umsetzung des Vertrags zurückzukehren sowie verantwortungsvoll zu handeln und sich konstruktiv für die Verringerung strategischer und nuklearer Risiken einzusetzen. Wir verurteilen auch die Entscheidung Russlands, sich aus dem wegweisenden Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa zurückzuziehen, der ein weiterer Beweis für die anhaltende Missachtung der Rüstungskontrolle durch Russland ist und die jüngste in einer Reihe von Maßnahmen zur Untergrabung der euro-atlantischen Sicherheit ist. Die Bündnispartner fordern Russland nachdrücklich auf, seinen Verpflichtungen nachzukommen und die verbleibende Zeit bis zum Rückzug zu nutzen, um seine Entscheidung zu überdenken. Die Bündnispartner werden weiterhin Konsultationen über die Auswirkungen des Rückzugs Russlands aus dem KSE-Vertrag und seine Auswirkungen auf die Sicherheit des Bündnisses durchführen.
52. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) ist nach wie vor das wesentliche Bollwerk gegen die Verbreitung von Kernwaffen. Sie ist der Eckpfeiler des globalen nuklearen Nichtverbreitungsregimes und der Abrüstungsarchitektur, der einzige glaubwürdige Weg zur nuklearen Abrüstung und der Rahmen für die internationale Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Nutzung von Kernenergie, Wissenschaft und Technologie. Die Bündnispartner setzen sich nach wie vor nachdrücklich für die vollständige Umsetzung des NVV in seinen drei Säulen, einschließlich Artikel VI, ein. Die Blockade des Konsenses durch Russland auf der Zehnten NVV-Überprüfungskonferenz war unverantwortlich. Wir rufen alle Vertragsstaaten des NVV auf, zusammenzuarbeiten, um den NVV im laufenden Überprüfungszyklus des NVV umzusetzen und zu stärken. Wir unterstreichen die dringende Notwendigkeit, den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen in Kraft zu setzen. Wir fordern die unverzügliche Aufnahme und den baldigen Abschluss der Verhandlungen in der Abrüstungskonferenz über einen Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material zur Verwendung in Kernwaffen oder anderen Sprengkörpern gemäß dem Bericht CD/1299 der Abrüstungskonferenz und dem darin enthaltenen Mandat. Wir rufen alle Staaten, die dies noch nicht getan haben, auf, freiwillige Moratorien für die Herstellung von spaltbarem Material für den Einsatz in Atomwaffen oder anderen nuklearen Sprengkörpern zu erklären und aufrechtzuerhalten.
53. Die NATO-Bündnispartner unterstützen das Endziel einer Welt ohne Kernwaffen in voller Übereinstimmung mit allen Bestimmungen des NVV, das auf wirksame und überprüfbare Weise erreicht wird, die die internationale Stabilität fördert und auf dem Grundsatz der unverminderten Sicherheit für alle beruht. Die nuklearen Lastenteilungsvereinbarungen der NATO standen stets voll und ganz im Einklang mit dem Atomwaffensperrvertrag.
54. Wir bekräftigen, dass der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW) im Widerspruch zur nuklearen Abschreckungspolitik des Bündnisses steht, mit ihr unvereinbar und unvereinbar ist, im Widerspruch zur bestehenden Nichtverbreitungs- und Abrüstungsarchitektur steht, den NVV zu untergraben droht und dem derzeitigen Sicherheitsumfeld nicht Rechnung trägt. Der Atomwaffenverbotsvertrag ändert nichts an den rechtlichen Verpflichtungen unserer Länder in Bezug auf Atomwaffen. Wir akzeptieren kein Argument, dass der Atomwaffenverbotsvertrag die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts widerspiegelt oder in irgendeiner Weise dazu beiträgt. Wir appellieren an unsere Partner und alle anderen Länder, realistisch über die Auswirkungen des Verbotsvertrags auf den Weltfrieden und die internationale Sicherheit, einschließlich des Atomwaffensperrvertrags, nachzudenken und gemeinsam mit uns an der Verbesserung der kollektiven Sicherheit durch greifbare und überprüfbare Maßnahmen zu arbeiten, die strategische Risiken verringern und dauerhafte Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung ermöglichen können.
55. Die VR China baut ihr Nukleararsenal rasch aus und diversifiziert es mit mehr Sprengköpfen und einer größeren Zahl ausgeklügelter Trägersysteme, um eine nukleare Triade zu schaffen, während sie es versäumt, sich in nennenswerter Transparenz oder in gutem Glauben um nukleare Rüstungskontrolle oder Risikominderung zu bemühen. Wir lehnen jeden Versuch ab, unter dem Deckmantel ziviler Programme Plutonium für militärische Programme zu produzieren oder zu unterstützen, was die Ziele des NVV untergräbt. Wir fordern die VR China nachdrücklich auf, sich an strategischen Gesprächen über die Risikominderung zu beteiligen und die Stabilität durch größere Transparenz in Bezug auf ihre Kernwaffenpolitik, -pläne und -fähigkeiten zu fördern.
56. Wir bekräftigen unsere klare Entschlossenheit, dass der Iran niemals eine Atomwaffe entwickeln darf. Wir sind nach wie vor zutiefst besorgt über die Eskalation des iranischen Atomprogramms. Wir fordern Iran auf, seinen rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen seines im Atomwaffensperrvertrag vorgeschriebenen Sicherungsabkommens und seinen politischen Verpflichtungen in Bezug auf die Nichtverbreitung von Kernwaffen unverzüglich nachzukommen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen und Verpflichtungen durch den Iran ist von entscheidender Bedeutung, damit die IAEO glaubwürdige Zusicherungen über den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms geben kann. Wir fordern Iran auch auf, alle Aktivitäten mit ballistischen Raketen einzustellen, die mit der Resolution 2231 des VN-Sicherheitsrats unvereinbar sind.
57. Wir verurteilen aufs Schärfste die Massenvernichtungswaffen- und ballistischen Raketenprogramme der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK), die gegen mehrere Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstoßen. Wir bekräftigen, dass die DVRK ihre Kernwaffen und bestehenden Nuklearprogramme sowie alle anderen Massenvernichtungswaffen- und ballistischen Raketenprogramme vollständig, überprüfbar und unumkehrbar aufgeben muss. Wir fordern die DVRK nachdrücklich auf, zu den Sicherheitsvorkehrungen des Atomwaffensperrvertrags und der IAEO zurückzukehren und diese uneingeschränkt einzuhalten. Wir rufen die DVRK auf, die wiederholten Dialogangebote aller betroffenen Parteien, einschließlich Japans, der Vereinigten Staaten und der Republik Korea, anzunehmen.
58. Der potenzielle Einsatz von chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen (CBRN) Materialien oder Waffen gegen die NATO durch feindliche staatliche und nichtstaatliche Akteure ist nach wie vor eine zentrale und sich entwickelnde Bedrohung für unsere Sicherheit. Wir setzen die neue CBRN-Verteidigungspolitik der NATO um, wie sie auf dem Madrider Gipfel vereinbart wurde, und investieren in die militärischen Fähigkeiten, die erforderlich sind, um in jedem Umfeld wirksam zu operieren, zu kämpfen und sich durchzusetzen und unsere nationale und kollektive Widerstandsfähigkeit gegen CBRN-Risiken und -Bedrohungen zu gewährleisten.
59. Die NATO schützt die Freiheit und Sicherheit aller ihrer Mitglieder sowohl mit politischen als auch mit militärischen Mitteln. Das sich wandelnde Sicherheitsumfeld erfordert zunehmend, dass die NATO einen strukturierten und maßgeschneiderten Ansatz verfolgt, der nichtmilitärische und militärische Instrumente in bewusster, kohärenter und nachhaltiger Weise einsetzt, und zwar im gesamten Spektrum von Frieden, Krisen und Konflikten. Die NATO setzt eine Vielzahl nichtmilitärischer Instrumente ein, die die drei Kernaufgaben des Bündnisses unterstützen. Sie dient auch weiterhin als Plattform für die Verbesserung der kohärenten Nutzung dieser Instrumente durch die Bündnispartner unter ihrer eigenen Autorität und Kontrolle und zusammen mit anderen internationalen Akteuren. Wir werden die effektive, klare und überzeugende strategische Kommunikation weiter stärken.
60. In dem Maße, in dem der Krieg in Europa das Wesen des euro-atlantischen Sicherheitsumfelds grundlegend verändert hat, ist die Betonung der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse noch stärker in den Vordergrund gerückt und für die Entscheidungsfindung und strategische Planung des Bündnisses von wesentlicher Bedeutung. Der Wert des NATO-Nachrichtendienstes ergibt sich in erster Linie daraus, dass die Nachrichten- und Sicherheitsdienste des Bündnisses eng zusammenarbeiten, um Erkenntnisse auszutauschen und weiterhin sicherzustellen, dass das Bündnis über ein umfassendes Verständnis der globalen strategischen Lage verfügt. Zu diesem Zweck werden die nachrichtendienstlichen Fähigkeiten der Bündnispartner dazu beitragen, das Verständnis der NATO für die Bedrohungen, Risiken und Herausforderungen zu verbessern und unsere bedeutenden und vielfältigen Analysefähigkeiten zu optimieren. Wir werden unsere nachrichtendienstliche Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses und gegebenenfalls mit Partnern verstärken. Die NATO und ihre Bündnispartner werden ihre Maßnahmen zur Sicherheits- und Spionageabwehr verstärken, um wirksam auf feindliche nachrichtendienstliche Aktivitäten reagieren zu können.
61. Nationale und kollektive Resilienz sind eine wesentliche Grundlage für eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung und die wirksame Erfüllung der Kernaufgaben des Bündnisses und von entscheidender Bedeutung für unsere Bemühungen um den Schutz unserer Gesellschaften, unserer Bevölkerungen und unserer gemeinsamen Werte. Resilienz ist eine nationale Verantwortung und eine kollektive Verpflichtung, die in Artikel 3 des Washingtoner Vertrags verankert ist. Heute haben wir uns auf die Resilienzziele des Bündnisses für 2023 geeinigt. Wir bauen auf dem Strengthened Resilience Commitment 2021 auf. Die Resilienzziele werden die Bereitschaft der NATO und der Bündnispartner gegen strategische Schocks und Störungen stärken. Sie werden unsere nationale und kollektive Fähigkeit stärken, die Kontinuität der Regierung und der wesentlichen Dienstleistungen für unsere Bevölkerung zu gewährleisten, und die zivile Unterstützung militärischer Operationen in Frieden, Krisen und Konflikten ermöglichen. Die Bündnispartner werden diese Ziele als Richtschnur für die Entwicklung ihrer nationalen Ziele und Umsetzungspläne im Einklang mit ihrem jeweiligen nationalen Risikoprofil verwenden. Darüber hinaus werden wir darauf hinarbeiten, strategische Schwachstellen und Abhängigkeiten zu identifizieren und zu mindern, auch in Bezug auf unsere kritischen Infrastrukturen, Lieferketten und Gesundheitssysteme. Die Bündnispartner sollten auch die gesellschaftliche Resilienz fördern. Während wir unsere Anstrengungen zur Stärkung der Resilienz verstärken, werden wir weiterhin mit unseren Partnern zusammenarbeiten, die ähnliche Anstrengungen unternehmen, insbesondere mit der Europäischen Union, um den euro-atlantischen Raum und unsere weitere Nachbarschaft sicherer zu machen. Die Handlungen, Verpflichtungen und rechtlichen Verpflichtungen einzelner Bündnispartner in anderen internationalen Gremien tragen ebenfalls dazu bei, unsere Resilienz zu stärken.
62. Die Fähigkeit des Bündnisses, seine Kernaufgaben zu erfüllen, hängt zunehmend von der Einführung digitaler Technologien ab. Wir sind uns der Dringlichkeit einer digital transformierten Allianz bewusst und haben eine Strategie zur Umsetzung der digitalen Transformation verabschiedet, um unsere Fähigkeit zu untermauern, Multi-Domain-Operationen durchzuführen, die Interoperabilität über alle Bereiche hinweg zu fördern, das Situationsbewusstsein und die politische Konsultation zu verbessern und datengesteuerte Entscheidungen zu treffen.
63. Neue und disruptive Technologien bergen sowohl Chancen als auch Risiken. Sie verändern den Charakter von Konflikten, gewinnen an strategischer Bedeutung und werden zu Schlüsselarenen des globalen Wettbewerbs. Die operative Bedeutung von EDTs sowie des Zugangs zu und der Anpassung kommerzieller Technologien an den laufenden Betrieb wurden im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hervorgehoben. Die strategischen Konkurrenten und potenziellen Gegner der NATO investieren massiv in Technologien, die hochwirksam sein können, insbesondere bei bösartigen hybriden Aktivitäten, und in Konflikten entscheidend sein können. Wir beschleunigen unsere eigenen Anstrengungen, um sicherzustellen, dass das Bündnis seinen technologischen Vorsprung bei neu entstehenden und disruptiven Technologien beibehält, um unsere Interoperabilität und unseren militärischen Vorsprung zu wahren, auch durch Dual-Use-Lösungen. Wir arbeiten zusammen, um neue Technologien einzuführen und zu integrieren, mit dem Privatsektor zu kooperieren, unsere Innovationsökosysteme zu schützen, Standards zu gestalten und uns zu Prinzipien der verantwortungsvollen Nutzung zu verpflichten, die unsere demokratischen Werte und Menschenrechte widerspiegeln. Wir werden sicherstellen, dass wir im Einklang mit dem Völkerrecht handeln und versuchen, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken. Der Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic (DIANA) der NATO hat jetzt seine ersten Herausforderungen für Start-ups in NATO-Ländern gestartet. Um unser transatlantisches Innovationsökosystem weiterzuentwickeln, wird der NATO Innovation Fund, der weltweit erste länderübergreifende Risikokapitalfonds, in den kommenden Monaten damit beginnen, in Deep-Tech zu investieren. Ergänzend zu den kürzlich vereinbarten Strategien für künstliche Intelligenz und Autonomie wird die NATO weitere Strategien für neu auftretende und disruptive Schlüsseltechnologien entwickeln, unter anderem für Quantentechnologien sowie für Biotechnologie und Human Enhancement, um den Chancen und Risiken, die sie mit sich bringen, zu begegnen.
64. Wir sehen uns nach wie vor mit zunehmenden hybriden Bedrohungen und Herausforderungen durch staatliche und nichtstaatliche Akteure konfrontiert, die hybride Aktivitäten, unter anderem durch Einmischung und den schädlichen Einsatz von Technologien, nutzen, um unsere politischen Institutionen, unsere kritischen Infrastrukturen, unsere Gesellschaften, unsere demokratischen Systeme, unsere Volkswirtschaften und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ins Visier zu nehmen. Wir sind uns weiterhin einig, wenn es darum geht, unsere offenen und demokratischen Gesellschaften gegen diese bösartigen Aktivitäten zu verteidigen. Wir bekräftigen, dass hybride Operationen gegen die Bündnispartner das Niveau eines bewaffneten Angriffs erreichen und den Rat dazu veranlassen könnten, sich auf Artikel 5 des Washingtoner Vertrags zu berufen. Wir werden uns weiterhin auf hybride Bedrohungen vorbereiten, sie abschrecken, abwehren und ihnen entgegenwirken, unter anderem durch den möglichen Einsatz von Counter Hybrid Support Teams. Wir entwickeln weiterhin umfassende Präventions- und Reaktionsoptionen und sind bereit, diese anzuwenden, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und böswillige Akteure davon abzuhalten, sich an hybriden Operationen zu beteiligen. Einzelne Bündnispartner können gegebenenfalls in Erwägung ziehen, hybride Tätigkeiten zuzuordnen und koordiniert zu reagieren, wobei sie anerkennen, dass die Zuordnung ein souveränes nationales Vorrecht ist. Wir werden weiterhin gegen Desinformation und Fehlinformationen vorgehen, unter anderem durch positive und wirksame strategische Kommunikation. Wir werden unsere Partner auch weiterhin dabei unterstützen, ihre Resilienz gegenüber hybriden Herausforderungen zu stärken.
65. Die Bedrohung kritischer Unterwasserinfrastrukturen ist real und entwickelt sich weiter. Wir verpflichten uns, strategische Schwachstellen und Abhängigkeiten in Bezug auf unsere kritische Infrastruktur zu identifizieren und zu mindern sowie uns auf den erzwungenen Einsatz von Energie und andere hybride Taktiken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure vorzubereiten, abzuschrecken und abzuwehren. Jeder vorsätzliche Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner wird mit einer vereinten und entschlossenen Antwort beantwortet werden. Dies gilt auch für kritische Unterwasserinfrastrukturen. Der Schutz kritischer Unterwasserinfrastrukturen im Hoheitsgebiet der Bündnispartner liegt nach wie vor in der nationalen Verantwortung und ist eine kollektive Verpflichtung. Die NATO ist bereit, die Bündnispartner zu unterstützen, wenn dies ersucht wird. Wir haben uns darauf geeinigt, das Maritime Zentrum der NATO für die Sicherheit kritischer Unterwasserinfrastrukturen innerhalb des Maritime Command (MARCOM) der NATO einzurichten. Wir haben uns auch darauf geeinigt, ein Netzwerk einzurichten, das die NATO, die Bündnispartner, den Privatsektor und andere einschlägige Akteure zusammenbringt, um den Informationsaustausch und den Austausch bewährter Verfahren zu verbessern.
66. Der Cyberspace ist zu jeder Zeit umstritten, da Bedrohungsakteure zunehmend versuchen, das Bündnis durch böswillige Cyberaktivitäten und -kampagnen zu destabilisieren. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, wie sehr Cyber ein Merkmal moderner Konflikte ist. Wir begegnen den erheblichen, kontinuierlichen und zunehmenden Cyberbedrohungen, auch für unsere demokratischen Systeme und unsere kritische Infrastruktur, aber auch dort, wo sie Teil hybrider Kampagnen sind. Wir sind entschlossen, das gesamte Spektrum an Fähigkeiten einzusetzen, um das gesamte Spektrum von Cyberbedrohungen abzuschrecken, abzuwehren und zu bekämpfen, auch durch die Berücksichtigung kollektiver Reaktionen. Eine einzelne oder kumulative Reihe böswilliger Cyberaktivitäten könnte das Ausmaß eines bewaffneten Angriffs erreichen und den Nordatlantikrat dazu veranlassen, sich von Fall zu Fall auf Artikel 5 des Washingtoner Vertrags zu berufen. Wir verpflichten uns weiterhin, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu handeln, einschließlich der UN-Charta, des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen. Wir setzen uns weiterhin für einen freien, offenen, friedlichen und sicheren Cyberraum ein und setzen unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Stabilität und zur Verringerung des Konfliktrisikos fort, indem wir die Achtung des Völkerrechts sicherstellen und freiwillige Normen für verantwortungsvolles staatliches Verhalten im Cyberraum unterstützen. Heute befürworten wir ein neues Konzept, um den Beitrag der Cyberabwehr zu unserer allgemeinen Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie zu verbessern. Sie wird die drei Cyberabwehrebenen der NATO – politische, militärische und technische – weiter integrieren, um die zivil-militärische Zusammenarbeit in Friedens-, Krisen- und Konfliktzeiten jederzeit zu gewährleisten und gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu gewährleisten. Dies wird unser gemeinsames Situationsbewusstsein verbessern. Die Stärkung unserer Cyber-Resilienz ist von entscheidender Bedeutung, um unser Bündnis sicherer zu machen und besser in der Lage zu sein, das Potenzial erheblicher Schäden durch Cyberbedrohungen zu mindern. Heute bekräftigen und verbessern wir unser Versprechen zur Cyberabwehr und haben uns zu ehrgeizigen neuen nationalen Zielen verpflichtet, um unsere nationale Cyberabwehr vorrangig weiter zu stärken, einschließlich kritischer Infrastrukturen. Wir haben die neue Virtual Cyber Incident Support Capability (VCISC) der NATO ins Leben gerufen, um die nationalen Bemühungen zur Eindämmung erheblicher böswilliger Cyberaktivitäten zu unterstützen. Dies gibt den Verbündeten ein zusätzliches Werkzeug zur Unterstützung an die Hand. Wir werden uns ferner bemühen, gegebenenfalls für beide Seiten vorteilhafte und wirksame Partnerschaften zu entwickeln, auch mit Partnerländern, internationalen Organisationen, der Industrie und der Wissenschaft, um unsere Bemühungen um die Verbesserung der internationalen Stabilität im Cyberraum zu verstärken. Ergänzend zu unserem bestehenden Austausch werden wir im November die erste umfassende NATO-Cyberabwehrkonferenz in Berlin abhalten, an der Entscheidungsträger auf politischer, militärischer und technischer Ebene teilnehmen werden.
67. Der Weltraum spielt eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und den Wohlstand unserer Nationen. Der Weltraum ist auch ein zunehmend umkämpfter Bereich, der durch unverantwortliches Verhalten, böswillige Aktivitäten und die Zunahme der Fähigkeiten der NATO-Gegner und strategischen Konkurrenten zur Abwehr des Raums gekennzeichnet ist. Die Aufrechterhaltung einer sicheren Nutzung und des ungehinderten Zugangs zum Weltraum ist der Schlüssel zu einer wirksamen Abschreckung und Verteidigung. Im Rahmen unserer Arbeit zum Weltraum als operativem Bereich beschleunigen wir die Integration des Weltraums in die Planung, Ausübung und Durchführung gemeinsamer und domänenübergreifender Operationen in Friedens-, Krisen- und Konfliktzeiten, um sicherzustellen, dass die Auswirkungen des Weltraums in allen Bereichen koordiniert werden. Wir haben uns verpflichtet, den Austausch unserer Weltraumdaten, -produkte und -dienstleistungen innerhalb der NATO zu verbessern, um die Anforderungen und Verteidigungspläne des Bündnisses zu unterstützen. Wir begrüßen die laufenden Anstrengungen im Rahmen des multinationalen Programms "Dauerhafte Überwachung aus dem Weltraum" (APSS) des Bündnisses, mit dem die nachrichtendienstlichen, Überwachungs- und Aufklärungskapazitäten der NATO verbessert werden. Wir begrüßen die Einrichtung des NATO-Exzellenzzentrums für die Raumfahrt in Frankreich. Die Bündnispartner verpflichten sich, das Völkerrecht zu wahren, und wir werden die internationalen Bemühungen zur Verringerung der Bedrohungen durch den Weltraum weiterhin unterstützen, indem wir Normen, Regeln und Grundsätze für verantwortungsvolles Verhalten im Weltraum fördern. Wir bekräftigen, dass feindliche Operationen in, aus oder innerhalb des Weltraums das Niveau eines bewaffneten Angriffs erreichen und den Nordatlantikrat dazu veranlassen könnten, sich auf Artikel 5 des Washingtoner Vertrags zu berufen.
68. Die Energieversorgungssicherheit spielt eine wichtige Rolle für unsere gemeinsame Sicherheit. Die von Russland absichtlich verschärfte Energiekrise hat die Bedeutung einer stabilen und zuverlässigen Energieversorgung und der Diversifizierung von Routen, Lieferanten und Quellen unterstrichen. Wir werden die Kapazitäten der NATO zur Unterstützung der nationalen Behörden beim Schutz kritischer Energieinfrastrukturen weiter ausbauen. Wir setzen uns für eine sichere, widerstandsfähige und nachhaltige Energieversorgung unserer Streitkräfte ein. Während wir unser Bündnis an die laufende Energiewende anpassen, werden wir militärische Fähigkeiten, Wirksamkeit und Interoperabilität sicherstellen. Die Bündnispartner bemühen sich um eine Diversifizierung ihrer Energieversorgung im Einklang mit ihren Bedürfnissen und Bedingungen und werden dies auch weiterhin tun.
69. Der Klimawandel ist eine entscheidende Herausforderung mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Sicherheit des Bündnisses für heutige und künftige Generationen. Es bleibt ein Bedrohungsmultiplikator. Die NATO ist entschlossen, die führende internationale Organisation zu werden, wenn es darum geht, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit zu verstehen und sich daran anzupassen. Wir werden uns weiterhin mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Verteidigung und Sicherheit befassen, unter anderem durch die Entwicklung innovativer strategischer Analyseinstrumente. Wir werden die Erwägungen des Klimawandels in alle Kernaufgaben der NATO einbeziehen und unsere Infrastruktur, militärischen Fähigkeiten und Technologien so anpassen, dass sie die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Einsatzumgebungen gewährleisten. Um einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten, verpflichten wir uns, die Treibhausgasemissionen der politischen und militärischen Strukturen und Einrichtungen der NATO erheblich zu senken. Wir werden auch zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen, indem wir die Energieeffizienz verbessern, den Übergang zu sauberen Energiequellen vollziehen und innovative saubere Technologien der nächsten Generation nutzen, während wir gleichzeitig militärische Wirksamkeit und eine glaubwürdige Abschreckungs- und Verteidigungshaltung gewährleisten. Wir werden unseren Austausch mit Partnerländern, der Wissenschaft sowie anderen internationalen und regionalen Organisationen, die sich für Klimawandel und Sicherheit einsetzen, weiter stärken. Wir begrüßen die Einrichtung eines NATO-Kompetenzzentrums für Klimawandel und Sicherheit in Montreal.
70. Wir verpflichten uns, die Agenden "Menschliche Sicherheit" und "Frauen, Frieden und Sicherheit" in alle unsere Kernaufgaben einzubeziehen. Wir werden weiterhin darauf hinarbeiten, dieses Ziel durch solide Strategien und klare operative Leitlinien vollständig zu operationalisieren, um unsere operative Effizienz zu verbessern und Synergien zwischen den zivilen und militärischen Strukturen zu gewährleisten. Dabei arbeiten wir mit Partnern, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammen. Wir bekräftigen unser Bekenntnis zu einer ehrgeizigen Agenda für menschliche Sicherheit. Unser Human Security Approach and Guiding Principles ermöglicht es uns, eine umfassendere Sicht auf die menschliche Umwelt zu entwickeln und so zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit beizutragen. Heute befürworten wir eine NATO-Politik zu Kindern und bewaffneten Konflikten sowie eine aktualisierte Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels. Zu unserer kontinuierlichen Arbeit im Bereich der menschlichen Sicherheit gehört auch der Schutz von Kulturgütern.
71. Wir erkennen an, dass die uneingeschränkte, gleichberechtigte und sinnvolle Teilhabe von Frauen an allen Aspekten von Frieden und Stabilität von entscheidender Bedeutung ist, und stellen fest, dass Konflikte unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen und Mädchen haben, auch durch konfliktbedingte sexuelle Gewalt. Wir werden unsere Politik in den Bereichen Frauen, Frieden und Sicherheit konsequent umsetzen, und in diesem Zusammenhang werden wir die Gleichstellung der Geschlechter vorantreiben, Geschlechterperspektiven integrieren und die Grundsätze der Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit fördern, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in all unseren Aktivitäten dargelegt hat, auch bei NATO-Operationen, Missionen, Aktivitäten und unserer Arbeit an neuen Herausforderungen. Wir werden die Politik der NATO in den Bereichen Frauen, Frieden und Sicherheit bewerten und aktualisieren.
72. Die Partnerschaften der NATO sind und bleiben für die Arbeitsweise der NATO von wesentlicher Bedeutung. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der drei Kernaufgaben der NATO und unseres 360-Grad-Sicherheitsansatzes. Wir danken unseren Partnern für ihre bedeutenden Beiträge zur Lageerfassung, zu Operationen, Missionen und Aktivitäten der NATO, einschließlich der Projekte des Treuhandfonds. Das aktuelle Sicherheitsumfeld unterstreicht die Bedeutung von Partnerschaften. Sie sind von entscheidender Bedeutung, um die globalen Gemeingüter zu schützen und unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken. Wir werden unsere Beziehungen zu Partnern stärken, die die Werte und das Interesse des Bündnisses an der Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung teilen. Wir werden den politischen Dialog und die praktische Zusammenarbeit mit den Partnern auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts, des Nutzens und des Interesses sowohl der Bündnispartner als auch der Partner weiter stärken. Dies trägt zur Stabilität über unsere Grenzen hinaus bei und erhöht unsere Sicherheit zu Hause. Wir werden die Kontakte zu Ländern in unserer weiteren Nachbarschaft und auf der ganzen Welt verstärken und offen für die Zusammenarbeit mit jedem Land oder jeder Organisation bleiben, wenn dies unsere gegenseitige Sicherheit stärken könnte. Wir halten uns weiterhin an die Grundsätze, die unseren Beziehungen zu unseren Partnern zugrunde liegen, und haben Schritte unternommen, um unsere Partnerschaften strategischer, kohärenter und effektiver zu gestalten. Wir werden gemeinsame Ansätze für globale Sicherheitsherausforderungen erörtern, bei denen die Interessen der NATO berührt werden, Perspektiven durch ein vertieftes politisches Engagement austauschen und nach konkreten Bereichen für die Zusammenarbeit suchen, um gemeinsame Sicherheitsbedenken anzugehen. Im Einklang mit unserem Aktionsplan für den umfassenden Ansatz werden wir weiterhin die Kohärenz innerhalb der eigenen Instrumente und Arbeitsbereiche der NATO, das abgestimmte Vorgehen mit Partnernationen und -organisationen wie den Vereinten Nationen, der EU und der OSZE sowie den weiteren Dialog mit Nichtregierungsorganisationen anstreben.
73. Die Europäische Union ist nach wie vor ein einzigartiger und wesentlicher Partner der NATO. Unsere strategische Partnerschaft ist für die Sicherheit und den Wohlstand unserer Nationen und des euro-atlantischen Raums von entscheidender Bedeutung. Sie beruht auf unseren gemeinsamen Werten, unserer Entschlossenheit, gemeinsame Herausforderungen anzugehen, und unserem unmissverständlichen Bekenntnis zur Förderung und Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand. Die NATO erkennt den Wert einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Verteidigung an, die einen positiven Beitrag zur transatlantischen und globalen Sicherheit leistet und die NATO ergänzt und mit ihr interoperabel ist. Die Entwicklung kohärenter, komplementärer und interoperabler Verteidigungsfähigkeiten, die unnötige Doppelarbeit vermeiden, ist von entscheidender Bedeutung für unsere gemeinsamen Bemühungen, den euro-atlantischen Raum sicherer zu machen. Solche Bemühungen, einschließlich der jüngsten Entwicklungen, werden zu einer stärkeren NATO führen, dazu beitragen, unsere gemeinsame Sicherheit zu verbessern, zur transatlantischen Lastenteilung beitragen, zur Bereitstellung der erforderlichen Fähigkeiten beitragen und eine allgemeine Erhöhung der Verteidigungsausgaben unterstützen. Bündnispartner, die nicht der EU angehören, leisten nach wie vor einen bedeutenden Beitrag zu den Bemühungen der EU, ihre Kapazitäten zur Bewältigung gemeinsamer Sicherheitsherausforderungen zu stärken. Für die strategische Partnerschaft zwischen der NATO und der EU ist eine umfassende Beteiligung der Nicht-EU-Bündnispartner an den Verteidigungsbemühungen der EU von entscheidender Bedeutung. Wir freuen uns auf gemeinsame Schritte in diesem Bereich, die greifbare Fortschritte darstellen, um eine gestärkte strategische Partnerschaft zu unterstützen. Wir bekräftigen in vollem Umfang alle Beschlüsse, Grundsätze und Verpflichtungen im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU. Wir werden diese Partnerschaft im Geiste der gegenseitigen Offenheit, Transparenz, Komplementarität und der Achtung der unterschiedlichen Mandate, der Entscheidungsautonomie und der institutionellen Integrität der Organisationen und im Einklang mit den Vereinbarungen der beiden Organisationen weiter stärken.
74. Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU an Bedeutung gewonnen. Wir haben unmissverständlich gezeigt, dass wir ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Entschlossenheit haben, indem wir unsere komplementären, kohärenten und sich gegenseitig verstärkenden Rollen nutzen. Die NATO und die EU werden die Ukraine weiterhin unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Einrichtung der eigens für die Ukraine zuständigen Personalkoordinierung zwischen der NATO und der EU. Wir haben auch greifbare Ergebnisse in der strategischen Kommunikation erzielt, einschließlich der Bekämpfung von Desinformation, der Abwehr hybrider und Cyber-Bedrohungen, Übungen, operativer Zusammenarbeit, Verteidigungsfähigkeiten, Verteidigungsindustrie und -forschung, Terrorismusbekämpfung sowie Aufbau von Verteidigungs- und Sicherheitskapazitäten. Wir bauen unsere Zusammenarbeit in den Bereichen Resilienz, Schutz kritischer Infrastrukturen, neue und disruptive Technologien, Raumfahrt, sicherheitspolitische Auswirkungen des Klimawandels und geostrategischen Wettbewerb weiter aus. Wir werden uns auch weiterhin mit den systemischen Herausforderungen befassen, die die VR China für die euro-atlantische Sicherheit mit sich bringt. Der politische Dialog zwischen der NATO und der EU ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, um die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU voranzubringen.
75. Der Westbalkan ist eine Region von strategischer Bedeutung für die NATO, wie unsere lange Geschichte der Zusammenarbeit und der Operationen zeigt. Wir setzen uns weiterhin nachdrücklich für die Sicherheit und Stabilität des Westbalkans ein, indem wir Reformen unterstützen, die die jeweiligen NATO- und EU-Bestrebungen der Länder in der Region voranbringen. Wir werden unseren politischen Dialog und unsere praktische Zusammenarbeit weiter ausbauen, um Reformen, Frieden und Sicherheit in der Region zu unterstützen und böswilligen Einfluss, einschließlich Desinformation, hybriden und Cyberbedrohungen, die sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, entgegenzuwirken. Die Region erfordert die anhaltende Aufmerksamkeit und das Engagement des Bündnisses und der internationalen Gemeinschaft, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Demokratische Werte, Rechtsstaatlichkeit, innenpolitische Reformen und gutnachbarliche Beziehungen sind für die regionale Zusammenarbeit und die euro-atlantische Integration von entscheidender Bedeutung, und wir hoffen auf weitere Fortschritte in dieser Hinsicht.
76. Die NATO unterstützt nachdrücklich die Souveränität und territoriale Unversehrtheit eines stabilen und sicheren Bosnien und Herzegowina im Einklang mit dem Allgemeinen Rahmenübereinkommen für den Frieden in Bosnien und Herzegowina und anderen einschlägigen internationalen Übereinkünften. Wir ermutigen zur innenpolitischen Versöhnung und fordern die politischen Führer auf, spaltende und sezessionistische Rhetorik und Handlungen zu unterlassen. Wir bleiben den euro-atlantischen Bestrebungen des Landes verpflichtet. Wir unterstützen weiterhin die Reformbemühungen, unter anderem durch das neu vereinbarte Paket zum Aufbau von Verteidigungskapazitäten, das NATO-Hauptquartier in Sarajevo und weitreichende Instrumente für die Zusammenarbeit im Sicherheits- und Partnerschaftsbereich sowie durch das Reformprogramm des Landes mit der NATO. Wir ermutigen Bosnien und Herzegowina, die Unterstützung der NATO in Anspruch zu nehmen und die Anstrengungen zu intensivieren, um Fortschritte bei den Reformen in Schlüsselbereichen zu erzielen, einschließlich der dringend benötigten Reformen in den Bereichen Politik, Wahlen, Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaft und Verteidigung, unbeschadet einer endgültigen Entscheidung über die NATO-Mitgliedschaft.
77. Die Stärkung der Beziehungen zwischen der NATO und Serbien wäre für das Bündnis, für Serbien und für die gesamte Region von Vorteil. Wir erwarten von Serbien, dass es mit der NATO und ihren Nachbarn konstruktiv zusammenarbeitet, auch in seinen öffentlichen Mitteilungen über die gegenseitigen Vorteile der Zusammenarbeit zwischen der NATO und Serbien. Wir unterstützen den von der EU geförderten Dialog und andere Bemühungen, die auf die Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina abzielen, und fordern die Seiten auf, die Gunst der Stunde zu nutzen und sich in gutem Glauben für eine dauerhafte politische Lösung einzusetzen. Wir rufen beide Seiten auf, unverzüglich zu deeskalieren, zum Dialog zurückzukehren und sich konstruktiv an der Umsetzung des Abkommens über den Weg zur Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina zu beteiligen, das kürzlich in Brüssel und Ohrid getroffen wurde.
78. Wir setzen uns nach wie vor für das fortgesetzte Engagement der NATO im Kosovo ein, unter anderem durch die NATO-geführte Kosovo-Truppe (KFOR). Die KFOR wird im Einklang mit der Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrats weiterhin für ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit im Kosovo sorgen. Die jüngsten Eskalationsmaßnahmen sind inakzeptabel, und wir verurteilen die Gewalt im Norden des Kosovo sowie die unprovozierten Angriffe, bei denen NATO-Soldaten schwer verletzt wurden. Wir haben die Truppenpräsenz der KFOR erhöht, um auf die immer wiederkehrenden Spannungen zu reagieren. Alle Änderungen an unserer Truppenaufstellung in der KFOR bleiben bedingungsbasiert und nicht kalendergesteuert.
79. Die Schwarzmeerregion ist für das Bündnis von strategischer Bedeutung. Dies wird durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine noch deutlicher. Wir unterstreichen unsere anhaltende Unterstützung für die regionalen Bemühungen der Bündnispartner zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, der Stabilität und der Freiheit der Schifffahrt in der Schwarzmeerregion, gegebenenfalls auch durch das Montreux-Übereinkommen von 1936. Wir werden die Entwicklungen in der Region weiter beobachten und bewerten und unser Lagebild verbessern, wobei wir uns gegebenenfalls auf die Bedrohungen unserer Sicherheit und mögliche Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Region konzentrieren werden.
80. Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit und Souveränität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen. Wir stehen fest zu unserer Unterstützung für das Recht Georgiens, frei von äußerer Einmischung über seine Zukunft und seinen außenpolitischen Kurs zu entscheiden. Wir fordern Russland auf, die Truppen, die es in Georgien stationiert hat, ohne seine Zustimmung abzuziehen. Darüber hinaus fordern wir Russland auf, seine Anerkennung der georgischen Regionen Abchasien und Südossetien rückgängig zu machen; die Militarisierung dieser Regionen und die fortgesetzten Versuche, sie durch den Bau grenzähnlicher Hindernisse gewaltsam vom Rest Georgiens zu trennen, zu beenden; und die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, einschließlich willkürlicher Inhaftierungen und Schikanen gegen georgische Bürger, zu beenden. Wir schätzen die substanziellen Beiträge Georgiens zu NATO-Operationen sehr, die sein Engagement und seine Fähigkeit, einen Beitrag zur euro-atlantischen Sicherheit zu leisten, unter Beweis stellen. Wir sind nach wie vor entschlossen, die NATO-Georgien-Kommission und das Nationale Jahresprogramm (ANP) bei der Vertiefung des politischen Dialogs und der praktischen Zusammenarbeit mit Georgien in vollem Umfang zu nutzen. Wir bekräftigen den auf dem Bukarester Gipfel 2008 gefassten Beschluss, dass Georgien Mitglied des Bündnisses wird, wobei der Aktionsplan für die Mitgliedschaft (MAP) ein integraler Bestandteil des Prozesses sein wird; Wir bekräftigen alle Elemente dieses Beschlusses sowie nachfolgender Beschlüsse. Wir begrüßen die Fortschritte, die bei der Umsetzung des erweiterten umfassenden NATO-Georgien-Pakets erzielt wurden, einschließlich Krisenmanagement, Cybersicherheit, Militärtechnik und sichere Kommunikation, sowie neue Initiativen in den Bereichen chemische, biologische, radiologische und nukleare (CBRN) Verteidigungs- und Ausbildungseinrichtungen. Um seine euro-atlantischen Bestrebungen voranzubringen, muss Georgien Fortschritte bei den Reformen machen, einschließlich wichtiger demokratischer Reformen, und die ANP bestmöglich nutzen.
81. Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit und Souveränität der Republik Moldau innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen und fordern Russland auf, alle seine in der Region Transnistrien stationierten Streitkräfte ohne Zustimmung der Republik Moldau abzuziehen. Wir stehen fest zu unserer Unterstützung für das Recht der Republik Moldau, frei von äußerer Einmischung über ihre Zukunft und ihren außenpolitischen Kurs zu entscheiden, und respektieren uneingeschränkt die verfassungsmäßige Neutralität der Republik Moldau. Die NATO verstärkt ihre politische und praktische Unterstützung, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und ihre politische Unabhängigkeit angesichts des sich verschlechternden Sicherheitsumfelds zu wahren. Die Bündnispartner begrüßen die Bemühungen der Republik Moldau, demokratische Reformen zu fördern, und sind entschlossen, die Republik Moldau bei der Förderung ihrer europäischen Integration zu unterstützen. Die NATO wird im Rahmen des verbesserten Pakets zum Aufbau von Verteidigungskapazitäten weiterhin praktische Hilfe leisten, während die Republik Moldau daran arbeitet, ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten zu stärken und ihre Streitkräfte zu modernisieren.
82. Der Nahe Osten und Afrika sind Regionen von strategischem Interesse. Wir werden unser politisches Engagement und unsere öffentlich-diplomatischen Kontakte zu unseren langjährigen Partnern im Rahmen des Mittelmeerdialogs und der Istanbuler Kooperationsinitiative vertiefen. Wir werden auch unsere Kontakte zu relevanten regionalen Organisationen, einschließlich der Afrikanischen Union und des Golfkooperationsrates, verstärken. Wir setzen die Pakete zum Aufbau von Verteidigungskapazitäten für den Irak, Jordanien, Mauretanien und Tunesien um. Wir werden auch mit den jordanischen Behörden die Möglichkeit der Einrichtung eines NATO-Verbindungsbüros in Amman prüfen.
83. Die NATO und ihre Bündnispartner sind nach wie vor entschlossen, den Irak und seine Fähigkeit, das Land zu stabilisieren, zu unterstützen. Wir erkennen die anhaltenden Anstrengungen und Fortschritte der irakischen Regierung und der irakischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen ISIS/Da'esh an. Wir ermutigen zu weiteren Fortschritten im Kampf des Irak gegen den Terrorismus in all seinen Formen und Erscheinungsformen. Unsere NATO-Mission Irak leistet den irakischen Sicherheitsinstitutionen im Großraum Bagdad weiterhin Beratung außerhalb des Kampfes und Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten und hat die Zusammenarbeit mit dem irakischen Verteidigungsministerium vertieft. Auf Ersuchen der irakischen Regierung erwägen wir, die NATO-Mission Irak zu erweitern, indem wir sie weiterentwickeln, um das irakische Innenministerium in Fragen seiner föderalen Polizei zu beraten. Die NATO-Mission Irak wird weiterhin nachfrageorientiert sein und mit der uneingeschränkten Zustimmung der irakischen Behörden, unter uneingeschränkter Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des Irak und in enger Abstimmung mit den einschlägigen Partnern und internationalen Akteuren durchgeführt werden.
84. Die Unterstützung des Iran für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Auswirkungen auf die euro-atlantische Sicherheit. Wir fordern den Iran auf, seine militärische Unterstützung für Russland einzustellen, insbesondere die Übergabe von unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs), die für Angriffe auf kritische Infrastrukturen eingesetzt wurden und zu zahlreichen zivilen Opfern geführt haben. Wir bringen unsere ernste Besorgnis über die böswilligen Aktivitäten des Iran auf dem Territorium der Bündnispartner zum Ausdruck. Wir fordern den Iran ferner auf, von destabilisierenden Handlungen, einschließlich der Beschlagnahmung von Seeschiffen, abzusehen und eine konstruktive Rolle bei der Förderung der Stabilität und des Friedens in der Region zu spielen.
85. Der indopazifische Raum ist für die NATO wichtig, da sich die Entwicklungen in dieser Region unmittelbar auf die euro-atlantische Sicherheit auswirken können. Wir begrüßen den Beitrag unserer Partner im asiatisch-pazifischen Raum – Australien, Japan, Neuseeland und die Republik Korea – zur Sicherheit im euro-atlantischen Raum, einschließlich ihres Engagements für die Unterstützung der Ukraine. Wir werden unseren Dialog und unsere Zusammenarbeit weiter verstärken, um unsere gemeinsamen sicherheitspolitischen Herausforderungen zu bewältigen, auch in den Bereichen Cyberabwehr, Technologie und Hybrid, untermauert durch unser gemeinsames Engagement für die Wahrung des Völkerrechts und der regelbasierten internationalen Ordnung.
86. Die Zusammenarbeit der NATO mit anderen internationalen und regionalen Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, der OSZE und der Afrikanischen Union, trägt zur internationalen Sicherheit bei. Wir werden diese Interaktionen verstärken, um unsere gemeinsamen Interessen voranzubringen. Wir prüfen die Möglichkeit, ein Verbindungsbüro in Genf einzurichten, um unsere Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und anderen relevanten internationalen Organisationen weiter zu stärken.
87. Wir werden dafür sorgen, dass unsere politischen Entscheidungen mit angemessenen Mitteln ausgestattet werden. Wir werden auf den erzielten Fortschritten aufbauen, um sicherzustellen, dass die Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben und der gemeinsamen Mittel der NATO den Herausforderungen einer umstritteneren Sicherheitsordnung angemessen sind.
88. Wir zollen allen Frauen und Männern, die sich unermüdlich für unsere kollektive Sicherheit einsetzen, unsere Anerkennung, ehren all jene, die den höchsten Preis bezahlt haben oder verwundet wurden, um uns zu schützen, und ihre Familien.
89. Die NATO ist nach wie vor das stärkste Bündnis in der Geschichte. Wie in der Vergangenheit werden wir uns bewähren, wenn es darum geht, die Freiheit und Sicherheit unserer Bündnispartner zu schützen und zu Frieden und Sicherheit beizutragen.
90. Wir bringen unsere Wertschätzung für die großzügige Gastfreundschaft zum Ausdruck, die uns von der Republik Litauen entgegengebracht wurde. Wir freuen uns auf ein erneutes Treffen zum 75-jährigen Bestehen des Bündnisses im Jahr 2024 in Washington, D.C., gefolgt von einem Treffen in den Niederlanden im Jahr 2025.
Quelle: Progessiv international v.11.07.2023
"Wir streben dauerhaften Frieden an, während sich die NATO auf einen ewigen Krieg vorbereitet."
Eine Erklärung des Kabinetts der Progressiven Internationalen zum Abschluss des NATO-Gipfels in Madrid.
Vom 28. bis 30. Juni trafen sich die Mitgliedstaaten der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) im Rahmen des anhaltenden Krieges in der Ukraine in Spanien. Doch anstatt das kollektive Überleben zu sichern, präsentierte die NATO eine gefährliche Vision einer polarisierten Welt, die ihre Rolle als Weltpolizist bekräftigt.
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte hat sich das Mandat der NATO ausgeweitet, um den expansionistischen Ambitionen ihrer Gründer gerecht zu werden. Die NATO wurde 1949 mit dem Auftrag gegründet, "den sowjetischen Expansionismus abzuschrecken und die Wiederbelebung des nationalistischen Militarismus in Europa durch eine starke nordamerikanische Präsenz auf dem Kontinent zu verhindern". Als sich der Warschauer Pakt 1991 auflöste, löste sich die NATO nicht auf, sondern die US-Strategie beschloss, "das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen, entweder auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo", zu verhindern.
Die Invasion in Afghanistan im Jahr 2001, eine 20 Jahre dauernde Militäroperation "außerhalb des Gebiets", tötete Hunderttausende von Zivilisten und zwang Millionen zur Flucht aus ihren Häusern. Dieser Krieg hinterließ ein Vermächtnis von tiefer Armut, Hunger, Vertreibung und Instabilität. Nach Angaben der Vereinten Nationen steht Afghanistan nun vor "universeller Armut" inmitten eines völligen Zusammenbruchs seiner entwicklungspolitischen und humanitären Kapazitäten.
Der NATO-Krieg in Libyen führte dazu, dass Sklavenmärkte unter freiem Himmel in einem Land wieder auftauchten, das einst den höchsten Index der menschlichen Entwicklung Afrikas aufwies. Diese Zerstörung goss Öl ins Feuer der Militanz und des Konflikts in den benachbarten Staaten Mali, Algerien und Niger. Diese Zunahme der Gewalt hat dazu geführt, dass sich die NATO durch Formationen wie die African Standby Force weiter entfernt hat.
Heute rüstet und bildet die NATO Streitkräfte in Marokko aus und hält damit nicht nur die gewaltsame Besetzung der Westsahara aufrecht, sondern sichert auch ihre Rolle als Dreh- und Angelpunkt der europäischen Grenzsicherung. Am 25. Juni 2022 massakrierten marokkanische Sicherheitskräfte Dutzende von Flüchtlingen, als sie versuchten, in die spanische Enklave Melilla einzudringen. Unter der Aufsicht der NATO sind die Außengrenzen Europas zu Waffen gegen diejenigen geworden, die Zuflucht suchen.
Die NATO-Erweiterung hat auch dazu geführt, dass das Mitgliedsland Türkei straffrei bleibt. Mit großzügiger politischer und materieller Unterstützung der USA und anderer NATO-Staaten hat die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan mit seinem Angriff auf das kurdische Volk wiederholt gegen das Völkerrecht verstoßen. Jetzt startet die Türkei neue Militäroffensiven an ihren Grenzen – um ihre NATO-Partner zum Schweigen zu bringen oder stillschweigend zuzustimmen.
Die NATO versammelte sich diese Woche unter der Schirmherrschaft, um auf die gewaltsame Eskalation des Krieges in der Ukraine durch Russland zu reagieren. Ihre Ambitionen gehen jedoch über die regionale Verteidigung hinaus. Auf dem Madrider Gipfel bezeichnete sie China als langfristige Bedrohung und versprach, die Zusammenarbeit mit Ländern wie Australien, Japan, Neuseeland und der Republik Korea zu vertiefen, von denen letztere zum ersten Mal in der Geschichte auf dem NATO-Gipfel auftauchte – ein klarer Schwenk des Militärbündnisses vom Atlantik zum Pazifik. Die Vision einer "globalen NATO", die erstmals 2006 formuliert wurde, wird schnell zu einer düsteren Realität für Milliarden von Menschen, für die die Kosten des Krieges aus den Erfordernissen des Überlebens herausgeschnitten werden.
Die NATO-Politik vernichtet nicht nur diejenigen, die sie verstümmelt oder tötet. Sie entfachen auch Klima-, Gesundheits- und Hungerkrisen. Zum ersten Mal in der Geschichte gab die Welt im Jahr 2 über 2021 Billionen US-Dollar für Waffen aus, wobei die Vereinigten Staaten 40 % der Gesamtsumme ausmachten. Allein in Europa hat sich die NATO inzwischen verpflichtet, ihre schnelle Eingreiftruppe fast zu verachtfachen – auf 300.000 Soldaten.
Währenddessen steht die Welt am Rande einer Hungersnot – und selbst die Bürger in Europa und den USA stehen vor einem Winter des Hungers, da die militärische und wirtschaftliche Eskalation ihren Tribut fordert. Kriegswaffen können keine leeren Mägen füllen. Sie können ihre Häuser nicht heizen. Sie können einen sterbenden Planeten nicht reparieren. Und sie können Pandemien nicht beenden.
Länder auf der ganzen Welt sind sich der Gefahr eines neuen Kalten Krieges bewusst. Niemand wagt es, sich die Auswirkungen einer direkten Konfrontation der NATO mit Russland und China vorzustellen. Aber ein neuer Kalter Krieg droht auch, Drittstaaten zu Schauplätzen indirekter Stellvertreterkonflikte zu machen und neue "Opferzonen" im Namen der Sicherheit für diejenigen zu schaffen, die zuletzt die Hauptlast des Krieges tragen.
Dauerhafter Frieden kann nur durch einen gemeinsamen Sicherheitsrahmen erreicht werden, der nicht die Beherrschung eines Landes durch ein anderes oder eines Blocks über einen anderen zulässt, sondern vielmehr gelingt, den Planeten zu entmilitarisieren, seine Armut zu bekämpfen und gemeinsame Ressourcen zu bündeln, um soziale und ökologische Gerechtigkeit zu gewährleisten. Indem sie sich gegen diese existenziellen Prioritäten stellt, hat die NATO gezeigt, dass sie die Herrschaft dem Imperativ unseres Überlebens vorzieht.
Erklärung des Kabinetts der Progressiven Internationale vom 30. Juni 2022
Foto: NATO
Quelle: Progressiv International 30.06.2023 (Verteiler 14.07.2023)
Aus: Ausgabe vom 15.07.2023, Seite 1 / Titel
RÜSTUNGSWAHNSINN
Napalm fürs Volk
In Debatte um Militarisierung fallen alle Hemmungen: CDU-Chef will Zivilklausel an Unis und Schulen kippen. Bundeswehr unersättlich
Von David Maiwald
»Zeitenwende«, das heißt, »über den Haufen werfen« (Svenja Schulze). Hierzulande trifft das insbesondere auf jedwede Zurückhaltung bei Krieg und Aufrüstung zu. Die Debatte über die Bundeswehr und Militärausgaben etwa habe sich »seit dem russischen Angriff auf die Ukraine (…) deutlich verändert«, stellte die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag fest.
Nicht sehr spitzfindig, blickt man auf den Diskurs zu Waffenlieferungen seit Robert Habecks Forderung nach »Defensivwaffen« vom Mai 2021 und die nun von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte Lieferung international geächteter US-Streumunition an die Ukraine. Zeit-, FAZ-, und Welt-Journalist Artur Weigandt sprach sich gar öffentlich für die Lieferung von Napalm aus – »keine Frage«. Auch wenn die Dämme längst schon gebrochen sind: Für manch bundesdeutschen Kriegsapologeten fließt offenbar noch immer nicht genug Blut.
»Sommerloch«, das heißt, den Diskurs in der parlamentarischen Sommerpause mit rassistischem Nonsens über Freibäder und Forderungen nach zunehmender Militarisierung stopfen. »Ungehinderten Zugang« wünscht sich Unionschef Friedrich Merz für die Bundeswehr zu Schulen und Universitäten, wie er im Interview mit den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Freitag) sagte. »Sogenannte Zivilklauseln« – die in einigen Hochschulen festgeschriebene Selbstverpflichtung zu Lehre und Forschung zu friedlichen Zwecken – seien »nicht mehr zeitgemäß«, befand der Transatlantiker darin. Mit einem Haushaltsposten von 51 Milliarden Euro werde außerdem zuwenig in Rüstung investiert. Merz kritisierte, dass das NATO-Zweiprozentziel im kommenden Jahr mit dem »Sondervermögen« erreicht werden soll. Es sei schließlich dazu da, »die Unterfinanzierung der Bundeswehr« zu beheben.
Der Haushaltsposten für die Bundeswehr stieg von 2014 bis 2019 schon von 32,4 Milliarden Euro auf 43,2 Milliarden, lässt sich beim zuständigen Ministerium nachlesen. Bei 51,8 Milliarden Euro, die für das kommende Jahr veranschlagt sind, mit angekündigter Steigerung von insgesamt noch einmal 7,3 Milliarden Euro bis 2027 ist das ein Zuwachs von mehr als 80 Prozent. Selbst wenn man vom »Sondervermögen« absieht: Unterfinanzierung sah und sieht anders aus. Einem CDU-Vorsitzenden ist das bewusst.
»Die Zivilklauseln sind den Militaristen schon lange ein Dorn im Auge«, sagte Jürgen Wagner am Freitag zu jW. Um NATO-Zusagen einzuhalten, wolle sich die Bundeswehr »von derzeit etwa 182.000 auf 203.000 Soldaten« vergrößern. »Sie hat aber ihre Müh und Not, den Bestand stabil zu halten, deshalb müssen bei der Rekrutierung alle Register gezogen werden«, so der Vorstand der Informationsstelle Militarisierung. Die »nicht nur von Merz erhobene Forderung« nach schrankenlosem Zugang des Militärs zu Schulen und Universitäten sei in diesem Zusammenhang zu sehen.
Man müsse sich »mit den Begebenheiten abfinden«, befand Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze am Montag. Ausgaben für Entwicklungshilfe – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – in gleichem Maße wie die Rüstungsausgaben zu steigern, sei »nicht mehr realistisch«, meint die SPD-Ministerin. Man könne nicht etwa »im Sozialen, bei Bildung« kürzen – angesichts der veranschlagten Posten für die Kindergrundsicherung wohl nicht mehr als ein schlechter Scherz – doch: »So sehr ich mir was anderes wünsche«, so Schulze, »wir haben die Zeitenwende«.
Quelle: junge Welt 15.7.2023/ IMAGO/Panama Pictures
Rekrutierung auf Hochtouren: Stand der Bundeswehr auf der Computerspielmesse Gamescom (August 2022)
Aus: Ausgabe vom 15.07.2023, Seite 8 / Abgeschrieben
Friedensgesellschaft beklagt »unselige Tradition« Weezes bei Atomrüstung
Die DFG-VK wandte sich am Freitag gegen die Produktion von Bauteilen für atomwaffenfähige Kampfflugzeuge in Weeze:
Ablehnend steht die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) NRW den aktuellen Plänen von Rheinmetall gegenüber, im niederrheinischen Weeze Rumpfteile für den neuen Kampfbomber F-35A zu fertigen. Der Bomber, von der US-amerikanischen Rüstungsschmiede Lockheed Martin entwickelt, ist ein Bomber mit »Tarnkappenfunktion«, der eine neue Generation von präzise lenkbaren US-amerikanischen Atombomben unbemerkt vom gegnerischen Radar ins Ziel fliegen soll. Von den geplanten 400 Exemplaren hat die Bundesregierung 35 Stück für die Bundeswehr zum vorläufigen Preis von 8,3 Milliarden Euro bestellt. Im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der NATO werden diese Bomber samt neuer US-Atombomben in den Niederlanden (im nur 30 Kilometer von Kleve entfernten Volkel), in Belgien (im 60 Kilometer von Mönchengladbach entfernten Kleine-Brogel) und in Deutschland auf dem Stützpunkt Büchel in der Eifel stationiert.
Mit der Produktion würde eine unselige Tradition der Atomwaffen in Weeze neu aufgenommen: Hier waren bis Mitte der neunziger Jahre britische Atombomber mit den zugehörigen Atombomben stationiert. Vor Ort soll die Bevölkerung mit der Aussicht auf ein paar hundert Arbeitsplätze geködert werden. Doch zu welchem Preis? (…) Mit Tod und Leid unzähliger Menschen durch Rüstungsexporte und durch die gewaltig gesteigerten Rüstungsaufträge unserer Regierung gehört Rheinmetall zu den Kriegsgewinnlern und macht aktuell Rekordgewinne. (…)
Die Schweizerische Friedensbewegung (SFB) protestierte am Donnerstag gegen die Absicht der Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Viola Amherd, dem NATO-Projekt »Sky Shield« beizutreten:
(…) Die Annäherung an die NATO wird von Viola Amherd mit Biegen und Brechen forciert. Nach dem undemokratischen Kauf der F-35-Kampfjets, die nur im Austausch mit den USA eingesetzt werden können, der Weigerung, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen, welcher der NATO ein Dorn im Auge ist, und der Ankündigung, in Zukunft gemeinsame Militärmanöver mit der NATO durchzuführen, kommt ein weiterer Schlag gegen die Neutralität der Schweiz: Letzte Woche unterschrieb Amherd eine Absichtserklärung, um dem Kooperationsbündnis »Sky Shield« beizutreten. Bei »Sky Shield« handelt es sich um ein NATO-Projekt im Bereich der Flugabwehr, welches in Europa aufgebaut wird und explizit gegen Russland ausgerichtet ist. (…) Neutrale Länder wie die Schweiz und Österreich sollen mittels »Sky Shield« nahtlos in die militärischen Strukturen der NATO integriert werden.
Die Schweizerische Friedensbewegung (SFB) stellt sich ganz klar gegen jede weitere Annäherung oder Kooperation mit der NATO. (…) Der Raketenschirm ist gegen niemand anderen als Russland gerichtet. Mit der Eingliederung in das »Sky Shield«-Bündnis erklärt der Bundesrat sehr eindeutig, dass die Schweiz im Falle einer weiteren Eskalation des Ukraine-Krieges nicht vermitteln oder ihre diplomatischen Dienste anbieten wird, sondern dem NATO-Block militärisch zur Seite steht. (…)
Quelle: junge Welt v.15.07.2023/ Harald Tittel/dpa
Kampfflugzeug vom Typ F-35 über der US-Airbase Spangdahlem (14.6.2023)
Aus: Ausgabe vom 11.07.2023, Seite 4 / Inland
WANN IST MAN KRIEGSPARTEI?
Frage nicht geregelt
Wissenschaftliche Dienste des Bundestages legen Ausarbeitung zum Status der NATO-Länder als Konfliktpartei im Ukraine-Krieg vor
Von Marc Bebenroth
Man möchte meinen, das wäre klar geregelt: Die Unterstützung der Ukraine durch die NATO-Staaten mit Kriegsgerät, Ausrüstung, Geld und Training auf deren Gebiet macht diese nicht automatisch zur Konfliktpartei, sondern müsse nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden. Das geht aus einer aktuellen Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur Frage »Wann wird ein Staat zur Konfliktpartei?« hervor. Die rechtliche Aufgabe bestehe demnach darin, den Status als Konfliktpartei »aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu betrachten«, heißt es in dem 34seitigen Dokument, das die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen in Auftrag gegeben hatte.
Die Frage sei weder in den Genfer Konventionen geregelt, noch sei sie »Gegenstand eines anderen speziellen völkerrechtlichen Vertrages«, ist dort zu lesen. Es fehle nicht nur an einem völkerrechtlich verbindlichen »und womöglich gerichtlich bestätigtem« Kriterienkatalog. Die rechtlich verbindliche Klärung des Konfliktparteistatus sei in Zweifelsfällen nicht einmal Teil der Aufgaben des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Die Frage könne zunächst ohnehin »von den beteiligten Akteuren unterschiedlich bewertet werden«.
Formeln wie »Wer lediglich Waffen liefert, wird nicht zur Konfliktpartei« würden jedoch die »rechtlich komplexen Debatten« verkürzen und die Rechtslage »nur ungenau« abbilden. Auch die Tatsache, dass Berlin und Kiew in Russland einen gemeinsamen Feind sehen, reiche noch nicht aus – was die Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) »Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland« vom 24. Januar dieses Jahres in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats relativiere, so das Papier.
Mit den juristischen Grauzonen würden sich »Politiker und Militärs, die den sicherheitspolitischen Handlungsspielraum für Waffenlieferungen an die Ukraine nur ungern völkerrechtlich verengt sehen wollen« allerdings eher arrangieren können, heißt es in dem Dokument. Entscheidend seien letztlich »zwei Schwellen«, die ein Unterstützung leistender Staat überschreiten müsse, um als Kriegs- bzw. Konfliktpartei zu gelten: die »zwischen Unterstützung und eigener Konfliktteilname« und »zwischen Unterstützung und Gewaltanwendung«.
In der wissenschaftlichen Literatur würden unterschiedliche Antworten diskutiert. So könne mitunter der Begriff der »Teilnahme an Feindseligkeiten« neben der »unmittelbaren Anwendung militärischer Gewalt« – unter Umständen – »auch Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen zugunsten einer Konfliktpartei umfassen«. Aus dem Papier geht hervor, dass es vor allem darauf ankommt, ob beispielsweise die BRD oder die USA der Ukraine nur militärische Informationen über das Schlachtfeld oder russische Truppen geben, oder ob sie direkt mögliche Angriffsziele identifizieren oder gar Vorgaben machen, wie militärisch zu handeln sei. Diese Unterscheidung zwischen »generell kriegsfördernden Aktivitäten« – wie die »Bereitstellung finanzieller oder logistischer Mittel« – und einer Unterstützung, die das Handeln des »Unterstützerstaats« und die Kriegführung der Konfliktpartei »als gemeinsame (kollektive) Austragung von Feindseligkeiten« erscheinen lassen. Die Wissenschaftlichen Dienste halten fest, je größer der »Impact« ist, »desto eher erscheint die Unterstützung als Form ›indirekter‹ Gewaltanwendung«.
Eine in der Ausarbeitung zitierte Einschätzung von Christian Schaller von der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politk verdeutlicht, dass man sich dieser Schwelle weiter nähert. Die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte hänge »wesentlich von dauerhaftem Waffennachschub aus dem Ausland« ab. Auch sei die Ausbildung von Truppen in Partnerländern »von essentieller Bedeutung für den Erfolg der Truppen auf dem Schlachtfeld«. Man müsse auch davon ausgehen, dass westliche Staaten »durch die Bereitstellung wachsender Mengen an schlagkräftigen Waffensystemen immer mehr Einfluss auf den Kriegsverlauf nehmen und nehmen wollen.«
Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass »Deutschland mit den NATO-Verbündeten« inzwischen Kriegspartei sei. Das folge aus den »massiven Waffenlieferungen« an Kiew sowie den »militärischen Ausbildungsprogrammen« und »kontinuierlichen nachrichtendienstlichen Informationen«, wie die Fraktionsprecherin für internationale Politik am Montag gegenüber junge Welt erklärte.
Quelle: junge Welt v 11.07.2023/ Fabian Bimmer/REUTERS
Die Menge macht’s: Massenproduktion von Artilleriegranaten in einer Fabrik von Rheinmetall (Unterlüß, 6.6.2023)
„Voraussetzungen für den Sieg“
Rheinmetall eröffnet innerhalb der nächsten zwölf Wochen Panzerwerk in der Westukraine. Grünen-Abgeordneter fordert Lieferung von Marschflugkörpern, CDU-Politiker spekuliert über Kaliningrad-Blockade.
11
JUL
2023
BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall wird schon in Kürze eine Fabrik für Panzerfahrzeuge in der Ukraine in Betrieb nehmen. Dies kündigt Konzernchef Armin Papperger gegenüber dem US-Sender CNN an. Demnach soll bereits in den kommenden zwölf Wochen in der Westukraine ein Werk eröffnen, in dem Rheinmetall gemeinsam mit dem ukrainischen Konglomerat UkrOboronProm Transportpanzer Fuchs fertigen will. Gleichzeitig heißt es in Berliner Regierungskreisen, Kanzler Olaf Scholz werde auf dem heute beginnenden NATO-Gipfel in Vilnius neue Waffenlieferungen an die Ukraine bekanntgeben, die „sehr substanziell“ seien. Lediglich Marschflugkörper des Typs Taurus, wie sie Kiew bereits seit einiger Zeit fordert, wird die Bundesregierung den Quellen zufolge noch nicht liefern. Mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten sie bis weit nach Russland hinein eingesetzt werden. Die US-Mitteilung, der Ukraine auch Streumunition zu liefern, wird von der Bundesregierung verständnisvoll akzeptiert. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter schlägt unter bestimmten Umständen vor, „Kaliningrad von den russischen Versorgungslinien abzuschneiden“.
Panzerfabrik in der Ukraine
Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall wird schon in Kürze ein Werk für gepanzerte Fahrzeuge in der Ukraine eröffnen. Dies hat Konzernchef Armin Papperger gegenüber dem US-Sender CNN angekündigt. Demnach wird das Werk an einem nicht näher genannten Ort im Westen der Ukraine errichtet; es soll bereits innerhalb der nächsten zwölf Wochen den Betrieb aufnehmen. Rheinmetall kooperiert dabei mit dem ukrainischen Konglomerat UkrOboronProm, mit dem der deutsche Konzern zudem Munition und möglicherweise auch Flugabwehrsysteme bauen will (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Zunächst soll dem CNN-Bericht zufolge in dem westukrainischen Werk der deutsche Transportpanzer Fuchs in Lizenz gebaut und gewartet werden; dazu will Rheinmetall ukrainische Arbeiter fortbilden.[2] Langfristig soll an dem Standort offenbar auch die Herstellung anderer Panzer möglich sein. „Die Ukrainer müssen sich selbst helfen“, erläutert Papperger das Vorhaben: „Wenn sie in den nächsten zehn oder 20 Jahren immer darauf warten müssen, dass Europäer oder Amerikaner ihnen helfen – das ist unmöglich“. Der Rheinmetall-Chef gibt sich sicher, das neue Werk könne gegen russische Luftangriffe verlässlich geschützt werden. Im Fall anderer ukrainischer Waffenfabriken gelinge dies auch.
Waffenpaket für Kiew
Jenseits der Rheinmetall-Ankündigung stellt die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine in Aussicht. Wie es am gestrigen Montag aus Berliner Regierungskreisen hieß, werde Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem heute beginnenden NATO-Gipfel in Vilnius „sehr substanzielle“ Lieferungen bekanntgeben. Details wurden noch nicht genannt.[3] Berlin rühmt sich bereits jetzt, zweitgrößter Waffensteller der Ukraine nach den Vereinigten Staaten zu sein. Laut Regierungsangaben beliefen sich die für 2023 eingeplanten Mittel für die Aufrüstung der ukrainischen Streitkräfte „auf insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro“ – „nach 2 Milliarden Euro im Jahr 2022“, zuzüglich „Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre in Höhe von rund 10,5 Milliarden Euro“.[4] Zuletzt hatte Scholz aus Anlass des Besuches von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin die Lieferung eines Waffenpakets im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt. Darin enthalten war unter anderem ein Posten, den Scholz nicht öffentlich nannte: 15 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard. Recherchen ergaben damals, es müsse sich um die Flugabwehrpanzer handeln, die dem Emirat Qatar zum Schutz der Fußball-WM vor etwaigen Drohnenattacken verkauft worden waren; allerdings weigerte sich Qatar damals beharrlich, sie ab- bzw. für den Einsatz durch die Ukraine freizugeben.[5]
Marschflugkörper
Bislang noch nicht erfüllen will die Bundesregierung die Forderung der Ukraine, ihr so schnell wie möglich auch Marschflugkörper vom Typ Taurus zu liefern. Der Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und wäre damit in der Lage, wie es in einem Textbeitrag eines Militärexperten heißt, „Ziele tief hinter den feindlichen Linien mit hoher Präzision anzugreifen“.[6] Zudem würde er es „dank seines spezialisierten Multi-Effekt-Gefechtskopfs“ ermöglichen, „gut geschützte Ziele zu bekämpfen, die bisher unverwundbar waren“; er könne sogar „stark gehärtete und begrabene Bunkerziele“ mit Erfolg zerstören. „Marschflugkörpersysteme wie der Taurus“, heißt es in dem Beitrag weiter, hätten „das Potenzial, die Kampfdynamiken auf dem Schlachtfeld grundlegend zu ändern und Voraussetzungen für den Sieg zu schaffen“. Ein Problem sei lediglich, dass sie derzeit nicht in ausreichender Zahl verfügbar seien; es gelte deshalb, „eine Flugkörperallianz in Europa“ zu gründen – gemeinsam etwa mit Großbritannien, das mit seinen Storm Shadow bereits Lenkwaffen mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern geliefert habe. Für die baldige Lieferung des Taurus setzt sich aktuell der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ein.[7] „Wenn die Briten Marschflugkörper liefern“, erklärt Hofreiter, „sehe ich keinen Grund, warum Deutschland das nicht auch kann.“
Streumunition
Die Ankündigung neuer Waffenlieferungen sowie die Forderung, den ukrainischen Streitkräften auch neue Waffensysteme wie den Taurus zur Verfügung zu stellen, erfolgen zu einem Zeitpunkt, zu dem die lange Zeit angekündigte Gegenoffensive der Ukraine weiterhin kaum Fortschritte macht und selbst US-Präsident Joe Biden offen einräumt, die Munition werde knapp. Biden nennt dies als Argument, um die Lieferung von Streumunition zu legitimieren, die inzwischen 111 Staaten im Oslo-Übereinkommen geächtet haben; hinzu kommen zwölf Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet, doch bislang nicht ratifiziert haben, sowie drei Dutzend Staaten, die im Jahr 2020 in einer UN-Deklaration den Inhalten des Übereinkommens im Grundsatz zugestimmt haben.[8] Washington behauptet nun, es liefere nur Streumunition, die eine geringe Blindgängerrate von weniger als 2,35 Prozent habe; zudem habe Kiew fest zugesagt, die Waffe nur dort zu nutzen, wo keinerlei Gefahr für Zivilisten bestehe. Allerdings haben bereits erste Recherchen von US-Medien gezeigt, dass die Angaben nicht zutreffen. Der New York Times zufolge beläuft sich die Blindgängerrate der Streumunition, die die Ukraine erhält, auf mehr als 14 Prozent.[9] Ohnehin berichten Minensucher, die realen Blindgängerraten überträfen die offiziell genannten stets ganz erheblich.
„Kaliningrad blockieren“
Die Bundesregierung kommentiert die US-Ankündigung, Streumunition zu liefern, mit vollem Verständnis. „Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben“, erklärt ein Berliner Regierungssprecher.[10] Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verwahrt sich gegen Kritik: Man dürfe „in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen“.[11] Die Bereitschaft, sämtliche Hemmungen fallenzulassen, wird im Krieg gegen Russland Schritt für Schritt populär. Gestern etwa schlug der CDU-Außen- und Militärexperte Roderich Kiesewetter in der Grünen-nahen taz nicht bloß vor, der Ukraine „als Zwischenschritt zur Nato-Mitgliedschaft Garantien gegebenenfalls auch mit einem nuklearen Beistand“ zu geben. Für spezielle Fälle, etwa bei einer Zerstörung des Kernkraftwerks Saporischschja, solle man erwägen, „Kaliningrad von den russischen Versorgungslinien abzuschneiden“.[12] Mit einem Entzug von Nahrungsmitteln zu drohen, hat bereits Ende 2022 der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter für den Machtkampf des Westens gegen China vorgeschlagen; auf die Frage, wie Berlin reagieren könne, sollte die Volksrepublik einmal ein Embargo bei Seltenen Erden in Betracht ziehen, antwortete Hofreiter: „Wenn uns ein Land Seltene Erden vorenthalten würde, könnten wir entgegnen: ‘Was wollt ihr eigentlich essen?“[13] China ist bei der Nahrungsmittelversorgung auf Importe angewiesen.
[1] S. dazu Eine rüstungsindustrielle Basis für die Ukraine.
[2] Frederik Pleitgen, Anna Cooban: Rheinmetall will build and repair tanks in Ukraine, says CEO. edition.cnn.com 10.07.2023.
[3] Berlin will Ukraine „substanzielles“ Waffen-Paket liefern. n-tv.de 10.07.2023.
[4] Liste der militärischen Unterstützungsleistungen. bundesregierung.de 07.07.2023.
[5] Georg Ismar, Paul-Anton Krüger: Das „Gepard“-Rätsel. Süddeutsche Zeitung 19.05.2023.
[6] Fabian Hoffmann: Warum Deutschland Taurus-Marschflugkörper liefern sollte. tagesspiegel.de 06.06.2023.
[7] Grünen-Politiker Hofreiter gegen Streumunition für Ukraine. sueddeutsche.de 08.07.2023.
[8] Weltweite Ächtung von Streumunition. auswaertiges-amt.de 15.07.2021.
[9] John Ismay: Cluster Weapons U.S. Is Sending Ukraine Often Fail to Detonate. nytimes.com 07.07.2023.
[10] Bundesregierung zeigt Verständnis für Streumunition-Lieferung. rnd.de 07.07.2023.
[11] Kristina Hofmann: Streubomben: „USA nicht in den Arm fallen“. zdf.de 09.07.2023.
[12] Tanja Tricarico: „Deutschland ist Kriegsziel“. taz.de 10.07.2023.
[13] Moritz Eichhorn: Anton Hofreiter: Entweder Nato-Mitgliedschaft für Ukraine oder 3200 Leopard-Panzer. berliner-zeitung.de 15.12.2022. S. dazu Die Hungermacher (III).
Quelle : https://www.german-foreign-policy.com/ Bild-finanz.at
Kommt alle zu dieser Friedensaktion !!!
Das Rostocker Friedensbündnis lädt hiermit alle friedliebenden Menschen zum Protest gegen die Nato-Übung Defender 2023 zum mitmachen ein.
-Dienstag, 13.6., 13-15 Uhr: Mahnwache beim neuen Gebäude der Fakultät für Informatik und Elektrotechnik der Uni Rostock, Albert-Einstein-Str. 26
- Donnerstag, 15.6., 14-16 Uhr: Mahnwache in Rostock-Warnemünde, am Leuchtturm
- Freitag, 16.6., 18-20/21 Uhr, Waldemarhof, Großer Saal: „Schwarzer Regen“ (Japan 1989), Spielfilm über die Folgen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima (https://www.cinema.de/film/schwarzer-regen,1340080.html[https://www.cinema.de/film/schwarzer-regen,1340080.html] , FSK: 12 Jahre)
- Dienstag, 20.6., 19 Uhr: Bombardierung Dresdens – ein Zeitzeuge erzählt
- Donnerstag, 22.6., 14.30 Uhr: Einführung in die Kapitalismuskritik (Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung), Räume der Rosa-Luxemburg-Stiftung, separater Eingang beim Peter-Weiss-Haus
- am selben Tag, Donnerstag, 22.6., 19 Uhr: Vorträge und Diskussion über Kriegsdienstverweigerung, Peter-Weiss-Haus, Bunter Bunker
UND:
Für Thema „Kapitalismus und Krieg“ hat uns attac dankenswerterweise Werner Rätz vermittelt (https://www.werner-raetz.de/[https://www.werner-raetz.de/] ). Datum und Raum stehen noch nicht fest.
Diese vom Rostocker Friedensbündnis organisierten Veranstaltungen werden u.a. vom GeFiS e.V. aktiv unterstützt.
Quelle: Rostocker Friedensbündnis
Mit einer Veranstaltungsreihe hat das Rostocker Friedensbündnis federführend mit weiteren Bündnispartnern für den Frieden, wie wir von der Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität GeFiS, neben Mahnwachen, Filmvorführung, Podiumsdiskussionen, Zeitzeugenberichte über den Krieg und Beratungen zur Kriegsdienstverweigerung ein vielschichtiges Protestprogramm gegen die Nato-Kriegsübung Air Defender 23 absolviert.
Quelle: Rostocker Friedensbündnis Juni 2023
09
JUN
2023
WUNSTORF/BERLIN (Eigener Bericht) – Mit dem am Montag beginnenden Luftkriegsmanöver Air Defender 23 sucht die Bundesrepublik ihre Stellung innerhalb der NATO weiter aufzuwerten. Das Manöver, an dem nach Angaben der deutschen Luftwaffe rund 10.000 Militärs mit 250 Flugzeugen aus 25 Staaten beteiligt sind, steht unter deutscher Führung; Übungsflüge werden hauptsächlich über Deutschland stattfinden. Das Manöver geht zudem auf eine Initiative der Bundesrepublik aus dem Jahre 2018 zurück. Damals hatte sich Berlin innerhalb der NATO bereiterklärt, als sogenannte Rahmennation den Aufbau multinationaler Luftwaffen-Großverbände voranzutreiben. Air Defender 23 soll nun den Erfolg dieses Projektes demonstrieren. Mit dieser und vergleichbaren Initiativen im Rahmen der Kriegsvorbereitungen des NATO-Blocks stärkt Berlin nicht nur seine Stellung im transatlantischen Bündnis; es treibt zugleich die Integration europäischer Streitkräfte unter deutscher Führung voran („europäischer Pfeiler der NATO“) und baut nationale militärische Fähigkeiten auf, die ihm auch unabhängig von NATO und EU zur Verfügung stehen.
Unter deutscher Führung
Das NATO-Großmanöver Air Defender 23 [1] geht nach Angaben der Bundeswehr auf eine deutsche Initiative zurück.2018 hatte Berlin angekündigt, innerhalb der NATO als sogenannte Rahmennation den Aufbau einsatzbereiter multinationaler Großverbände im Bereich Luftwaffe (Multinational Air Group, MAG) übernehmen zu wollen. Die Bundeswehr hatte sich dabei verpflichtet, den Bündnispartnern 2023 die Einsatzbereitschaft der MAG in einem Großmanöver vorzuführen. Dafür entwickelten deutsche Militärs – damals noch unter der Bezeichnung MAGEX (MAG Exercise) – bald die ersten Konzepte. Davon laut Bundeswehr „völlig losgelöst“ entstanden beim deutschen Kommando Luftwaffe „neue Ideen für mögliche Großübungen“.Dabei orientierten sich die Planer nach eigenen Angaben an dem US-geführten Großmanöver Defender Europe. Die Verpflichtung innerhalb der NATO (MAGEX) und die Wünsche nach einem deutsch geführten multinationalen Großmanöver à la Defender Europe führte die Bundeswehr dann in Air Defender 23 zusammen. Anders als Defender Europe steht es allerdings nicht unter US-amerikanischer, sondern unter deutscher Führung. Bei der Luftwaffe heißt es nun, mit Blick auf den Ukraine-Krieg komme Air Defender 23 „eine noch tragendere Rolle“ zu – als „weithin sichtbares Zeichen der Stärke ... des transatlantischen Bündnisses unter deutscher Führung“.[2]
Transatlantisch, aber europäischer
Berlins Strategie, unter dem Deckmantel der NATO nationale Machtpolitik zu betreiben, ist nicht neu. Von Anfang an beteiligt sich die Bundesrepublik an der 2014 begonnenen Hoch- und Umrüstung der NATO für einen möglichen Krieg gegen Russland – und zwar mit dem erklärten Ziel, den „europäischen Pfeiler“ innerhalb des US-dominierten Bündnisses zu „stärken“.[3] Die deutsch-europäischen Initiativen innerhalb der NATO entwickelten eine „Bedeutung“ über das transatlantische Bündnis „hinaus“, da sie „wesentlich zur Handlungsfähigkeit der EU“ beitrügen, urteilt ein ehemaliger Generalleutnant der Bundeswehr [4] – beispielsweise durch die „enge Verzahnung und fortschreitende Integration europäischer Streitkräfte“ [5] im NATO-Rahmen, die auch den Weg zu einer EU-Armee bahnen könnten. An eine militärisch gestärkte und geeinte EU knüpfen deutsche Spitzenpolitiker die Hoffnung auf eine verringerte außen- und militärpolitische Abhängigkeit Deutschlands von den USA. Vor diesem Hintergrund heißt es etwa im Weißbuch der Bundeswehr, die „deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ solle „in ihrer Grundausrichtung“ zwar „transatlantisch bleiben“, aber dennoch „zugleich europäischer“ werden.[6]
Bereit zu führen
Dabei beansprucht Deutschland seit einigen Jahren ausdrücklich, wie es etwa in der „Konzeption der Bundeswehr“ aus dem Jahr 2018 heißt, „in multinationaler Kooperation verstärkt eine Führungsrolle“. Dazu solle die Bundeswehr „eine zentrale Rolle bei der [militärischen] Integration von Bündnispartnern“ einnehmen.[7] Bereits 2016 verkündete die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen offen, Deutschland nutze aktuelle Krisen, um einen internationalen Führungsanspruch geltend zu machen: Deutschland sei „bereit zu führen“.[8] 2020 sah ein Strategiepapier der Bundeswehr Deutschland innerhalb von NATO und EU bereits in einer „Schlüsselrolle“.[9] Besonders mit dem von Deutschland in die NATO eingebrachten Rahmennationenkonzept habe sich die Bundesrepublik in einer „koordinierenden […] Rolle in die Mitte“ einer gemeinsamen „Fähigkeitsentwicklung der NATO gestellt“.[10] Mit seinen Initiativen in der NATO positioniert sich Berlin also nicht nur im Machtkampf gegen Russland; es stärkt zugleich seine Position gegenüber den USA und arbeitet an einer militärischen Führungsposition innerhalb der EU-Staaten.
Führungsanspruch im Baltikum
Für diese Strategie ist der Aufbau von Luftwaffengroßverbänden im Zusammenhang mit dem Rahmennationenkonzept, wie ihn aktuell Air Defender 23 demonstriert, nur eines von mehreren Beispielen. Eine koordinierende Rolle nimmt die Bundesrepublik beispielsweise auch bei der permanenten NATO-Präsenz entlang der russischen Westgrenze ein – etwa mit der Stationierung deutscher Soldaten im Rahmen der enhanced Forward Presence (eFP) bzw. der enhanced Vigilance Activities (eVA) des transatlantischen Militärbündnisses in Litauen, wo die Bundeswehr die Führung über eine multinationale Truppe innehat. Im Baltikum beansprucht Berlin zudem, nicht zuletzt in Konkurrenz zu Polen, unter dem Deckmantel der NATO einen Führungsanspruch, der sich im Marinekommando in Rostock verfestigt. Mit diesem hat Deutschland eine militärische Führungsstruktur aufgebaut, die es, wie die Marine schreibt, der NATO „bei Bedarf“ „zur Verfügung zu stellen“ [11], sie aber prinzipiell auch für nationale oder EU-Vorhaben einsetzen kann.
Auf dem Weg zur Allround-Armee
Auch beim Aufbau multinationaler Großverbände der Landstreitkräfte ist Deutschland seit 2014 an führender Stelle aktiv (german-foreign-policy.com berichtete [12]). Zuletzt kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius etwa an, „bis 2025“ werde die Bundeswehr „der NATO eine komplette Heeresdivision einsatzbereit melden“ – ein weiterer „Beitrag als Rahmennation, an den andere Länder andocken können“.[13] Nach Erfüllung ihrer Verpflichtungen in der NATO stehen die in diesem Zusammenhang aufgebauten Fähigkeiten freilich Berlin zur nationalen Verwendung zur Verfügung. Ähnliches gilt für die Erhöhung des Wehretats mit Verweis auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Das Ziel der Bundesregierung sei, erläutert Pistorius, „eine moderne Allround-Armee“ – ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zu einer eigenständigen Machtpolitik: „Die NATO-Ostflanke stärken“, konstatiert Pistorius, „heißt, uns selbst zu stärken“.
[1] S. dazu Am Rande des Krieges.
[2] Air Defender 2023 – Jahre der Vorbereitung, um 200 Flugzeuge in die Luft zu bekommen. Bundeswehr.de 28.03.2023.
[3] Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, Juni 2016.
[4] Rainer L. Glatz, Martin Zapfe: Ambitionierte Rahmenation: Deutschland in der NATO. Die Fähigkeitsplanung der Bundeswehr und das „Framework Nations Concept“. SWP-Aktuell 62. Berlin, August 2017.
[5] Die Konzeption der Bundeswehr. Bonn 2018.
[6] Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, Juni 2016.
[7] Die Konzeption der Bundeswehr. Bonn 2018.
[8] Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, Juni 2016.
[9] Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft. Berlin, Mai 2021.
[10] Die Konzeption der Bundeswehr. Bonn 2018.
[11] Deutsche Marine: Bündnissolidarität – Mehr Marinepräsenz in der Ostsee, 17.2.2022, bundeswehr.de 17.02.2022.
[12] S. dazu Ein Ring um Russland (II) und Im Kriegsfall ganz vorn.
[13] Pistorius auf der MSC (Munich Security Conference) 23: „NATO-Ostflanke stärken, heißt, uns selbst zu stärken“. bmvg.de 23.02.2023.
Quelle: german foreigen policy.com, 09.Juni 2023/ Bild-Internet
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
morgen, am 10.6., halten wir ab 10 Uhr vor dem Gebäude der Ostsee-Zeitung in der Rostocker Richard-Wagner-Straße eine Mahnwache. Unser Protest richtet sich gegen die Beteiligung der Bundeswehr an der Messe „Karrierechancen MV“.
Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere. Die Zukunft für junge Menschen liegt in zivilen Berufen. Deshalb: Kein Werben fürs Töten und Sterben!
Die Mahnwache findet im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe gegen das Manöver Air Defender 2023 statt. Näheres demnächst auf www.rostocker-friedensbuendnis.de.
Mit besten Grüßen
Rostocker Friedensbündnis
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Rostocker Friedensbündnis (gemeinsames Postfach)
http://www.rostocker-friedensbuendnis.de
Gemeinsam mit dem Rostocker Friedensbündnis agiert die Organisation GeFiS e.V. und weiteren Organisationen und Friedensfreunden im Kampf für den Frieden.
Quelle: Rostocker Friedensbündnis
Im Rahmen der Nato-Kriegsübungen hat das Rostocker Friedensbündnis gemeinsam mit weiteren Organisationen und Einzelpersonen verschiedene Protestveranstaltungen organisiert, wie u.a. die Mahnwache vor dem Pressehaus der Ostsee-Zeitung Rostock.
Am Rande des Krieges (II)
Unter deutscher Führung trainiert die NATO ab Montag den Luftkrieg über Osteuropa. Das Großmanöver Air Defender 23 dient Deutschland auch dazu, seine nationale Stellung zu stärken.
Gemeinsam mit verschiedenen Bündnispartnern (z.B. ISOR, Die Linke Nord-Ost Rostock, Die Linke Landkreis Rostock, GeFiS e.V. und Einzelpersonen) hat Federführung das Rostocker Friedensbündnis die Mahnwache in unmittelbarer Nähe des Fliegerhorst Rostock-Laage, wo am 12.06.2023 die bisher größte Nato-Kriegs-Übung mit über 200 Flugzeugen in Mecklenburg-Vorpommern u.a. Bundesländern Deutschland stattfindet .
Quelle: Rostocker Friedensbündnis, 09.Juni 2023
Protestcamp gegen die UDT am letzten Tag
Erstellt am 10. Mai 2023 - 21:39
Auch morgen ist im Camp noch einmal Programm. Es gibt einen Auftritt von Capoeira Rostock – afrobrasilianische Kultur, Spiel, Tanz und Kampf – und den Film „Risse im Patriarchat“.
Nebenbei wird ganz allmählich abgebaut.
Die letzte Gelegenheit also, das Camp zu erleben!
Die Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität (GeFiS) e.V. hat die Aktionen des Rostocker Friedensbündnis aktiv unterstützt.
Peter-Weiss-Haus
Doberaner Strasse 21, 18057 Rostock
http://www.peterweisshaus.de
UDT entwaffnen!
Vom 9.-11. Mai findet in der Rostocker Hanse Messe die mit 1500 Teilnehmer*innen weltweit größte Unterwasser-Militärmesse U(ndersea)D(efence)T(echnology) statt. Dort vernetzen sich Waffenindustrie, Kriegspolitiker*innen und Wissenschaftler*innen, um neue technische Entwicklungen in Unterwasser-Waffensystemen schnell zu integrieren und an die Regierungen und Regime aus aller Welt zu verkaufen. Dabei gibt sich diese todbringende Konferenz ganz modern und ökologisch – Unterwasserkriege von morgen sollen mit geringem ökologischen Fussabdruck töten, mit Wasserstoff- und batteriebetriebenen smart torpedos und smarten Minen sowie ausgefeilten Unterwasserdrohnen möchte die militaristische Messegesellschaft junge ForscherInnen für das Geschäft mit dem Tod akquirieren. Todbringende Unterwasser-Waffen und U-Boot-gestützte See-Land-Raketen werden dort verniedlicht umschrieben als Effektoren.
Diese Messe passt gut zum Rostocker Ambiente als wichtigster deutscher Marinestützpunkt. Schließlich ist Rostock Sitz des Marinekommandos, der höchsten Führungsinstanz der Deutschen Marine, und Heimathafen des deutschen Korvettengeschwaders sowie einiger in Rostock beheimateter Forschungs- und Industriebetriebe (Unterwasserrobotik) der militärischen maritimen Wirtschaft. Und im Januar diesen Jahres hat sich das Militär – die Krise der MV-Werften geschickt ausnutzend – auch die Rostocker MV-Werft unter den Nagel gerissen, um in diesem Marine-Arsenal nun Kriegsschiffe zu warten, zu reparieren und gegebenenfalls auch neue zu bauen.
Das Bündnis „UDT entwaffnen“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, während der Messezeit und um sie herum antimilitaristische Akzente zu setzen. Auf dem Poldo werden die praktischen Rahmenbedingungen möglicher Aktionen, Demonstrationen und Proteste erörtert und geschaut, wie der Aktionswoche vom 6. bis 11. Mai ein starkes antimilitaristisches Gesicht gegeben werden kann. Die Zeit des ruhigen Hinnehmens der weiteren Militarisierung in Rostock ist vorbei. UDT entwaffnen!
Weitere Infos unter:
stadtgestalten.org/udt-entwaffnen/udt-entwaffnen/
Und unter
www.instagram.com/p/CpUn8CJ...
UDT-Messe in Rostock-NDR-Beitrag
Quelle: Rostocker Friedensbündnis, GeFiS-Archiv.
Protestcamp gegen die UDT geht weiter!
Erstellt am 6. Mai 2023 - 22:23
Hier die Veranstaltungen der nächsten beiden Tage:
Morgen, Sonntag:
um 10 Uhr: ein Workshop über Klima, Flucht und Migration
um 15 Uhr: "Feminist History Walk": Eine Entdeckungsreise durch die Geschichte feministischer Kämpfe, Debatten und Errungenschaften:
Der "Feminist History Walk" nimmt uns mit auf eine Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart feministischen Begehrens: Errungenschaften wie das uneingeschränkte Wahlrecht, die Befreiung von den Kolonialherren, liberale Abtreibungsgesetze oder ein modernes Sexualstrafrecht haben wir den rebellischen Frauen und Queers in unserer und vor unserer Zeit zu verdanken. Einige der damit verbundenen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen haben eine lange Geschichte. Anhand pointierter Zitate tauchen wir in diese Geschichte feministischer Bewegungen, Revolten und Diskussionen ein. Das Material nähert sich der Sache spielerisch. Der Gang durch die Geschichte ist als Rätsel aufgebaut, bei dem wir Karte an Karte reihen. So entsteht ein Zeitstrahl, der uns zeigt, auf wessen Schultern wir heute stehen.
Das spielerische Erraten der Zitate, Slogans oder Ereignisse erfolgt nicht gegeneinander, sondern miteinander. Menschen mit unterschiedlichem Vorwissen lernen voneinander.
Der Workshop wird durchgeführt von Kim Zech, Lehrerin und Aktivistin.
Um 20 Uhr: Film "Rise Up" mit anschließendem Gespräch
und der Mitternachtstalk behandelt die Frage "Waffenlieferungen an die Ukraine oder Alternativen?"
Übermorgen, Montag:
Um 10.30 Uhr ein Theaterworkshop: "UDT-Kritik auf der Bühne" - übrigens, wie auch schon die Veranstaltung über internationale Kriegsdienstverweigerer und Deserteure heute, proudly presented by Rostocker Friedensbündnis ; ) Wir lernen, wie man mit den Mitteln des Theaters Themen wie "Welt ohne Waffen", "Krieg" oder "Gewalt " darstellen kann. Dabei kommen Bewegungsübungen, Zitate, Texte, ..., zum Einsatz. Wir überlegen auch, wie wir damit in konkreten Situationen wirksam werden können. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, die Mitarbeit möglichst vieler Campteilnehmer_innen ist willkommen, auch über den Workshop hinaus.
Ebenfalls am Vormittag: ein Workshop "Versammlungen anmelden".
Um 16 Uhr: ein Zeitzeugenbericht über die Bombardierung Dresdens 1945
und beim antimilitaristischen Mitternachtstalk geht es um "Greenwashing a la UDT.
Quelle: Rostocker Friedensbündnis v.06.Mai 2023
Demonstrationen - Rostock:
Gericht kassiert Auflagen für Protestcamp gegen Messe
4. Mai 2023, 17:37 Uhr
Direkt aus dem dpa-Newskanal
Rostock (dpa/mv) - Eine Initiative von Militärgegnern hat sich mit einem Eilantrag für ein geplantes Protestcamp gegen eine anstehende internationale maritime Rüstungsmesse in Rostock weitgehend durchgesetzt. Das Verwaltungsgericht Schwerin setzte am Donnerstag per Beschluss mehrere Auflagen der Stadt Rostock außer Kraft. Damit kann das geplante Camp näher als verfügt an dem Messestandort aufgebaut und die Zelte auch zur Übernachtung genutzt werden.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Auflagen der Stadtverwaltung auf eine Verhinderung der angemeldeten Versammlung hinausgelaufen wären. "Das Gericht konnte nicht feststellen, dass eine versammlungsrechtlich beachtliche Gefahrenlage derart weitreichende Einschränkungen rechtfertigen könnte", hieß es in einer Mitteilung. Gegen den Beschluss sei Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht möglich, was die Beteiligten aber nach eigener Aussage nicht beabsichtigten.
Die Proteste richten sich gegen die nach eigenen Angaben weltgrößte Fachmesse für die Unterwasserverteidigungsindustrie "Undersea Defense Technology" (UDT), die vom 9. bis 11. Mai in der Rostocker Hansemesse stattfindet. 2022 war Rotterdam Ausrichter. Es werden 1500 Besucher aus aller Welt und etwa 70 Aussteller aus der Rüstungsindustrie erwartet, dazu gehören auch deutsche Firmen wie Rheinmetall, Atlas Elektronik und Thyssenkrupp Marine Systems.
Die Initiative "UDT entwaffnen" hatte die Auflagen der Stadt als Verbotsverfügung gewertet und von "willkürlicher Schikane" gesprochen. Die UDT-Gegner wollten das Zeltcamp von Freitag an für eine Woche vis-à-vis vor der Messehalle aufbauen, um nach eigenen Angaben "der maritimen Kriegsvorbereitung ein Konzept friedlicher Konfliktlösungen entgegenzustellen".
Zwar darf die Versammlung auch nach der Gerichtsentscheidung nicht an den ursprünglich von den Veranstaltern gewünschten Ort ziehen, die Fläche wurde ausgeweitet und näher an den Messeort gelegt. "Hiermit werde das Anliegen der Veranstalter der Versammlung, auf die Adressaten ihres Protests akustisch und optisch kommunikativ einwirken zu können, unter Wahrung der Sicherheitsinteressen der Messe ermöglicht", argumentierte das Gericht.
Quelle: SVZ v.04.Mai 2023/ Detailansicht öffnen
Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)
Im Rahmen unserer friedenspolitischen Ausrichtung lt. Satzung unterstützen wir vom GeFiS e.V. in enger Zusammenarbeit mit dem Rostocker Friedensbündnis und weiterer Organisationen, die Proteste gegen diese Hochrüstungspolitik insgesamt, die eine Gefährdung des Weltfriedens darstellt.
Quelle: GeFiS-Archiv
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
wie in Vor-Pandemie-Zeiten geht es diesmal wieder am Ostersonnabend, 8. April, per Demonstration auf die Straße!
Wir starten um 11.00 Uhr am Denkmal für die revolutionären Matrosen am Kabutzenhof. Die Abschlusskundgebung wird um 12.30 Uhr auf dem Doberaner Platz stattfinden. Eine Zwischenkundgebung ist in der Werftstraße bei der Schiffshalle der ehemaligen Neptunwerft, an der Gedenktafel für die Befreiung der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter am 1. Mai 1945, geplant.
Achtung: Die Teilnahme von Mitgliedern und Anhängern der AfD sowie nationalistischer und rechtsradikaler Kräfte ist nicht gestattet!
Weitere Informationen und Aufruf folgen.
Mit den besten Grüßen
Rostocker Friedensbündnis
Rostocker Friedensbündnis (gemeinsames Postfach)
http://www.rostocker-friedensbuendnis.de
Freitag, 10.03.2023
Referent: Jörg Kronauer
Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg - Russland, China und der Westen
Abendveranstaltung , 19:00–21:00 Uhr
Es sind zwei Großkonflikte, für die der Westen seit Jahren rüstet. Einmal gegen Russland, das sich nach seinem dramatischen Niedergang in den 1990ern stabilisiert hat und nun auf einer eigenständigen Rolle in der Weltpolitik beharrt. Zum zweiten gegen China, das bei rasantem Aufstieg im Begriff ist, zur Weltmacht zu werden. Der Machtkampf gegen Russland wie gegen China wird politisch, wirtschaftlich und medial geführt. In wachsendem Maß kommt ein militärischer Aufmarsch hinzu.
Darüber sprechen wir am 10. März 2023, 19 Uhr, mit Jörg Kronauer
Ort: MEZ, Spielhagenstraße 13,
10585 Berlin-Charlottenburg, nahe U-Bhf. Bismarckstraße (U2 und U7) und Bus 109.
Kostenbeitrag: 3 Euro
Schützt bitte euch und andere, indem ihr die Mund- und Nasenschutzmaske auch im MEZ tragt.
Quelle: MEZ, Jan.2023