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Info über Kolumbien

Kolumbianischer Staat verantwortlich für die "Ausrottung" der politischen Partei UP

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass der kolumbianische Staat an einer intensiven Gewaltkampagne beteiligt war, bei der in den 1980er und 90er Jahren Tausende von Mitgliedern der linken Partei Patriotische Union (UP) getötet wurden

Mehr als zwei Jahrzehnte lang beteiligte sich der kolumbianische Staat an intensiven Menschenrechtsverletzungen gegen die linke Partei Patriotische Union (UP) in einer Kampagne der "Vernichtung", wie ein wegweisendes Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte erklärt hat. Ab 1984 wurden mehr als 6.000 UP-Aktivisten, Mitglieder und Unterstützer ins Visier genommen. Das Urteil bekräftigt die Rolle des Staates bei Gräueltaten gegen die Zivilgesellschaft während des bewaffneten Konflikts.

Die UP wurde 1985 im Rahmen eines Friedensabkommens zwischen der damaligen Regierung von Belisario Betancur und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) gegründet. Es brachte ehemalige Guerillas und andere linke Gruppen zusammen, die politische Veränderungen mit Wahlmitteln anstrebten, eine große Abkehr vom bewaffneten Kampf, den die FARC zuvor geführt hatte.

Nachdem die UP jedoch auf regionaler und lokaler Ebene Wahlgewinne erzielt hatte, arbeiteten staatliche Kräfte mit Paramilitärs, Politikern und Wirtschaftsgruppen zusammen, um brutale Gewalt gegen die Partei auszuüben, in einer Kampagne, die in Kolumbien gemeinhin als "politischer Völkermord" bezeichnet wird. Das Ziel war einfach: zu verhindern, dass die UP zu einer glaubwürdigen Alternative zu seit langem etablierten Machtstrukturen wird und, wie das Urteil feststellt, "dem Aufstieg der UP in der politischen Arena entgegenzuwirken".

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein autonomes Tribunal, das mit der Durchführung von Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen in ganz Amerika beauftragt ist. Einige dieser Untersuchungen können nicht ohne weiteres in den Ländern durchgeführt werden, in denen sie angeblich stattgefunden haben.

Das Urteil besagt, dass zu den "systematischen Gewalttaten", unter denen die Opfer leiden und die landesweit verübt werden, das Verschwindenlassen, Massaker, außergerichtliche Hinrichtungen und Morde, Drohungen, körperliche Angriffe, Stigmatisierung, rechtliche Verfolgungen, Folter, Vertreibung und andere gehören. Dies wurde durch Untersuchungen erleichtert, die, wenn sie überhaupt durchgeführt wurden, beklagenswert ineffektiv waren und durch "ein hohes Maß an Straflosigkeit gekennzeichnet waren, das als Formen der Toleranz seitens der Behörden wirkte". In Übereinstimmung mit der aktiven Absprache der Behörden bei der Gewalt ermöglichte das Fehlen von Konsequenzen, dass die Morde und andere Misshandlungen ungehindert fortgesetzt werden konnten.

Darüber hinaus befand das Gericht den Staat für die Verletzung der Rechte der Opfer auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verantwortlich. Dies äußerte sich in der anhaltenden Stigmatisierung einer Partei, die als "innerer Feind" dargestellt wurde, ein Diskurs, der die Verfolgung der UP legitimierte. Hochrangige Staatsbeamte waren am prominentesten bei der Förderung des Klimas der Aggression durch den politischen Diskurs, der, in den Worten des Gerichts, dazu führte, dass "die Situation der Verwundbarkeit ... und ein Motiv zu erzeugen, um Angriffe gegen sie zu fördern." Dies beeinträchtigte nicht nur ihre körperliche Sicherheit, sondern hatte auch schwerwiegende psychologische Auswirkungen auf viele UP-Mitglieder und -Unterstützer.

Die Rechte der Opfer werden bis heute verletzt, da der Staat es versäumt hat, die Gewalt ordnungsgemäß zu untersuchen, die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen oder das Recht der Opfer auf Wahrheit zu wahren.

In seinem Urteil erließ der Gerichtshof mehrere Formen staatlicher Wiedergutmachung:

  • Gewährleistung strenger Untersuchungen und Schlussfolgerungen, die nicht länger als zwei Jahre dauern dürfen, um die Wahrheit über die Geschehnisse zu ermitteln, die Strafmaßnahmen festzulegen, mit denen die Täter konfrontiert werden sollten, und ein Ende der Straflosigkeit zu gewährleisten.
  • Finden Sie die Überreste von Opfern des Verschwindenlassens, deren Aufenthaltsort noch unbekannt ist
  • Medizinische, psychologische oder psychiatrische Behandlung der Opfer
  • Verbreitung und Förderung des Urteils des Gerichtshofs
  • Organisation eines öffentlichen Aktes der Anerkennung der Verantwortung des Staates
  • Schaffung eines nationalen Gedenktages für Opfer und Durchführung von Aktivitäten, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, auch in Schulen und Hochschulen
  • Errichten Sie ein Denkmal für das Gedenken an die Opfer und ihr Vermächtnis
  • Anbringen von Gedenktafeln an mindestens fünf öffentlichen Plätzen zum Gedenken an die Opfer
  • Produktion und Veröffentlichung eines Dokumentarfilms über die Kampagne gegen die UP
  • Starten Sie eine öffentliche Kampagne, um die Öffentlichkeit für die Gewalt, Verfolgung und Stigmatisierung der UP zu sensibilisieren
  • Organisation akademischer Foren an mindestens fünf Universitäten im ganzen Land
  • Erstellung eines Berichts in Zusammenarbeit mit der UP, der sich mit Möglichkeiten zur Verbesserung und Stärkung der Sicherheit für Parteimitglieder befasst
  • Zahlung einer Entschädigung gemäß dem Urteil des Gerichtshofs

Dies ist nicht das erste Gerichtsurteil zu Gewalt gegen die UP. Im März letzten Jahres enthüllte die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP), das im Friedensabkommen von 2016 geschaffene Übergangsgericht, dass 5.733 UP-Mitglieder von 1984 bis 2018 ermordet wurden oder verschwunden sind. Insgesamt dokumentierte das GEP fast 8.300 Personen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur UP ins Visier genommen worden waren. Der Verrat des Staates am Friedensabkommen von 1985 führte in den 1990er und 2000er Jahren zur Eskalation des bewaffneten Konflikts auf seinen Höhepunkt. Der Staat und seine paramilitärischen Stellvertreter griffen routinemäßig Gewerkschafter, Bauern, Studenten, indigene und afrikanisch-kolumbianische Gemeinschaften und andere an, die fälschlicherweise als "Subversive" bezeichnet wurden. Als Reaktion darauf kehrten viele ehemalige Kämpfer, die die FARC in Richtung UP verlassen hatten, in die Reihen der Guerilla zurück.

Im Januar 2021 berichtete der Journalist Alberto Donadio, dass der kolumbianische Präsident Virgilio Barco Vargas, der Belisario Betancur im Jahr nach der Gründung der UP nachfolgte, die Vernichtungskampagne gegen die Partei genehmigte. Die Architekten der Kampagne konnten sie als Erfolg betrachten, da die UP so geschwächt war, dass ihr 2002 ihr Status als politische Partei entzogen wurde. Dies wurde 2013 umgekehrt, als die UP in den Wahlkreis zurückkehrte. Heute ist die UP unter der Leitung von Senatorin Aida Avella, die 1996 nach einem Attentat ins Exil gezwungen wurde, Mitglied der Koalition des Historischen Pakts von Präsident Gustavo Petro, die letztes Jahr als erste linke Regierung in der kolumbianischen Geschichte gewählt wurde.

Nick MacWilliam ist Mitherausgeber von Alborada.

Quelle: Progressiv international; März 2023

Info über Brasilien

Justiz soll möglichen Genozid an Yanomami untersuchen

(31. Januar 2023, La Diaria) Luís Roberto Barroso, Richter am Obersten Bundesgericht Brasiliens, hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes angewiesen, zu untersuchen, ob Staatsorgane während der Regierung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro einen Völkermord an der indigenen Gemeinschaft der Yanomami begangen haben. Da das Ermittlungsverfahren noch läuft, wurden bisher keine Namen von verdächtigten Personen bekannt gegeben.
Die Untersuchung soll ebenso feststellen, ob in diesem Zusammenhang auch Gerichtsurteile missachtet, Geheimnisse verletzt und Umweltverbrechen begangen wurden. Laut Barroso könnte ein Urteil des Obersten Bundesgerichts missachtet worden sein. In diesem war die Regierung verpflichtet worden, dafür zu sorgen, dass etwa 20.000 illegale Bergleute das Schutzgebiet der Yanomami verlassen. Damit sollte verhindert werden, dass Bergleute die dort lebende Bevölkerung mit Covid-19 infizieren, berichtet die spanische Nachrichtenagentur Efe. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass die Weitergabe von Informationen über geplante Maßnahmen gegen den illegalen Bergbau ermöglicht hätte, dass Bergleute die Kontrollen umgehen konnten.
Grundlage für die Entscheidung des Richters waren Informationen, die dem Gericht von der brasilianischen Regierung und der indigenen Organisation Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (APIB) vorgelegt wurden. Wie in den letzten Tagen berichtet, leiden tausende Yanomami an Unterernährung, Wasserverschmutzung und verschiedenen Krankheiten, die in den letzten vier Jahren den Tod von 570 Kindern verursacht haben. Die Krise veranlasste die Regierung, für das etwa zehn Millionen Hektar große Gebiet der Yanomami einen „Gesundheitsnotstand“ auszurufen. Etwa 27.000 Menschen leben hier.
Das Magazin Carta Capital berichtet, dass Barroso der Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva eine Frist von 30 Tagen eingeräumt hat, um eine Bewertung der Lage in dem indigenen Gebiet sowie eine Strategie und einen Zeitplan für die Bekämpfung des illegalen Bergbaus vorzulegen. Dieser, insbesondere der Goldbergbau, ist für die Quecksilberverschmutzung der Flüsse in der Region verantwortlich. Für Barroso zeigen die vorgelegten Daten ein „sehr ernstes und besorgniserregendes Bild, das darauf hindeutet, dass hier Gesetze missachtet und zahlreiche illegale Handlungen begangen wurden.“
Verteidigungsminister José Mucio kündigte einen Besuch mit Befehlshabern der Streitkräfte im Bundesstaat Roraima an, um Einsatzkräfte zu unterstützen, die von der Regierung mit der Bekämpfung des illegalen Bergbaus beauftragt worden waren. Er fügte hinzu, dass verschiedene Einheiten spezielle Aufgaben übernehmen werden: Die Armee wird Kriminelle identifizieren, die Marine wird die Flüsse kontrollieren und die Luftwaffe wird den Luftraum überwachen. „Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen aller Institutionen, damit wir das Problem lösen können. Es ist eine Tragödie. Bevor wir [die Verantwortlichen] finden, müssen wir diese Bevölkerung retten“, sagte Barroso dem brasilianischen Fernsehsender BandNews TV. Ende Januar beschlagnahmten Militär und Polizei 24 Flugzeuge von Goldsuchern. Laut Efe sagte die Polizei, dass weitere Flugzeuge während der Operationen zerstört wurden.

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika; Ausgabe Februar 2023/Das Militär hat in Roraima ein medizinisches Versorgungszentrum für die Bewohner:innen der Region errichtet. Foto: Fernando Frazão/Agência Brasil via Fotos Públicas.

 Verstoß gegen die Menschenrechte

El Salvadors Umweltführer forderten Freiheit

Menschenrechtsorganisationen sagen, dass eines der wahren Ziele der Verhaftungen darin besteht, "den Widerstand der Gemeinschaft zu schwächen".

 

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen und salvadorianische soziale Bewegungen forderten am Donnerstag die sofortige Freilassung von Gemeindeführern aus Santa Marta im Norden des Landes und Vertretern der Association of Social Economic Development (ADES), die von einem örtlichen Gericht wegen angeblicher Verbrechen von vor 40 Jahren ins Gefängnis geschickt worden waren. In einer Erklärung, die gestern veröffentlicht wurde und deren wesentliche Elemente auf einer Pressekonferenz am Donnerstag aufgegriffen wurden, forderten die Organisationen das Gericht erster Instanz von Sensuntepeque (Norden des Landes) auf, "die vorläufige Inhaftierung rückgängig zu machen und das Gerichtsverfahren mit den Inhaftierten in Freiheit fortzusetzen, wie von ihrem Verteidiger gefordert".

 

In diesem Sinne argumentierten sie, dass keine Fluchtgefahr bestehe, da Gemeindeleiter und Umweltschützer "total in der Gemeinschaft verwurzelt sind und wichtige soziale Arbeit leisten", so dass sie diesen Ansatz der Staatsanwaltschaft als "unbegründet" bezeichneten. Ebenso wiesen sie darauf hin, dass das fortgeschrittene Alter einiger Häftlinge und das Leiden an chronischen Krankheiten "die Inhaftierung zu einer Bedrohung für ihr Leben macht", da sie unter anderem Gesundheitskontrollen und Medikamente behindert.

 

Gleichzeitig betonten sie, die Inhaftierung sei eine "Willkür und Ungerechtigkeit" sowie "diskriminierend und stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip dar, denn in allen anderen Gerichtsverfahren zu während des Krieges begangenen Verbrechen werden die Angeklagten in Freiheit verfolgt".

 

Dementsprechend bekräftigten sie, dass die wahren Ziele der Verhaftungen darin bestehen, "den Widerstand der Gemeinschaft zu schwächen, um gesetzlich verbotene Bergbauprojekte zu reaktivieren, in der Auflösung des Friedensabkommens gipfeln und die Verfolgung sozialer Organisationen zu vertiefen".

 

Zu den Unterzeichnern der Beschwerde gehören die Zentralamerikanische Allianz gegen Bergbau, die Allianz gegen die Privatisierung des Wassers, die Feministische Versammlung, der Block des Widerstands und der Volksrebellion, das Nationale Gesundheitsforum, die Antifaschistische Jugend, der Tisch für Ernährungssouveränität und die Bürgersicherheitsplattform.

 

Die Klage kam, nachdem das Gericht erster Instanz von Sensuntepeque am Mittwoch den Antrag abgelehnt hatte, die vorläufige Inhaftierung der Führer von Santa Marta und ADES rückgängig zu machen, was Proteste vor dem Gericht auslöste, um weiterhin Gerechtigkeit zu fordern.

Quelle: teleSUR v.09.02.2023

Verstoß gegen Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 31.01.2023, Seite 6 / Ausland

MENSCHENRECHTE USA UND EU

Verstoß gegen Menschenrechte

UNO kritisiert Sanktionen der EU und USA gegen Venezuela

Von Volker Hermsdorf

 

Die von den USA und der EU gegen Venezuela verhängten Sanktionen verstoßen nach Einschätzung der UNO gegen die Menschenrechte. Das bestätigte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, am Sonnabend bei einer Pressekonferenz auf dem Internationalen Flughafen in Caracas. Zum Abschluss eines dreitägigen Besuchs des südamerikanischen Landes forderte Türk, »alle Maßnahmen aufzuheben, die sich nachteilig auf Venezuela und dessen Bevölkerung« auswirken.

Es sei für ihn offensichtlich, »dass die seit 2017 gegen Venezuela verhängten sektoralen Sanktionen die Wirtschaftskrise verschärft und die Menschenrechte beeinträchtigt haben«, fasste der aus Österreich stammende Jurist seine Eindrücke zusammen. Die Vorwürfe gegen die USA und die EU erhob der UN-Vertreter, nachdem er sich über die Folgen der einseitigen Strafmaßnahmen für die venezolanische Bevölkerung informiert hatte. Er sei in den vergangenen zwei Tagen mit mehr als 125 Mitgliedern der Zivilgesellschaft, mit Menschenrechtsverteidigern, Vertretern der Kirche, Oppositionspolitikern und hochrangigen Regierungsmitgliedern zusammengetroffen, sagte Türk vor seiner Abreise.

 

Neben der Kritik an den westlichen Sanktionen bot der Menschenrechtsbeauftragte die Unterstützung der Vereinten Nationen beim Dialog zwischen Regierung und Opposition an, der in Mexiko stattfindet. Er erklärte seine Bereitschaft, »aufgrund der Erfahrung im Bereich der Menschenrechte eine Brücke zwischen der Opposition und der venezolanischen Regierung« zu schlagen und forderte beide Seiten auf, »einander in einem sinnvollen Dialog zuzuhören, um eine gemeinsame Vision für die Zukunft zu finden«. Während seines Aufenthalts war Türk unter anderem mit Präsident Nicolás Maduro und Mitgliedern der gesprächsbereiten Opposition zusammengetroffen.

Zeitgleich mit dem Besuch des UN-Vertreters kündigte die Nationalversammlung am Donnerstag an, einen Ausschuss einzurichten, der unter anderem die Unterstützung einiger Oppositioneller für Aktivitäten der USA zum Sturz der gewählten Regierung untersuchen soll. Anlass ist die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Buches »Never Give an Inch« (Niemals einen Zoll nachgeben) von Michael Pompeo, dem ehemaligen US-Außenminister (2018–2021) und CIA-Direktor (2017–2018). »Wir konnten nicht dulden, dass ein Land, das nur 1.400 Meilen von Florida entfernt ist, Russland, China, Kuba und dem Iran den roten Teppich ausrollt«, schreibt Pompeo. Washington habe Sanktionen verhängt, um das Land »von einem Diktator zu befreien«. Ziel war es, so Pompeo, der venezolanischen Regierung »die Möglichkeit zu nehmen, Devisen zu erwirtschaften, und sie daran zu hindern«, Öl und Gold zu exportieren, was »ihre Haupteinnahmequellen« seien. Vor den Wahlen im Jahr 2018 »sahen wir die Chance, dem Regime mit Hilfe eines relativ unbekannten 35jährigen Oppositionspolitikers namens Juan Guaidó, das Leben schwerzumachen«. In seinem Buch gibt Pompeo zu, dass Washington die extremistische Opposition um Juan Guaidó mit einer Milliarde US-Dollar finanzierte. Der venezolanische Außenminister Yván Gil erklärte dazu am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter: »Während das Imperium den Tod in unserem Land plante, wurde es hier von Gruppen unterstützt, die das Heimatland ausverkauften (…) heute gestehen die Aggressoren.«

Quelle: junge Welt v.31.01.2023/ Juan Carlos Hernandez/ZUMA Wire/imago

Nachbarschaftshilfe zur Versorgung der Bedürftigsten im Stadtbezirk Miguel Peña von Valencia (17.10.2020)

Verstoß gegen Menschenrechte

Jedes fünfte Kind arm? Jedes vierte? Egal, Panzer sind wichtiger

29 Jan. 2023 12:49 Uhr

Jedes Jahr gibt es neue Zahlen zur Armut, die den alten gleichen, und immer wieder gibt es Berichte der Bertelsmann-Stiftung dazu. Aber es ändert sich nichts, zumindest nicht zum Guten. Wenn es nächstes Jahr noch einen solchen Bericht geben sollte, sind noch mehr Kinder arm.

Von Dagmar Henn

 

Die Bertelsmann-Stiftung ist dieses Jahr etwas zu früh dran, um das Thema "Kinderarmut" in die Presse zu bringen. Das Gehege für Sozialthemen in der deutschen Medienlandschaft erstreckt sich nämlich zweimal im Jahr über jeweils vier Wochen – vor Ostern und vor Weihnachten. Den Rest des Jahres wird eigentlich konsequent so getan, als wäre da nichts. Und, wenn man strikt nach Nachrichtenqualität geht: Dass über 40 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden (samt der Mütter) in Armut leben, ist nichts Neues. Die Einführung von Hartz IV führte zu einem Sprung nach oben; aber schon davor lag die als "Armutsrisiko" beschönigte Armut Alleinerziehender bei 35,4 Prozent. Und auch das ist konstant: Über die Hälfte aller in Armut lebender Kinder sind Kinder Alleinerziehender. Wir reden also von einem Zustand, der Gesellschaft und Politik seit langem bekannt ist, an dem sich aber nichts zum Besseren ändert.

 

Gleiches gilt für die regionale Verteilung. Es sind die ehemaligen Industriestandorte, an denen die Armut besonders groß ist; in Deutschland nicht anders als in Großbritannien. Im Ruhrgebiet führt Gelsenkirchen, die einstige Zechenhochburg, mit 41,7 Prozent, gefolgt von Essen, Dortmund, Hagen, Herne und Duisburg mit jeweils knapp über 30 Prozent Kindern und Jugendlichen, die von Hartz IV leben müssen. Auch Bremen und Bremerhaven liegen in dieser Größenordnung. Und so ist es ebenfalls seit Jahren, seit Jahrzehnten.

 

Die Begriffswahl "Kinderarmut" entstand übrigens in den 2000ern nach der Einführung von Hartz IV, als die erste Überprüfung des Regelsatzes anhand einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe stattfand. Da stellte sich nämlich heraus, dass der Regelsatz, also die monatlich zu zahlende Leistung, deutlich erhöht werden müsste, wenn man, wie es das Gesetz ursprünglich vorsah, den Verbrauch der unteren 20 Prozent der Bevölkerung zum Maßstab nähme. Um das zu umgehen, wurde schwupps der Maßstab auf die untersten 15 Prozent reduziert, und zusätzlich wurden reihenweise Ausgaben für unnötig erklärt und damit gestrichen, wie Alkohol, Tabak, Wirtshausbesuche etc. Gestützt wurde das durch eine entsprechende publizistische Kampagne, die der Bevölkerung einreden sollte, Eltern, die Hartz IV bezögen, würden zusätzliches Geld ohnehin nur versaufen.

Die nächste Runde Verunglimpfung gab es dann, als bekannt wurde, dass sich arme Kinder keine Musikschule und keine Sportvereine leisten können, und dann die später als Flintenuschi bekannt gewordene, inzwischen als Präsidentin der EU-Kommission amtierende Ursula von der Leyen ein bürokratisches Monstrum namens Bildungs- und Teilhabepaket gebar, erneut mit der Begründung, die Eltern würden zusätzliches Geld ohnehin nur versaufen (wobei man sich angesichts der Karriere von Flintenuschi durchaus fragen kann, ob das nicht selbst dann bei den Eltern noch besser aufgehoben wäre als bei drei Dutzend Beratergesellschaften).

Nachdem arme Eltern derart als grundsätzlich unverantwortlich gebrandmarkt waren, was natürlich nur ging, indem man die Alleinerziehenden, die die weit überwiegende Mehrheit dieser armen Eltern darstellen, aus der Wahrnehmung verschwinden ließ, weil "versaufen" und alleinerziehend doch keine so überzeugende Kombination sind, und damit endgültig feststand, dass arme Eltern arm sind, weil sie es nicht besser verdient haben, ermöglicht der Begriff "Kinderarmut" zumindest, noch gelegentlich über diese Armut zu sprechen.

Die Bertelsmann-Stiftung folgt diesem Muster, an dessen Etablierung sie nicht unschuldig war, auch brav.

"Kinder- und Jugendarmut ist in der Regel immer auch Familienarmut und muss daher im Zusammenhang mit der Situation der Familie betrachtet werden. Kinder und Jugendliche können nichts dafür, wenn sie in armen Verhältnissen aufwachsen. Sie trifft keine Schuld."

Subtil, aber bösartig. Nur die Kinder und Jugendlichen trifft keine Schuld. Den Rest der Familie, überwiegend die Mütter, dann eben doch, oder? Die Väter spielen übrigens gar keine Rolle, und die Gesellschaft erst recht nicht. Dabei weist schon die regionale Verteilung darauf hin, dass es der ökonomische Zustand der Region ist, der die entscheidende Rolle spielt. Auch wenn, das muss an dieser Stelle auch gesagt werden, die "Armutsgefährdung" im Süden der Republik bei Weitem nicht so niedrig ist, wie der bundesweite Armutsbericht und auch diese Bertelsmann-Studie es verzeichnen.

Auch die Preise sind nämlich nicht überall gleich. Vor vielen Jahren gab es eine Studie mit einem Vergleich der Lebenshaltungskosten innerhalb Bayerns. Dabei ergab sich, dass selbst ohne Berücksichtigung der Mieten das Leben in Landshut um ganze 15 Prozent günstiger war als in München. Und eine ortsspezifische Armutsgrenze für München, streng nach dem europäischen Kriterium von 60 Prozent des gewichteten Medianeinkommens, ergab plötzlich eine Armutsquote von mehr als 20 Prozent.

Aber das ist egal. Jedes Jahr von Neuem. Das wäre anders, würden die Zahlen zu Armut, Wohnungslosigkeit, zu jedem Aspekt des sozialen Elends einmal im Monat auf der Vorderseite des Lokalteils veröffentlicht, als Gradmesser der politischen Leistung. Jedes fünfte Kind lebt in Armut, deutschlandweit, noch immer. Jedes Jahr, wenn die entsprechenden Berichte erscheinen, wird kurz einmal getönt, ja, da müsse man tätig werden. Und im nächsten Jahr kommen dieselben Zahlen wieder.

 

Überhaupt, der ganze Bericht erzählt eine Geschichte von gestern. Die zugrundeliegenden Zahlen sind von 2021. Zwischen diesen Zahlen und heute liegt ein Jahr mit hoher Inflation, die gerade für die Armen eben mehr als die offiziellen zehn Prozent betragen hat, weil Nahrungsmittel und Energie einen besonders großen Anteil der Ausgaben ausmachen. Allein diese Entwicklung dürfte den Anteil armer Kinder auf mindestens ein Viertel erhöht haben, was dann für Orte wie Gelsenkirchen hieße, dass die Hälfte der Kinder arm ist.

Ein Viertel der Kinder, die von Hartz IV leben müssen, hat keinen Computer. Die Studie erwähnt das, ohne ins Gedächtnis zu rufen, dass gerade erst im letzten Jahr dieser fehlende Computer hieß, den in die Distanz verlegten Schulunterricht komplett zu verpassen. Noch so ein Signal, wie gleichgültig die Gesellschaft der Armut gegenüber ist – schon die erste Überlegung, Unterricht über das Internet abzuhalten, hätte damit verbunden sein müssen, wie man Rechner und Anschlüsse für die Kinder sicherstellt, die keinen haben. Aber ein Computer pro Kind ist nach wie vor nicht Teil des Bedarfs.

67,6 Prozent der Familien, die von Grundsicherung leben, fahren nicht einmal für eine Woche in den Urlaub, stellt die Studie fest. Tatsächlich bräuchten die meisten mehr als eine Woche; drei Wochen seien die Voraussetzung zur Erholung, wird allgemein gesagt. Interessanterweise ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz sogar Familienurlaub vorgesehen, aber an keinem Ort wurde dieser Anspruch bisher umgesetzt. Es wäre möglich.

Überhaupt wäre vieles möglich, so man denn wollte. Garantiert hätten die Kinder und die Alleinerziehenden eine Lobby wie das Kiewer Regime, mit Fürsprechern in jeder Redaktion und einem Haufen Internettrolle, in drei Wochen wäre das Ding gewuppt. Ein, zwei Kitschreden der Sorte Annalena "da hungern Kinder" dazu, noch eine Handvoll Talkrunden, in denen sämtliche Gäste in unterschiedlichen Tonlagen beteuern, welch wichtige Herausforderung es doch für das Land wäre, dass alle Kinder gut heranwachsen, welch bedeutende europäische Werte doch Menschenwürde, Bildung und Kultur seien, die man unbedingt gegen die materielle Not verteidigen müsse – fertig.

Ja, wenn man Armut mit Panzern bekämpfen könnte. Leider ist das Wort "Kinderarmut" aber noch in einem ganz anderen Sinne passend für Deutschland. Das Land ist arm an Kindern. Was unmittelbar mit der Armut von Kindern verknüpft ist, auch wenn immer so getan wird, als wäre das eher ein Produkt einer modernen Gesellschaft. Die Geburtenrate der DDR war wesentlich höher, und sie sank sofort ins Bodenlose, als die soziale Sicherheit schwand. Migranten übrigens haben genau in der ersten Generation mehr Kinder als Deutsche. Sobald klar ist, dass die ausgedehnten Familiennetzwerke als soziale Unterstützung ausfallen, die staatliche aber eher darauf ausgerichtet ist, von der Kinderaufzucht abzuhalten, fällt auch da die Geburtenrate.

 

Der ganze Umgang mit Armut in Deutschland richtet sich nicht am Interesse der Bevölkerung aus, zu der eben auch der arme Teil gehört, sondern an dem der Kapitaleigner; bei Hartz IV ging es schlicht darum, die Löhne zu drücken, was ja auch gelang, und die diversen Migrationswellen dienen dem selben Zweck, mit dem zynischen Hintergedanken, dass es billiger ist, das Menschenmaterial fertig zu importieren. Zuletzt gab es eine Reihe von Punkten, an denen das Probleme machte, weil sich die Strecke vom Analphabeten zum Metallfacharbeiter eben doch über ein Jahrzehnt hinzieht; aber wenn die deutsche Industriegesellschaft einmal geschreddert ist – um einen Holzpflug zu ziehen, muss man nicht lesen können.

 

Man kann den diesjährigen Durchlauf des Themas "Kinderarmut" durchaus als Abschiedsvorstellung betrachten. Die aktuelle Bundesregierung tut ihr Bestes, das Thema Armut gleichzeitig aus seinem Nischendasein zu befreien, indem die Gruppe der Armen zielgerichtet ausgeweitet wird, und es gleichzeitig im schwarzen Loch der Berichterstattung zu versenken. Denn wer wird noch über Kinder berichten, denen die Geburtstage von Freunden entgehen, weil sie keine Geschenke kaufen können, wenn die Ampel es endlich geschafft hat, Europa in Brand zu setzen? Beim jetzigen Tempo jedenfalls findet die Weihnachtsrunde Sozialthemen bereits nicht mehr statt.

Und wenn man den Grad der Unmenschlichkeit betrachtet, des Antihumanismus, der sich in dem Kriegsgeschrei, dem erbarmungslosen Verheizen der Ukrainer, dem blanken Rassismus gen Russland und der Zerstörung des deutschen Wohlstands gleichermaßen ausdrückt, muss man feststellen, dass die Kaltschnäuzigkeit, mit der bald 20 Jahre lang derartige Berichte über arme Kinder zu den Akten gelegt und vergessen wurden, Vorahnung wie Vorbereitung waren.

 

Denn Menschlichkeit ist instinktiv; Kinder kennen Mitgefühl und haben einen Sinn für Gerechtigkeit, ohne sie gelehrt zu bekommen. Es ist die Unmenschlichkeit, die eingeübt werden muss. Die Gleichgültigkeit gegenüber der Armut und die Bereitschaft, zur Erhaltung eines globalen Raubregimes in den Krieg zu ziehen, sind Schritte auf ein und demselben Weg in den Abgrund. Die Karriere der Ursula von der Leyen von der Erfinderin des Bildungs- und Teilhabepakets zu Flintenuschi zur obersten europäischen Kriegstreiberin besitzt eine tiefe innere Logik.

 

Quelle: rtde.v.29.01.2023/Symbolbild; Bamberg, 18.01.2023

 Verstoß gegen die Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 27.01.2023, Seite 1 / Inland

VERELENDUNG

Kinder- und Jugendarmut auf Rekordhoch

Neue Studie: 20,8 Prozent der Heranwachsenden in Armut, bei jungen Erwachsenen sogar 25,5 Prozent

Von Alexander Reich

 

In der reichen BRD leben 2,88 Millionen Kinder und Jugendliche in Armut. Mehr als jeder fünfte Heranwachsende ist betroffen. Bei den jungen Erwachsenen (18 bis unter 25 Jahre) sind es 1,55 Millionen. Hier liegt der Anteil mit 25,5 Prozent von allen Altersgruppen am höchsten, heißt es in einer Studie, die die Bertelsmann-Stiftung am Donnerstag vorstellte.

Die Armutsschwelle liegt bei 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens. Bei Paarfamilien mit zwei Kindern sind das 2.410 Euro im Monat, Transferleistungen eingeschlossen, bei Alleinerziehenden mit einem Kind 1.492 Euro. In der Studie ist euphemistisch von »Armutsgefährdung« die Rede.

Junge Erwachsene in Ostdeutschland sind deutlich häufiger betroffen als Gleichaltrige im Westen (32,5 Prozent bzw. 24,2 Prozent). Im Osten liegt der Anteil junger Frauen dabei 6,2 Prozent über dem der jungen Männer, im Westen sind es nur 2,9 Prozent. Aber auch im Westen sind die regionalen Unterschiede riesig. In der bayerischen Kreisstadt Roth liegt die Kinderarmutsquote bei 2,7 Prozent, in Gelsenkirchen bei 41,7 Prozent.

 

Besonders hoch liegen die Anteile mit 41,6 Prozent bei Alleinerziehenden, am schlimmsten ist es in Mecklenburg-Vorpommern (50 Prozent) und Bremen (54 Prozent). Die Zahl der Kinder von Alleinerziehenden, die Transferleistungen beziehen, ist im Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 11,5 Prozent gestiegen. Auch bei der Zahl aller Heranwachsenden in Bedarfsgemeinschaften gab es den ersten deutlichen Anstieg seit fünf Jahren, heißt es in der Studie. Zurückgeführt wird das auf ukrainische Kriegsflüchtlinge. Im übrigen erhält jeder fünfte dieser Jugendlichen aus finanziellen Gründen kein Taschengeld. In der Vergleichsgruppe sind es nur 1,1 Prozent.

Auch die Abhängigkeit des Lernerfolgs »vom sozioökonomischen Status« hat sich laut Studie »nochmal erhöht«: »Die soziale Schere geht weiter auseinander.« In einer Reaktion forderte der Sozialverband VdK am Donnerstag einen »Neustart im Kampf gegen Kinderarmut«. Der Paritätische erklärte die Studienergebnisse zum »Resultat jahrzehntelanger politischer Unterlassungen«.

Quelle: junge welt vom 27.01.2023/ picture alliance / dpa-Zentralbild

»Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.«

 Info über Verstoß gegen Menschenrechte in Argentinien

Milagro Sala feiert sieben Jahre Haft und fordert ihre Freilassung

Menschenrechtsorganisationen haben den Präsidenten aufgefordert, Sala zu begnadigen, was der Präsident wegen angeblicher Inkompetenz in dem Fall bestritten hat.

Die Referentin der Organisation der indigenen Völker von Argetina Tupac Amaru, die Führerin Milagro Sala, ratifizierte diesen Montag anlässlich eines neuen Jahrestages ihrer Verhaftung, dass es sich um eine willkürliche Inhaftierung handelt und Teil dessen, was sie ein "Labor der Lawfare" nannte.

Sala steht weiterhin unter Hausarrest, erhält Zeichen der Unterstützung und Solidarität von Organisationen und Persönlichkeiten, die die sogenannte Verfolgungsaktion der Provinzregierung von Jujuy unter der Leitung von Gerardo Morales anprangern.

Die indigene Führerin beschwert sich über das, was sie die Untätigkeit von Präsident Alberto Fernández nennt, und ging so weit zu sagen, dass "es wie Judas aussieht", in Bezug auf das letzte Treffen, das sie Mitte letzten Jahres hatten, als der Präsident sie anlässlich eines Krankenhausaufenthalts wegen gesundheitlicher Probleme besuchte.

Im Gespräch mit einem lokalen Radiosender sagt Sala, dass er das Gefühl hat, dass es ihm "schlecht geht. Ich fühle mich allein, dass sie mich vergessen haben. Früher haben alle Fotos mit politischen Gefangenen gemacht, heute ist es, als würden sie uns ausweichen. Irgendwann fühlte es sich so an, als ob sie vielleicht nicht glauben, dass du für das, was dir vorgeworfen wird, zur Rechenschaft gezogen werden willst. Sie geben dir Schuldgefühle."

Menschenrechtsorganisationen haben gefordert, dass Präsident Fernández Sala begnadigt, was der Präsident mit dem Argument abgelehnt hat, dass es sich um eine gerichtliche Resolution der Provinz handelt, die er nicht rückgängig machen kann.

Ende vergangener Woche berichtete sein Hausarzt Jorge Rachid, Sala zeige ein Bild von "einer tiefen Thrombose in der linken unteren Extremität, die bereits zuvor operiert worden war".

Nach Angaben des Arztes wird sie im öffentlichen Krankenhaus von Jujuy jedes Mal misshandelt und gewalttätig, wenn sie behandelt wurde, so dass sie gebeten wurde, in ein Zentrum in Buenos Aires verlegt zu werden, aber laut Rachid bestreitet die Provinzregierung von Gerardo Morales die Möglichkeit.

https://twitter.com/FGBuenosAires/status/1614969280730173443?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1614969280730173443%7Ctwgr%5E0d144fcfae011a96f36e2fe22dea457f79f83d46%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.telesurtv.net%2Fnews%2Fmilagro-sala-siete-anos-encarcelamiento-20230116-0008.html%3Futm_source%3Dplanisysutm_medium%3DNewsletterEspaC3B1olutm_campaign%3DNewsletterEspaC3B1olutm_content%3D7

 

Sala befand sich zu Beginn seiner Haft im Frauengefängnis von Alto Comedero, aber seit 2017 verbüßt er seine Strafe mit Hausarrest, nachdem der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil in dieser Hinsicht erlassen hatte und das vom Obersten Gerichtshof angeordnet wurde.

Quelle: teleSUR v.16.01.2023

 

Menschenrecht ist in Frieden zu leben und in  eine menschenwürdige Unterkunft !!!

Aus: Ausgabe vom 13.01.2023, Seite 1 / Titel

ARMUT IN DER BRD

Hätte, hätte, Panzerkette

Größtes Defizit seit 20 Jahren: 700.000 Wohnungen fehlen. Bündnis fordert »Sondervermögen« für sozialen Wohnungsbau

Von Susanne Knütter

 

Für Aufrüstung gibt es ein milliardenschweres »Sondervermögen«, nicht jedoch für den sozialen Wohnungsbau. Das zu ändern forderte das Bündnis »Soziales Wohnen« auf seiner Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Berlin. Die Summe, die das Bündnis, an dem sich neben dem Mieterbund und der Gewerkschaft IG BAU auch Sozialverbände und Branchenvertretungen der Bauwirtschaft beteiligen, verlangt, ist allerdings deutlich geringer. 50 Milliarden Euro solle der Staat für den Neubau von 380.000 Sozialwohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode bereitstellen. Damit könnte die Bundesregierung dem selbstgesteckten und bisher weit verfehlten Ziel von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr gerecht werden.

Wie groß der Bedarf an Wohnungen insgesamt ist, legte das Verbändebündnis anhand zweier Studien dar. Im Jahr 2022 baute sich mit über 700.000 fehlenden Wohnungen das größte Defizit seit mehr als zwanzig Jahren auf. Kamen im Jahr 1987 in Westdeutschland auf 100 Mieterhaushalte 25 Sozialwohnungen, ist die Zahl aktuell auf fünf zurückgegangen, wie Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts in Hannover, erläuterte. Dabei hätten derzeit offiziell elf Millionen Mieterhaushalte einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und somit auf eine Sozialwohnung. Aber nur für jeden Zehnten davon gibt es aktuell eine. Und der Bedarf werde noch einmal deutlich ansteigen. Infolge des Kriegs in der Ukraine habe 2022 die Zahl der Geflüchteten hierzulande einen Rekord erreicht. 2022 lebten rund 1,5 Millionen Menschen zusätzlich in Deutschland. »Wer in die BRD flüchtet und längere Zeit bleibt, ist auf den sozialen Wohnungsmarkt angewiesen«, so Günther.

 

Damit wird deutlich: Es fehlt in erster Linie an bezahlbarem Wohnraum. Aber wie die Wohnungswirtschaft diese Situation ausnutzt, um immer höhere Profite aus ihren Mietern herauszupressen, war nicht das Thema dieser Pressekonferenz. Die Lösung sehen die am Bündnis beteiligten Organisationen einmal mehr in dem Instrument »Bauen, Bauen, Bauen«. Und dafür brauche es einen »Juckreiz«, damit Verbände und Unternehmen in den sozialen Wohnungsbau einsteigen, wie der Vizevorsitzende der IG BAU, Harald Schaum, die »nötigen« finanziellen »Anreize« bezeichnete. Dazu gehöre etwa auch ein Steuerpaket für den sozialen Wohnungsbau. Allein durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent wäre eine durchschnittliche Sozialwohnung von 60 Quadratmetern Wohnfläche um mehr als 20.000 Euro günstiger zu bauen. Damit einhergehen könnte – nebenbei bemerkt – eine längerfristige Sozialbindung für die so errichteten Wohnungen. Ein weiterer Anreiz wären schnellere und unbürokratischere Genehmigungsverfahren.

Ein Aspekt, der den Forderungen des Bündnisses in den Augen der Bundesregierung Nachdruck verleihen könnte, ist der Mangel an Arbeitskräften. Künftig sei der deutsche Arbeitsmarkt auf 300.000 bis 500.000 Menschen angewiesen, die pro Jahr zuwanderten. Ohne sie würde etwa der Sozial- und Gesundheitsbereich zusammenbrechen, erklärte Janina Bessenich, Geschäftsführerin des Caritas-Fachverbandes Behindertenhilfe und Psychiatrie. Aber schlechte Bezahlung und teure Wohnungen sind eher keine Anreize, um nach Deutschland zu kommen. Es sei denn, die Not andernorts ist noch größer. Vielleicht gehört das zum Kalkül der Bundesregierung bei ihrem außenpolitischen Kurs.

Quelle: junge Welt v.13.01.2023/ picture alliance / Daniel Kubirski

Nach der Wahl wurden die Prioritäten etwas deutlicher: Das angekündigte Budget für Sozialwohnungen wanderte in die Aufrüstung

Menschenrechte in der BRD - das ist die Realität

Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte wird Rente unter 1.200 Euro erhalten

Die gesetzliche Altersvorsorge könne den Lebensstandard vieler Rentner nicht mehr sichern, kritisiert Dietmar Bartsch. Der Chef der Linksfraktion fordert eine Reform.

Aktualisiert am 12. Januar 2023, 11:48 Uhr 

 

                                                                        

 

Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag © Michael Kappeler/​dpa

Mehr als ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland wird nach Zahlen der Bundesregierung im Alter eine gesetzliche Nettorente von unter 1.200 Euro erhalten. Das berichtet die Augsburger Allgemeine unter Berufung auf eine Anfrage der Linken. Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, nannte die Zahlen alarmierend. "Wir brauchen eine große Rentenreform in Deutschland", sagte er der Zeitung.

Laut Bundesregierung würden 36 Prozent der künftigen Rentnerinnen und Rentner selbst nach 45 Arbeitsjahren maximal 1.200 Euro netto aus der gesetzlichen Altersvorsorge erhalten. Dies trifft dem Bericht zufolge auch auf das wohlhabendere Süddeutschland zu: In Bayern landen 33 Prozent und in Baden-Württemberg 29 Prozent der künftigen Bezieher trotz Vollzeitarbeit unter der genannten Grenze.

Nach den Zahlen aus Daten der Bundesagentur für Arbeit ist das Problem niedriger Rentenansprüche in Ostdeutschland am größten. In Sachsen wird demnach über die Hälfte der künftigen Rentnerinnen und Rentner mit maximal 1.200 Euro aus der gesetzlichen Versicherung nach Hause gehen, in Thüringen gar 57 Prozent.

Bartsch fordert Reform nach Vorbild Österreichs

"Wir brauchen eine Rentenkasse wie in Österreich, wo die durchschnittliche Rente 800 Euro höher ist als bei uns", forderte Bartsch. "Das ist möglich, weil dort nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber einzahlen, sondern alle Bürger mit Erwerbseinkommen – auch Abgeordnete, Beamte, Selbstständige und Manager. Was Österreich kann, muss auch Deutschland können."

Bartsch verwies darauf, dass das Problem sämtliche Bundesländer betreffe: "Derzeit müsste ein Vollzeitbeschäftigter 3.034 Euro brutto im Monat 45 Jahre durchgehend verdienen, um rechnerisch auf 1.200 Euro Nettorente zu kommen", sagte der Fraktionschef der Linken. "Das Verhältnis stimmt nicht." Lohn- und Rentenniveau seien vielfach zu gering.

Die gesetzliche Rente sichere häufig nicht mehr den Lebensstandard, sagte Bartsch weiter. "Gerade angesichts der galoppierenden Inflation sind deutliche Lohnsteigerungen und eine schrittweise Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent geboten."

QuellE. Zeit-online 12. Jan.2023 / Bild GeFiS-Archiv

Verletzung von Menschenrechten in der BRD

Aus: Ausgabe vom 09.01.2023, Seite 1 / Inland

MOBILISIERUNG GEGEN POLIZEIGEWALT

Gedenken an Oury Jalloh und weitere Opfer rassistischer Polizeigewalt

Dessau. Das war Mord. Mit dieser Aussage zogen rund 1.600 Demonstranten am Sonnabend durch Dessau. Gefordert wurde Gerechtigkeit für den dort am 7. Januar 2005 in einer Arrestzelle der Polizei verbrannten Oury Jalloh. Denn seit 18 Jahren wird die Aufklärung der Todesumstände von staatlicher Seite durch Lügen und Vertuschung verhindert. Die Demonstranten warfen Hunderte Feuerzeuge in den Briefkasten der Staatsanwaltschaft. Mit einem Feuerzeug habe der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh sich und die Matratze in seiner Zelle selbst angezündet, so lautete die durch forensische Gutachten und Brandversuche widerlegte Behauptung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Dank der von der Initiative Oury Jalloh – Break the Silence in Auftrag gegebenen Untersuchungen steht fest, dass der Guineer schwer körperlich misshandelt wurde, ehe er verbrannte. Bislang wurde nur ein Polizist wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel in Sachsen-Anhalt liegt der Fall seit drei Jahren dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor.

Auf der Dessauer Demonstration wurde auch an andere Opfer von rassistischer Polizeigewalt und Neonaziangriffen erinnert – so an den im vergangenen Jahr in Dortmund von Polizisten erschossenen 16jährigen Mouhamed Lamine Dramé. (jW)

Quelle: junge Welt v.09.01.2023

USA verletzen Flüchtlingsrechte

UN verurteilt US-Vorgehen wegen Verletzung von Flüchtlingsrechten

Die jüngsten Grenzmaßnahmen, die von der Biden-Regierung gefördert wurden, "entsprechen nicht den Normen des Flüchtlingsrechts", so UNHCR.

Der Sprecher des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, Boris Cheshirkov, sagte am Freitag, dass neue US-Einwanderungsmaßnahmen die Rechte der Flüchtlinge verletzen, indem sie internationale Standards nicht erfüllen.

Auf einer Pressekonferenz in Genf sagte der Sprecher, dass UNHCR zwar die Öffnung neuer und sicherer Wege für einige Länder in die USA begrüße, diese Regeln "dürfen diejenigen, die zur Flucht gezwungen sind, nicht daran hindern, ihr grundlegendes Menschenrecht auf Sicherheit auszuüben".

Nach Ansicht der UN-Agentur entsprechen die jüngsten Grenzmaßnahmen, die von der Biden-Regierung gefördert werden, "nicht den Normen des Flüchtlingsrechts", da sie Migranten die Möglichkeit verweigern würden, Asyl in den Vereinigten Staaten zu beantragen, wenn sie ohne Erlaubnis aus Mexiko kommen.

Laut offiziellen Quellen analysiert UNHCR die neuen Maßnahmen und die Folgen ihrer Anwendung, die die Einreise "einer beispiellosen Anzahl von Menschen" aus den vier lateinamerikanischen Nationen in die Vereinigten Staaten ermöglichen werden.

Ebenso hat die Agentur auf ihrer Besorgnis über die Kontinuität von Titel 42 bestanden, der umstrittenen Regel, die die sofortige Ausweisung von Migranten aus gesundheitlichen Gründen erlaubt, nachdem ihre Verlängerung vom Obersten Gerichtshof des nördlichen Landes gebilligt wurde.

"Was wir wiederholen, ist, dass dies weder im Einklang mit den Normen des Flüchtlingsrechts steht, noch um eine Verbindung zwischen den angekündigten sicheren und legalen Wegen herzustellen", schloss Cheshirkov.

Quelle: teleSUR v.07.01.2023 (Bild, © UNHCR/Nicolo Filippo Rosso Asylsuchende kommen an der Südgrenze der Vereinigten Staaten an; Laut UNHCR würde die neue US-Maßnahme Migranten die Möglichkeit verweigern, Asyl zu beantragen, wenn sie ohne Erlaubnis aus Mexiko in die Vereinigten Staaten einreisen. | Foto: EFE.)

Info über Peru

„Wir sehen schwere Menschenrechtsverletzungen“

(Lima, 19. Dezember 2022, Exitosa Noticias).- Mar Pérez, Anwältin der peruanischen Nationalen Menschenrechtskoordination (CNDDHH) erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal Exitosa Noticias, dass die hohe Zahl an Toten und Verletzten bei den jüngsten landesweiten Protesten auf „schwere Menschenrechtsverletzungen“ zurückzuführen seien. Die Anwältin kritisierte, dass die Regierung die Streitkräfte eingesetzt hat, um bei der Wiederherstellung der Ordnung mitzuwirken. Sie wies darauf hin, dass die Armee nicht dafür ausgebildet sei, Menschenansammlungen zu zerstreuen, sondern dass „sie darauf trainiert ist, militärische Ziele zu eliminieren“.
„Wir haben es mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu tun, die nicht als individuelle Exzesse bezeichnet werden können. Indem die Regierung die Beteiligung der Streitkräfte an der Kontrolle der inneren Ordnung genehmigt hat, trägt sie die Verantwortung“, erklärte sie.

„Man darf nicht schießen, um einen Flughafen zu verteidigen“

Mar Pérez erinnerte daran, dass die Ordnungskräfte nach den internationalen Menschenrechtsnormen nur dann schießen dürfen, wenn es um die Rettung von Menschenleben geht. „Man darf nicht schießen, um eine Straße freizumachen, um eine Menschenmenge zu zerstreuen, nicht einmal, um Infrastruktur, etwa einen Flughafen, zu verteidigen“, sagte sie. Die Anwältin der CNDDHH vertrat die Auffassung, dass die Polizei die Kontrolle hätte übernehmen müssen, um den Flughafen von Ayacucho zu schützen. Bei schweren Auseinandersetzungen auf dem Flughafengelände gab es mindestens sieben Tote. „Es gibt Geschosse, mit denen man Menschenmengen zerstreuen kann, ohne Menschen zu töten“, so Pérez. Zwar dürften Sicherheitskräfte Gewalt gegen Personen anwenden, die Vandalismus begehen. Dies bedeute jedoch nicht, dass wahllos auf eine ganze Menschenmenge geschossen werden dürfe. „Wenn Polizei und die Armee mitten in einer Stadt Kriegswaffen einsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu unschuldigen Opfern kommt. Das ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar“, sagte sie.

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika Dez.2022/ Bei schweren Auseinandersetzungen in verschiedenen Regionen Perus gab es mehrere Tote und Schwerverletzte. Foto: alai.info

 Verstoß gegen Menschenrechte in der BRD

Aus: Ausgabe vom 24.12.2022, Seite 8 / Inland

OBDACHLOSIGKEIT IN DER BRD

»Dafür, dass der Winter erst angefangen hat, sind das viele«

Mindestens sechs Wohnungslose sind in der BRD zuletzt infolge niedriger Temperaturen gestorben. Ein Gespräch mit Werena Rosenke

Interview: Kristian Stemmler

Werena Rosenke ist Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft ­Wohnungslosenhilfe (BAG W)

Der Winter hat sehr kalt angefangen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe meldet bereits die ersten Kältetoten unter obdachlosen Menschen. Wie viele sind es hierzulande, und wie werden die Fälle erfasst?

Es sind bisher sechs Fälle – dafür, dass der Winter erst angefangen hat, sind das sehr viele. Seit etwa 30 Jahren führen wir ein entsprechendes Monitoring der Presseberichterstattung durch und durchforsten auch die Lokalteile von Zeitungen bundesweit. Bei der Zahl, die wir nennen, handelt es sich um eine Mindestzahl von Toten. Wir erfassen nur die Fälle, die in der Presse erscheinen.

Formal wird unterschieden, ob die obdachlosen Menschen wegen oder mit der Kälte gestorben sind. Wie bewerten Sie das?

Die Unterscheidung ist eher akademisch. Ob jemand an oder mit Unterkühlung stirbt, ist erst einmal egal. Oft haben Menschen auf der Straße Vorerkrankungen, die sie für Kältegrade weniger resilient machen. Im übrigen kann man auch bei Plustemperaturen einen Kältetod sterben, wenn etwa keine vernünftige Kleidung vorhanden ist. Es ist auch schon jemand im September an Unterkühlung gestorben.

Die Gefahr durch das Coronavirus ist auch unter Wohnungslosen nicht mehr das dominierende Thema. Dafür kursieren jetzt Atemwegserkrankungen.

Wie im Rest der Bevölkerung auch haben viele von ihnen die Grippe oder andere Erkältungskrankheiten. Der Unterschied besteht aber darin, dass sich wohnungslose Menschen nicht in die eigenen vier Wände zurückziehen können, um das ein paar Tage lang auszukurieren.

 

Die Kommunen und Wohlfahrtsverbände halten im Winter besondere Angebote bereit. Welche sind das?

Es werden beispielsweise Kältebusse eingesetzt oder Aufenthaltsstätten für wohnungslose Menschen angeboten. Zudem achten Streetworker besonders auf Menschen, die sich ganztags im Freien aufhalten.

Haben sich die Angebote in den vergangenen Jahren verbessert?

Das hängt davon ab, welchen Zeitraum Sie in den Blick nehmen. Wenn man sich die letzten 20 Jahre ansieht, muss man sagen: Das Angebot hat sich verbessert. So gab es damals etwa keine Kältebusse. Wenn man sich aber die letzten vier, fünf Jahre ansieht, hat es keine wesentlichen Verbesserungen gegeben. In den beiden Coronawintern hatte man vorübergehend 24/7-Einrichtungen aufgemacht – also solche, die rund um die Uhr geöffnet sind. Davon ist vieles wieder zurückgefahren worden.

Sie fordern, dass die Angebote, die in der Coronazeit aufgemacht wurden, weiter Bestand haben sollen.

So ist es. Notübernachtungsstellen und Tagesaufenthalten mit ausreichend Platz für wohnungslose Menschen müssen Tag und Nacht geöffnet sein. Bei Bedarf müssen leerstehende Hotels angemietet oder leerstehende öffentliche Gebäude für die Unterbringung genutzt werden. Zudem fordern wir die Aussetzung von Zwangsräumungen im Winter. Es ist unbedingt notwendig, zusätzliche Räumlichkeiten zu akquirieren – schon deshalb, weil durch die Unterbringung von Geflüchteten, vor allem aus der ­Ukraine, die Kapazitäten am Limit sind.

Man hört immer wieder, dass obdachlose Menschen Unterbringungsangebote nicht annehmen, weil sie fürchten, dort beklaut zu werden, oder sie in Mehrbettzimmern schlafen müssen. Können Sie das bestätigen?

Ja. Es gibt zum Beispiel Unterkünfte, die vom hygienischen Standard nicht zumutbar sind. Manche Einrichtungen sind zudem nicht gut erreichbar, weil sie irgendwo am Stadtrand sind. Darum fordern wir, lieber kleinere Einheiten zu schaffen, die dafür zentral liegen. Ich finde es befremdlich, wenn gesagt wird: Wir haben ja noch Kapazitäten. Das mag sein, aber man kann bei der Unterbringung nicht nur auf die Quantität schauen, sondern muss sich auch den Zustand der Unterkünfte anschauen.

Was kann man tun, wenn man in kalten Nächten obdachlose Menschen hilflos auf der Straße findet?

Wenn man den Eindruck hat, die Situation könnte für den Betroffenen gefährlich werden, sollte man die speziellen Kältenotrufe anrufen, soweit es die vor Ort gibt. Ansonsten muss man die Notrufnummer 112 wählen.

Quelle: junge Welt v.24.12.2022/ Frank Molter/dpa

Ein Mann sitzt in einen Schlafsack gehüllt in der Kieler Innenstadt

 UNO - schützt Rechte der indigenen Bevölkerung

 UNO verabschiedet Resolution zu den Rechten indigener Völker

Zum ersten Mal wird das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker in ihren Lebensweisen und Traditionen offiziell anerkannt.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat am Montag im Konsens eine von Bolivien vorgelegte Resolution verabschiedet, die das Engagement der Staaten zum Schutz der individuellen und kollektiven Rechte indigener Völker erneuert, berichtete das Außenministerium des Landes am Montag.

Nach Angaben des bolivianischen Außenministeriums war das Dokument mit dem Titel "Rechte indigener Völker" das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Ecuador und wurde von 47 Ländern gesponsert.

Die UNO nahm die Stellungnahme im Konsens an, hebt das Außenministerium hervor, wo zum ersten Mal auf das Selbstbestimmungsrecht hingewiesen wird, das indigene Völker in freiwilliger Isolation oder Erstkontakt haben, und in diesem Rahmen "haben diese Völker das Recht, nach ihren Traditionen zu leben".

Darüber hinaus wird die offizielle Verwendung des Begriffs "indigene Völker" mit Großbuchstaben in allen Dokumenten der Vereinten Nationen genehmigt.

Die Resolution berücksichtigt auch internationale Initiativen wie das Iberoamerikanische Institut für indigene Sprachen, um die Wiederbelebung mündlicher und schriftlicher Kommunikationspraktiken indigener Völker zu erreichen.

In Verbindung mit dieser Veranstaltung hat die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) am 16. Dezember die Internationale Dekade indigener Sprachen 2022-2032 ins Leben gerufen, eine hochrangige Veranstaltung.

In diesem Zusammenhang erkannte Bolivien die Anstrengungen an, die unternommen wurden, um indigene Sprachen wiederzuerlangen, wiederzubeleben und zu entwickeln.

 

Die Quellen deuten darauf hin, dass solche Maßnahmen der Vereinten Nationen Teil der internationalen Verpflichtung sind, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, die auf indigene Völker angewendet werden.

Quelle. teleSUR v.20.12.2022

 Verbrechen gegen die Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 21.12.2022, Seite 7 / Ausland

EUROPA KOLONIALISMUS

Entschuldigung ohne Entschädigung

Niederlande erkennen eigene Verbrechen der Sklaverei an. Kritik aus ehemaligen Kolonien

Von Gerrit Hoekman

 

Ministerpräsident Mark Rutte hat am Montag im Namen der niederländischen Regierung um Entschuldigung für die Sklaverei in den ehemaligen Kolonien in Südamerika und der Karibik gebeten. »Wir, die wir im Hier und Jetzt leben, können Sklaverei nur in aller Deutlichkeit als Verbrechen gegen die Menschheit anerkennen und verurteilen«, stellte der Regierungschef in einer Rede im Nationalarchiv in Den Haag fest.

Mehr als 600.000 afrikanische Frauen, Männer und Kinder wurden in den 230 Jahren bis 1814 von niederländischen Sklavenhändlern auf den amerikanischen Kontinent verschleppt. Etwa 75.000 von ihnen sollen bereits auf der Überfahrt gestorben sein. Wer das Ziel erreichte, musste auf Plantagen in Aruba, Curaçao, Bonaire, Sint Maarten und Suriname bis zum Umfallen für die Kolonialherren schuften.

Das Zentrum des niederländischen Sklavenhandels war die Provinz Zeeland. Alleine aus Vlissingen machten sich 453 Schiffe auf den Weg – doppelt so viele wie aus Amsterdam und Rotterdam zusammen. Nachzulesen ist das in dem Datenbankprojekt slavevoyages.com.

 

Anderthalb Jahrhunderte weigerten sich die Niederlande beharrlich, ihre Schuld anzuerkennen. Dabei spielten zunächst fehlende Einsicht und später die Angst vor Schadensersatzansprüchen eine wichtige Rolle. Große Freude über seine späte Bitte um Verzeihung durfte Rutte in den ehemaligen Kolonien nicht erwarten. »Besser spät als nie«, war der nüchterne Tenor der meisten Menschen, die NPO Radio 1 am Dienstag auf den Karibikinseln befragte.

Besonders in Suriname auf dem Festland, wohin gut 200.000 Menschen verschleppt wurden, gibt es Kritik. Rutte habe ohne Frage schöne Worte gewählt. Aber: »Es fehlten die Demut und die Feierlichkeit, mit denen ein solch aufgeladener historischer Moment begangen werden muss«, kommentierte die Nachrichtenseite Star Nieuws aus Suriname. Weil die niederländische Regierung die betroffenen Länder vorher nicht konsultiert hatte, habe sich die frühere Kolonialmacht »mit der Art und Weise, wie die Anerkennung der kriminellen Vergangenheit stattgefunden hat, als ›überlegen‹ hingestellt. Beratung, Dialog, gemeinsames Entscheiden und Handeln, das war nicht der Fall«.

Von Schadenersatz wollte Rutte ohnehin nichts wissen, die Regierung kündigte nur an, einen Fonds zur »Aufklärung« in Höhe von 200 Millionen Euro einzurichten. Auf Curaçao wird von dem Geld beispielsweise ein Denkmal für Tula gebaut, den legendären Anführer des Sklavenaufstands von 1795.

Die niederländische Regierung hatte hochrangige Repräsentanten in die ehemaligen Kolonien entsandt. Finanzministerin Sigrid Kaag reiste nach Suriname, Gesundheitsminister Ernst Kuipers nach Sint Maarten. Staatssekretär Maarten van Ooijen war auf Sint Eustatius. Er hoffe, »dass wir an einer Zukunft arbeiten können, die sich durch Anerkennung und Verständnis für die jeweiligen Hintergründe auszeichnet«, sagte van Ooijen laut der Tageszeitung NRC am Montag. Dass die Versklavten für die Motive der Sklavenhalter Verständnis aufbringen, dürfte allerdings etwas viel verlangt sein.

Quelle: junge Welt v.21.12.2022/ ROBIN VAN LONKHUIJSEN

Keine Entschädigung: Niederlande werden von ehemaligen Kolonien kritisiert (Den Haag, 19.12.2022)

18.12.
2022

Verstoß gegen die Pressefreiheit

Boliviens Präsident drückt Unterstützung für Assanges Freiheit aus

Bei dem Treffen sprach der Präsident von den schwerwiegenden Folgen für die Pressefreiheit, wenn Assange an die USA ausgeliefert wird.

Der Präsident von Bolivien, Luis Arce, traf sich diesen Samstag mit einer Delegation von WikiLeaks in La Paz, in dem er seine volle Unterstützung für die Freiheit und die Rücknahme der Anklagen des Gründers dieser Informationsplattform, Julian Assange, zum Ausdruck brachte.

Bei dem Treffen, an dem auch die bolivianische Ministerpräsidentin María Nela Prada teilnahm, sagte Arce dem WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson und dem Redakteur Joseph Farrell, "dass er Assange voll unterstützt", sagte das Outlet auf seinem offiziellen Twitter-Account.

Der isländische Hrafnsson seinerseits veröffentlichte im selben sozialen Netzwerk, dass der bolivianische Präsident "seine Stimme denen hinzufügt, die für die Freiheit von Assange kämpfen und die Rücknahme der Anklagen der Vereinigten Staaten (USA) gegen ihn fordert".

"In einem privaten Treffen diskutierte der Präsident heute die schwerwiegenden Au Das Staatsoberhaupt des südamerikanischen Landes sagte seinerseits zu dem Zitat: "Wir sind uns einig, dass eine der Grundlagen der Demokratie darin besteht, das Recht, die Wahrheit zu sagen, nicht zu verurteilen, wie es leider mit dem Journalisten Julian Assange geschieht. Wir hoffen, dass seine ungerechte Verfolgung bald enden wird. "Auswirkungen auf die Pressefreiheit, wenn Julian an die USA ausgeliefert wird."

Am 17. Juni genehmigte die Innenministerin des Vereinigten Königreichs, Priti Patel, die Auslieferung von Assange an die Vereinigten Staaten, wo er zu 175 Jahren Gefängnis verurteilt werden könnte.

 

Washington fordert Assanges Auslieferung aus dem Vereinigten Königreich, wo der australische Journalist seit 2019 inhaftiert ist, um ihn wegen 17 mutmaßlicher Verbrechen unter Verstoß gegen das Spionagegesetz von 1917 und eines des Eindringens in Computer vor Gericht zu stellen.

 

Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zugang zu und die Veröffentlichung von Militärberichten über den Irak, Afghanistan und die illegale Basis in Guantánamo sowie diplomatische Berichte, die Kriegsverbrechen und andere Missbräuche von US-Beamten und Behörden aufdecken.

Quelle: teleSUR v.18.12.2022

Info über Peru 
- Verstoß gegen Meinungsfreiheit und Gewährung rechtlichen Beistand

Sie verurteilen, dass die peruanische Polizei beabsichtigt, inhaftierte Bauern als Terroristen zu beschuldigen.

Eine wachsende Zahl von Menschen versammelt sich in der Nähe des Bauernbundes aus Solidarität mit den Gefangenen.

Insgesamt 26 Menschen, hauptsächlich Bauern, befanden sich zu Beginn des Samstagabends noch im Hauptquartier des peruanischen Bauernbundes in Lima (Hauptstadt), das in den Morgenstunden von der peruanischen Polizei an einem weiteren Tag der Repression gegen Volksmobilisierungen durchsucht wurde.

Obwohl Polizeibeamte das Gelände umzingelt halten, konzentrierten sich im Laufe der Stunden vermehrt Demonstranten in der Nähe des Bundes, um die Inhaftierten zu unterstützen und ihre Freilassung zu fordern.

Die Gemeindemitglieder forderten, dass die Uniformierten die Schikanen gegen die Bauern einstellen und sie nicht als Terroristen behandeln, da sie in die peruanische Hauptstadt gekommen sind, um friedlich den Rücktritt von Präsidentin Dina Boluarte, die Schließung des Kongresses, die Abhaltung von Wahlen und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung zu fordern.

Am Samstagmorgen durchsuchte die Polizei ohne Gerichtsbeschluss das Gebäude und verhaftete Bauern aus indigenen Gemeinschaften, Quechua, die dort die Nacht verbrachten.

Die Bauern waren aus der Region Apurimac (Mitte-Süd) nach Lima gereist, um sich den Protesten anzuschließen.

Die Agenten behandelten sie nicht nur, als wären sie Terroristen, sondern hinderten Anwälte, die versuchten, den Bauern Rechtsbeistand zu leisten, daran, das Gelände der Konföderation zu betreten. Außerdem verhinderten sie stundenlang, dass Lebensmittel bereitgestellt wurden.

https://twitter.com/i/status/1604155526815924226

Für die Razzia benutzte die Polizei die Dircote (Direktion gegen Terrorismus). Über soziale Netzwerke und digitale Medien wurde berichtet, dass Dircote-Agenten versuchten, Macheten und scharfe Gegenstände zu platzieren, um sie als Anstifter von Gewalt und Terroristen darzustellen und so Proteste zu kriminalisieren.

 

Der Anwalt der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDHH), Mar Pérez, gab bekannt, dass die Agenten Macheten platziert haben, die noch die Etiketten behalten und es ihnen ermöglichen, zu wissen, dass sie vor Stunden auf Märkten in Lima gekauft wurden.

 

An diesem Tag durchsuchte die Polizei auch das Hauptquartier der politischen Partei Nuevo Perú, das an das Gelände des Bauernbundes angrenzt.

Quelle: teleSUR v.18.12.2022

Historische Betrachtung  über Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 17.12.2022, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

KLASSIKER

Die offizielle Ideologie des Westens

Verdrängung und Bagatellisierung des Genozids an den Indigenen Nordamerikas und der Versklavung der Schwarzen ist der Ursprungsmythos der »ältesten Demokratie«. Eine Analyse von Domenico Losurdo

 

Domenico Losurdo: Die Sprache des Imperiums. Ein historisch-philosophischer Leitfaden. Papyrossa-Verlag, Köln 2011, Seiten 304–311

Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zum Abdruck

Mit Bezug auf diejenigen, die, mehr oder weniger explizit, das Grauen von Auschwitz und der »Endlösung«, d. h. des systematischen Versuchs, ein ganzes Volk, Frauen und Kinder inbegriffen, auszurotten, abstreiten möchten, spricht man oft von »Negationismus«. Ausgehend von der Gleichstellung von Nazismus und Kommunismus, dem zentralen Dogma des historischen Revisionismus, das von der herrschenden Ideologie wohlwollend und mit Begeisterung aufgenommen wurde, wird dieser Begriff manchmal benutzt, um diejenigen anzuklagen, die sich weigern, die Geschichte der kommunistischen Bewegung zu kriminalisieren; denn diese Bewegung hat sich gegen den »Holocaust« des Ersten Weltkriegs aufgelehnt – den Ausdruck findet man gelegentlich in der damaligen Publizistik – und hat, um die heute von nicht wenigen Historikern benutzte Sprache zu verwenden, die »Holocausts« verurteilt und bekämpft, die die koloniale Expansion und Herrschaft kennzeichnen. Nur ganz selten ist die Publizistik als »negationistisch« abgestempelt worden, die sich bemüht, die kolonialen »Holocausts« zu bestreiten oder zu verdrängen (wenn nicht geradewegs zu rechtfertigen).

Dennoch zeigt sich in diesem letzten Fall der »Negationismus« mit besonderer Deutlichkeit. Zunächst wird in den Vereinigten Staaten zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert der Genozid an den Indianern oft und ausdrücklich theoretisch begründet. Wir kennen die maßgeblichen Politiker und Ideologen, nach denen das Schicksal der »dekadenten Rassen« besiegelt ist; für sie zeichnet sich unaufhaltsam die »vollständige Endlösung« ab. (…)

Wenn wir der Verdrängung beziehungsweise Verklärung des von den Rothäuten erlittenen Genozids die Verdrängung und Bagatellisierung der jahrhundertelangen Sklaverei der Schwarzen hinzufügen, so können wir wohl sagen, dass »Negationismus« die offizielle Ideologie ist, was die kolonialen Opfer des Westens betrifft. Der »Negationismus« der von den Indianern und Afroamerikanern erlittenen Tragödie (ist) ein wesentlicher Bestandteil des Ursprungsmythos der Vereinigten Staaten, die sich als »die älteste Demokratie der Welt« nur dann selbst verherrlichen können, wenn sie das Schicksal für irrelevant halten, das sie der Masse derjenigen vorbehalten haben, die jahrhundertelang vom Herrenvolk ausgeschlossen, unterdrückt oder ausgerottet worden sind. (…)

 

Der herrschenden Ideologie zufolge charakterisiert die Behauptung der selbständigen Würde des Individuums und die sich daraus ergebende Ablehnung des Organizismus beziehungsweise Essentialismus die Geschichte des Westens und definiert seine Vortrefflichkeit und Überlegenheit im Vergleich zu den anderen Kulturen. Doch diese Selbstverherrlichung geht zwanglos über die makroskopische Tatsache hinweg, dass jahrhundertelang in der nordamerikanischen Republik und in den europäischen Kolonien das Schicksal eines Individuums von Anfang bis Ende durch seine Rassenzugehörigkeit bestimmt war, die eine unüberwindbare Barriere zwischen der weißen Herrenrasse und den farbigen Kolonialvölkern errichtete. (…)

Diese Tendenz zeigt sich ab und zu auch bei (Hannah) Arendt (1906–1975, deutsch-US-amerikanische Philosophin, Autorin von »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft«, 1951, jW), selbst wenn sie dem Grauen des Imperialismus den zweiten Teil ihres wichtigsten Buches gewidmet hat. Im dritten Teil, der sich mit dem Totalitarismus im eigentlichen Sinn beschäftigt, wird behauptet, die philosophische Voraussetzung dieses politischen Regimes sei der für den Kommunismus und den Nazismus typische Glaube an unabwendbare Gesetze des historischen Prozesses, denen man die moralischen Normen und Skrupel opfern dürfe und müsse. Die hier ins Auge gefasste Auffassung kennzeichnet zutiefst die koloniale Expansion des Westens und besonders seines Führungslandes, das davon überzeugt ist, dass sein Triumphmarsch von einem »Manifest Destiny – einer offenkundigen Bestimmung«, von einer von der Vorsehung bestimmten Mission, von einem göttlichen Plan angespornt wird, dem Widerstand zu leisten, gotteslästerlich und weltfremder Idealismus wäre. Doch wird diese Geschichtsphilosophie/-theologie, die die Tragödie der nach und nach vom Westen überrollten Völker besiegelt hat, völlig ignoriert. In einem späteren Buch (»Über die Revolution«, 1963) stellt Arendt die gute nordamerikanische, im Namen der Freiheit durchgeführten Revolution positiv der bösen Französischen Revolution entgegen: Es ist offensichtlich, dass bei diesem Schwarz-Weiß-Vergleich die Deportation und die Dezimation der Rothäute sowie die Sklaverei der Schwarzen, von der ersten mächtig vorangetrieben und von der zweiten abgeschafft, keine Rolle mehr spielen.

Quelle: junge Welt v.17.12.2022/ JOHN ANGELILLO/imago images/UPI Photo

Der weiße Mann hoch zu Ross, ein Indigener und ein Afrikaner dürfen flankieren: Bronzestatue des ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelt am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York City

Menschrechte der indigenen Bevölkerung

Kolumbianische Arhuaco-Indianer fordern Anerkennung von Cabildo

Sie weisen darauf hin, dass der Staat ihre Probleme, wie Zugang zu Gesundheit, Bildung und anderem, nicht gelöst hat.

Organisierte Gruppen kolumbianischer Arhuaco-Indianer sind an diesem Mittwoch auf der gestohlenen Brücke von Valledupar stationiert, die die Hauptstadt des Departements Cesar mit ihrem Pendant in La Guajira verbindet.

Laut seinem Sprecher Norey Quigua Izquierdo "mobilisiert das Volk von Arhuaco, weil die Regierung sich mehr als sieben Monate nach der Wahl unseres Cabildo-Gouverneurs weigert, die entsprechende Registrierung auszustellen, als hätten wir in Kolumbien einen Präsidenten gewählt und hätten nicht die Erklärung des Nationalen Wahlrates."

Angesichts dieser Situation forderten die indigenen Völker ein dringendes Treffen mit dem Innenminister oder mit Präsident Gustavo Petro, da diese Situation sie daran gehindert hat, verschiedene staatliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

In diesem Sinne prangerte Quigua an, dass "das Volk von Arhuaco verletzt wird, weil Grundrechte des Volkes verletzt werden, wie Zugang zu Gesundheit, Bildung, wir haben viele junge Menschen, die, weil sie keinen Gouverneursrat haben, keinen Zugang zu höherer Bildung hatten, nicht in der Lage waren, dem Gesundheitssystem beizutreten und andere, die nicht in der Lage waren, ihre militärische Situation zu definieren. "

Um die Wahl des Gouverneurs des Arhuaco-Volkes, Zarwawiko Torres, zu würdigen, führen die Demonstranten Blockaden in einem der Haupteingänge der Hauptstadt Cesar durch, der mit der Straße verbunden ist, die zur Gemeinde San Juan und anderen Gebieten von La Guajira führt.

Die Ankunft der Demonstranten erfolgte ab dem Nachmittag dieses Dienstags, die mehrere Stunden von den Höhen der Sierra Nevada de Santa Marta zurücklegten.

Die Arhuaca-Gemeinden waren mit internen Konflikten über die Wahl des Cabildo und des Gouverneurs konfrontiert, einschließlich der Entscheidung, diesen Protest abzuhalten.

Quelle: teleSUR v.14.12.2022

Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 14.12.2022, Seite 6 / Ausland

MENSCHENRECHTE EU

Wie gegen die Mafia

Italien: Anarchist protestiert mit Hungerstreik gegen seine extremen Isolationshaftbedingungen

Von Fabio Angelelli

 

Am 8. Dezember erschien auf der Webseite Indymedia das Bekennerschreiben für den eine Woche zuvor verübten Brandanschlag auf das Auto des ersten italienischen Botschaftsrats in Athen: »Genosse Cospito, egal, wie sehr sie versuchen, Dich zu begraben, wir werden Dich nie vergessen«, hieß es da. Gemeint war der italienische Anarchist Alfredo Cospito, der sich seit dem 20. Oktober im Gefängnis von Bancali (Sardinien) im Hungerstreik befindet, um gegen seine Isolationshaftbedingungen zu kämpfen.

Dem Anschlag in Athen war eine Reihe von Aktionen zur Solidarität vorangegangen. Cospitos Hungerstreik löste in ganz Europa eine Mobilisierungskampagne aus. Allein in Berlin gab es im vergangenen Monat eine Verkehrsblockade, eine Demonstration vor der italienischen Botschaft sowie Störaktionen an der Universität und am Institut für italienische Kultur, um das Ende seiner Isolationshaft zu fordern.

Cospito steht unter dem »41-bis«-Gefängnisregime, das die härtesten Haftbedingungen im italienischen Strafvollzugsgesetz vorsieht. Es wird vor allem gegen Mafiabosse verhängt, um sie von der Kommunikation nach außen abzuschneiden. Inhaftierte dürfen weder lesen noch schreiben oder Briefe empfangen; Familienbesuche werden per Video überwacht und auf eine Stunde pro Monat eingeschränkt; Hofgang ist nur auf wenigen Quadratmetern möglich mit hohen Wänden und einem Drahtgitter über dem Kopf. Eine »grausame, unmenschliche und erniedrigende« Behandlung, so definierte bereits 2003 Amnesty International diese Form der Isolationshaft.

 

In Italien ist Cospito der erste Anarchist unter dieser Gefängnisregime. Er wurde 2012 verhaftet und zunächst in einer Hochsicherheitsabteilung eingesperrt, weil er in dem Jahr den Manager eines Atomkonzerns ins Bein geschossen haben soll. Zur Aktion bekannte sich die Informelle Anarchistische Föderation (Federazione Anarchica Informale, FAI), ein Zusammenschluss von horizontal organisierten, miteinander nicht in Verbindung stehenden insurrektionalistischen Aktionsgruppen. 2016 wurde Cospito außerdem ohne nennenswerte Beweise beschuldigt, 2006 zusammen mit seiner Partnerin Anna Beniamino (die sich derzeit ebenfalls im Hungerstreik befindet) einen Anschlag auf eine Carabinieri-Kaserne verübt zu haben: Sie hätten zwei leichte Sprengsätze in Müllcontainern plaziert und nachts gezündet. Niemand wurde verletzt. Staatsanwaltschaft und Gerichte der ersten und zweiten Instanz gingen jedoch hart vor, sprachen von einem »Massaker gegen die öffentliche Sicherheit« und verurteilten ihn zu 20 Jahren Gefängnis. Zur Begründung erklärten sie, die FAI – per Definition informell und nicht hierarchisch – sei eine hierarchische kriminelle Vereinigung, die von Cospito geleitet würde.

Aus dem Hochsicherheitstrakt schrieb er weiterhin öffentliche Beiträge, Briefe, Artikel und arbeitete an zwei Büchern über die Geschichte der Anarchie. Im April 2022 kam dann der Erlass des Justizministeriums, mit dem er in die Isolationshaft geschickt wurde. Offiziell, um zu verhindern, dass er als vermeintlicher Kopf der FAI mit ihren Mitgliedern kommuniziert. Im Juli befand der Oberste Gerichtshof dann, der Bombenanschlag von 2006 sei nach Artikel 285 vom Strafgesetzbuch als »Massaker gegen den Staat« einzustufen. Dieser Artikel war nicht einmal bei den Bombenanschlägen der Mafia, die in den 1990er Jahren mit kiloweise TNT Dutzende von Opfern forderten, angewandt worden.

Dass dies nun im Fall Cospitos geschieht, scheint ein eindeutiges Zeichen zu sein. In einem öffentlichen Appell, der im Oktober von zwanzig Anwälten verfasst und von vielen weiteren unterzeichnet wurde, hieß es, das Urteil sei im Zusammenhang mit der allgemeinen Verschärfung der Repression gegen die anarchistische Bewegung in Italien zu verstehen. Die italienische Justiz würde ein »Feindrecht« auf als gefährlich eingestufte Personen anwenden.

So auch bei Cospito. Denn laut Urteil des Obersten Gerichtshofs soll nun seine Strafe neu berechnet werden. Zu prüfen wäre noch, ob mildernde Umstände bestehen. Sollte das der Fall sein, wird Cospito zu 30 Jahren verurteilt. Falls nicht, erwartet ihn lebenslanger Freiheitsentzug ohne Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung – eine Strafe, die auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unmenschlich betrachtet wird. Cospito kündigte derweil bei seiner letzten Anhörung am 5. Dezember an, er wolle mit seinem Hungerstreik »bis zu seinem letzten Atemzug« weitermachen.

Quelle: junge Welt v. 14.12.2022/ Matteo Nardone/Pacific Press Agency/imago

Soliproteste in Rom für Cospito

USA verstoßen gegen Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 18.11.2022, Seite 6 / Ausland

FREE LEONARD PELTIER!

Gekommen, um zu befreien

USA: Marsch für Gerechtigkeit für indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier erreicht Washington

Von Jürgen Heiser

 

Besteht die Möglichkeit, dass der indigene politische Gefangene Leonard Peltier doch in absehbarer Zeit freigelassen wird? Diese Frage treibt die Mitglieder des American Indian Movement (AIM) um, die nach einer Meldung des US-Nachrichtenportals Native News Online seit Wochenbeginn »in Washington, D. C. zu einer Reihe von Gesprächen mit Vertretern des US-Justizministeriums zusammentreffen, um Peltiers Begnadigung zu erreichen«.

Ausgangspunkt ist der »Leonard Peltier’s Walk to Justice«, der am vergangenen Sonntag die Hauptstadt Washington erreichte und mit einer Kundgebung am historischen Lincoln Memorial seinen Abschluss fand. Am Ende waren es gut 2.000 Aktivistinnen und Aktivisten, die den mehr als 1.100 Meilen langen und durch acht US-Bundesstaaten führenden »Marsch für Gerechtigkeit« zu einem beeindruckenden Erfolg für die Solidaritätsbewegung mit dem seit fast 47 Jahren inhaftierten AIM-Veteranen machten. Mit einem Meer von Transparenten, Stammesinsignien und »Free Leonard Peltier« skandierend absolvierten die Teilnehmer am Sonntag die letzte Meile ihres Marsches vom Washington Monument zum Lincoln Memorial.

Aufgerufen zu dem auf 15 Wochen angelegten Solidaritätsmarsch hatte der Große Rat des AIM. Der Auftakt fand am 31. August in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota statt, um die Forderung nach Freilassung des AIM-Aktivisten Peltier in den Tagen nach den US-Zwischenwahlen bis an den Regierungssitz von US-Präsident Joseph Biden zu tragen.

Der »Walk to Justice« begann in Minneapolis, weil AIM in der »Stadt des Wassers«, wie sie in der Dakota-Sprache heißt, 1968 von 250 Indigenen gegründet worden war. Die Idee für den Marsch hatte schon vor Jahren die AIM-Aktivistin Rachel Thunder gehabt. Ihre »lebhaften Träume« seien der Ursprung gewesen, so Thunder auf der Abschlusskundgebung. Darin habe sie Peltier in seiner Gefängniszelle gesehen, wie er sich Sorgen machte, ob er je freikäme. »Sorge dich nicht, Leonard, AIM kommt, um dich zu befreien«, rief Thunder am Sonntag, an ihn adressiert. »Wir sind gerade 1.103 Meilen für unseren Ältesten Leonard Peltier gelaufen«, so die Organisatorin. »Wir sind diese Meilen für unser Volk marschiert, für Gerechtigkeit für unser Volk«, betonte sie. »Erst wenn Leonard frei ist, sind wir alle frei!«

 

Peltier war 1977 wegen Beihilfe zum Mord an zwei FBI-Agenten im Pine Ridge Reservat zu »zwei aufeinanderfolgenden lebenslangen Haftstrafen« verurteilt worden, was die Freilassung des heute 78jährigen noch zu Lebzeiten ausschließen sollte. Er ist heute im Bundesgefängnis in Coleman (Florida) inhaftiert. Amnesty International betrachtet Peltier schon lange als politischen Gefangenen und stellte wie andere Rechtsbeobachter fest, dass seine Verurteilung von Manipulationen seitens der Staatsanwaltschaft geprägt war.

»Leonard Peltier ist der am längsten inhaftierte indigene politische Gefangene der Vereinigten Staaten«, sagte der Schriftsteller und Aktivist Nick Estes, Mitbegründer der indigenen Widerstandsgruppe »The Red Nation«, auf der Kundgebung. »Er hat Covid überlebt, er ist bei schlechter Gesundheit, und er verdient es, bei seinem Volk zu sein«, so Estes, der bereits im Mai eine umfassende Untersuchung des US-Kongresses über den Tod indigener Aktivisten im Pine Ridge Reservat verlangt hatte, wo im Juni 1975 die Schießerei stattfand, die später zu Peltiers Verhaftung führte.

Bei der Kundgebung verwies Estes darauf, dass »Juristen, die Peltier ins Gefängnis gebracht haben, heute hier mit uns marschieren und fordern, dass der Kongress und Präsident Biden etwas unternehmen«. Gemeint war James Reynolds, einer der ehemaligen US-Bezirksstaatsanwälte, die Peltier verurteilt hatten. Auch er sprach auf der Kundgebung. Er halte es für seine »Pflicht als ehemaliger Staatsanwalt, dafür zu sorgen, dass Leonard Gerechtigkeit widerfährt«, erklärte Reynolds vor der Menge. »Denn an diesem Punkt ist genug genug. Gerechtigkeit bedeutet an diesem Punkt Mitgefühl für Leonard.«

Der US-Präsident müsse Peltier Gnade gewähren«, forderte auch Kevin H. Sharp, früherer US-Bezirksrichter und einer der Anwälte, die Peltier derzeit vertreten. »Unterschreiben Sie das Stück Papier. Es muss ein Ende haben, Mr. President!«

Quelle: junge Welt v.18.11.2022/Bild Holger Zimmer

»Erst wenn Leonard frei ist, sind wir alle frei!«: Demo am Sonntag in Washington

 

Verstoß gegen Menschenrechte durch die USA

us: Ausgabe vom 17.10.2022, Seite 6 / Ausland

FREE LEONARD PELTIER!

20 Meilen pro Tag

American Indian Movement marschiert durch USA und fordert Freilassung von Leonard Peltier

Von Jürgen Heiser

 

 

In den USA sieht sich Präsident Joseph Biden zunehmend mit der Forderung nach Freilassung des indigenen Bürgerrechtlers und politischen Gefangenen Leonard Peltier konfrontiert. Die Europatour der Native Americans (siehe jW vom 14. Oktober) hat derzeit in den USA im »Leonard Peltier’s Walk to Justice« ihre kämpferische Entsprechung. Am 31. August 2022 hatte das American Indian Movement (AIM) mit einer Auftaktkundgebung im Cedar Field Park in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota den auf 15 Wochen angelegten Solidaritätsmarsch für den AIM-Aktivisten Peltier gestartet. Ziel des 1.100 Meilen langen Marsches durch acht US-Bundesstaaten ist die Hauptstadt Washington, D. C. Der bis dahin durch viele Unterstützer angewachsene Protestzug soll nach letzten Informationen am 9. November, einen Tag nach den US-Zwischenwahlen, das politische Zentrum Washingtons erreichen.

Frank Paro, der Vorsitzende des Großen Rates des AIM, erklärte in der afroamerikanischen Zeitung Los Angeles Sentinel (LAS) am 11. August den Zweck des Marsches: Es gehe darum, »das Bewusstsein für den Fall von Leonard Peltier zu schärfen, der 1977 zu Unrecht verurteilt wurde«. Peltiers Anwälte hätten Präsident Biden wiederholt gebeten, ihren Mandanten zu begnadigen, »damit er nicht im Gefängnis für ein Verbrechen stirbt, das er nicht begangen hat«.

Nach rund 500 Meilen, also knapp der Hälfte der Gesamtstrecke, waren die Marschierenden am 10. Oktober, dem »Indigenous Peoples’ Day«, in Ohio eingetroffen. Rachel Thunder vom Organisationsteam erklärte gegenüber dem Onlineportal Native News Online, der Marsch und die Gebete für Peltier seien bislang »bewegend, schwer und heilsam« gewesen. Sie seien »jeden Tag ab fünf Uhr morgens auf den Beinen, um mindestens 20 Meilen pro Tag zu schaffen«. AIM fordere Gerechtigkeit für Peltier »und Gerechtigkeit für unser Volk, die Ureinwohner von Turtle Island«.

 

Peltier ist am 12. September im 46. Jahr seiner Haft 78 Jahre alt geworden. Weltweit wird der inzwischen durch die Haft schwer erkrankte Bürgerrechtler als politischer Gefangener anerkannt, der nur deshalb immer noch hinter Gittern ausharren muss, weil die US-Justiz nicht nur die Beweise für seine Unschuld unterdrückt, sondern rechtswidrig seine Freilassung zur Bewährung verhindert. Auch vom präsidialen Gnadenrecht wurde bislang kein Gebrauch gemacht. So beugte sich der frühere US-Präsident William Clinton im Januar 2001 dem Druck vor dem Weißen Haus aufmarschierter Agenten der US-Bundespolizei FBI und schreckte nach ursprünglich positiven Anzeichen letztlich vor der Begnadigung Peltiers als eine seiner letzten Amtshandlungen zurück.

Auch Expräsident Barack Obama überging Peltier, obwohl der pensionierte US-Staatsanwalt James Reynolds, der eine Schlüsselrolle im Gerichtsverfahren gegen den Bürgerrechtler gespielt hatte, Obama um die Begnadigung gebeten hatte. Peltier sei »zu Unrecht für die Ermordung von zwei FBI-Agenten verurteilt worden«, weshalb seine Begnadigung »unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller damit verbundenen Aspekte im besten Interesse der Gerechtigkeit« sei, so Reynolds im Bittbrief an Obama im Januar 2017.

Diese Tatsachen soll der »Marsch für Gerechtigkeit« nun auf Kundgebungen in Erinnerung rufen, um schließlich in Washington die Regierung Biden direkt mit der Forderung nach Freilassung Peltiers zu konfrontieren. Auch das Nationale Komitee der Demokratischen Partei macht Druck: Seit Peltiers Geburtstag liegt öffentlich eine einstimmig verabschiedete Resolution des Entschließungsausschusses vor: Der Präsident möge »seine Befugnisse nutzen, um die Freilassung von Personen zu erreichen, die übermäßig lange Haftstrafen verbüßen«. Für einen solchen Akt der Milde sei Peltier ein »idealer Kandidat«. Es gebe dafür »überwältigende öffentliche Unterstützung angesichts der verfassungsrechtlichen Probleme, die seinem Strafverfahren zugrunde liegen, seiner Situation als älterer Häftling sowie der Tatsache, dass er ein indigener Amerikaner ist, die häufiger unter medizinischer Ungleichbehandlung leiden«, so die Resolution.

Quelle: junge Welt v.17.10.2022/ Adolphe Pierre-Louis/ZUMA Wire/imago images

Solidarität versiegt nicht: Protest vor dem Bundesbezirksgericht in Albuquerque (7.2.2022)

Verstoß gegen Menschenrechte

„Willkommen in Guantanamo!“ (II)

Amnesty International wirft Lettland bei der Flüchtlingsabwehr an der EU-Außengrenze Folter, Verschwindenlassen und Rassismus vor. Die EU deckt das lettische Vorgehen.

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OKT

2022

RIGA (Eigener Bericht) – Amnesty International erhebt zum wiederholten Mal schwere Vorwürfe wegen der brutalen Abwehr von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen – diesmal gegenüber Lettland. Wie die Menschenrechtsorganisation in einer soeben veröffentlichten Untersuchung berichtet, werden dort Flüchtlinge nicht nur völkerrechtswidrig pauschal zurückgeschoben – oft von vermummten, nicht gekennzeichneten „Kommandos“ unter Anwendung von brutaler Gewalt. Viele werden zudem in Zelten ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt interniert und dort mit Schlägen, Tritten und Elektroschockern malträtiert, die etwa auch gegen Genitalien eingesetzt werden – klare Folter, konstatiert Amnesty. Das lettische Vorgehen ähnelt damit demjenigen der litauischen und der polnischen Behörden stark, die Flüchtlinge mit nahezu identischen Methoden behandeln. Dabei gilt das alles lediglich für Flüchtlinge von außerhalb Europas, nicht jedoch für weiße Europäer aus der Ukraine, die in Lettland – wie auch in Litauen oder in Polen – angemessen empfangen werden. Mit Blick darauf stuft Amnesty die Repression der lettischen Grenzbehörden gegen nichtweiße Flüchtlinge aus außereuropäischen Staaten explizit als rassistisch ein.

Hilfe für weiße Europäer

In ihrem neu vorgelegten Bericht über den Umgang mit Flüchtlingen in Lettland zieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen recht naheliegenden Vergleich, der in Europa von offiziellen Stellen gerne beschwiegen wird, in den außereuropäischen Herkunftsländern von Flüchtlingen aber längst ins Allgemeinbewusstsein eingedrungen ist: den Vergleich mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Diese seien in der lettischen Hauptstadt Riga „mit warmem Essen, Kleidung und Unterkunft begrüßt worden, in geordnete Registrierungsverfahren geleitet oder in die Lage versetzt worden, sicher in andere Länder Europas weiterzureisen“, hält Amnesty fest.[1] Dies entspricht ganz dem Vorgehen anderer europäischer Staaten innerhalb und außerhalb der EU. Es belegt, dass auch in Europa eine angemessene Behandlung von Flüchtlingen nicht nur grundsätzlich möglich, sondern auch binnen kürzester Frist praktisch realisierbar ist. Lettland mit seinen kaum zwei Millionen Einwohnern habe es vermocht, innerhalb weniger Monate über 35.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen (Stand: 26. Juli 2022) und einer noch deutlich höheren Zahl den Transit in Richtung EU zu ermöglichen, konstatiert Amnesty. Die Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge sei in einem am 3. März 2022 beschlossenen Gesetz sogar explizit vorgeschrieben worden.

Abwehr nichtweißer Nichteuropäer

In krassem Kontrast dazu steht die brutale Abwehr von Flüchtlingen etwa aus Syrien oder dem Irak, die seit dem Sommer 2021 über Belarus in die EU einzureisen versuchten – nach Polen, Litauen oder eben auch Lettland. Amnesty nennt dazu Zahlen. Demnach sahen sich die lettischen Behörden in der Lage, zwischen August 2021 und dem 25. Mai 2022 exakt 156 Flüchtlinge von außerhalb Europas ins Land zu lassen – aus „humanitären Gründen“. 508 Flüchtlinge wurden zwischen August 2021 und April 2022 wegen – tatsächlichen oder angeblichen – illegalen Grenzübertritts festgenommen und interniert. Schon am 10. August 2021 hatte Riga den Notstand ausgerufen – aufgrund eines angeblich überwältigenden Andrangs von Flüchtlingen an der lettisch-belarussischen Grenze. Nach genauen Angaben befragt, gaben die lettischen Behörden an, von August 2021 bis zum 25. Mai 2022 habe man 6.676 Personen an der Grenze abweisen müssen; das wären wenig mehr als 20 pro Tag – ungewöhnlich wenig, um einen angeblichen Notstand zu begründen. Detaillierte Recherchen ergaben allerdings, dass die Behörden jeden Einreiseversuch mitzählten – auch diejenigen von Personen, die zum Teil mehr als zwanzigmal vergeblich ins Land zu gelangen suchten. Die tatsächliche Zahl der abgewiesenen Personen wird laut Amnesty auf vermutlich nicht mehr als 250 geschätzt.

Im Schnee, von Wölfen bedroht

Der Notstand an der Grenze, den Riga am 10. August dieses Jahres zum vierten Mal verlängert hat – er gilt nun vorerst bis zum 10. November –, ist insofern von Bedeutung, als er es den Grenzbehörden erlaubt, Einreisewillige pauschal über die Grenze zurückzuschieben und ihnen das Stellen eines Asylantrags zu verweigern; beides bricht offen das Völkerrecht. Tatsächlich drängen lettische Grenzbeamte und andere Repressionskräfte Flüchtlinge mit großer Konsequenz und regelmäßig auch mit brutaler Gewalt über die Grenze nach Belarus zurück. Dabei kommen auch bewaffnete Sondereinheiten zum Einsatz, die vollständig vermummt und in schwarzer Kleidung auftreten und deren genauer Status unklar ist. Sie sind offenkundig Teil der staatlichen Repressionsbehörden und unterstehen den Grenzbehörden, sind aber nicht weiter identifizierbar und werden allgemein „Kommandos“ genannt. Nach Angaben von Amnesty werden sie für die meisten Gewalttaten gegen Flüchtlinge an der Grenze verantwortlich gemacht. Sie sorgen zudem mit dafür, dass abgewiesene Flüchtlinge ohne die nötige Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten weitestgehend schutzlos in den Wäldern im Grenzgebiet dahinvegetieren müssen – bei jeglichem Wetter inklusive Regen, Kälte und Schnee, trotz wiederkehrender Bedrohung durch Wölfe und Bären.

Folter, Verschwindenlassen

Eine lettische Besonderheit scheint zu sein, dass Flüchtlinge immer wieder nicht in feste Gebäude, sondern in Zelte im Grenzgebiet gepfercht werden, in denen sie von bewaffnetem Personal festgehalten werden, das ihnen regelmäßig ihre Mobiltelefone wegnimmt; dadurch verlieren sie jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Die Zelte entsprechen nicht den dürftigsten sanitären Standards; Toiletten sind nicht vorhanden und werden durch simple Löcher im Boden neben den Zelten ersetzt. Flüchtlinge, die eine gewisse Zeit in den Zelten verbringen mussten, berichten von vollkommen unzureichender Nahrung und brutaler Gewalt. Demnach setzt das Wachpersonal – oft wohl die anonymen, vermummten „Kommandos“ – immer wieder Elektroschocker ein, die auf unterschiedlichste Körperteile gerichtet werden, darunter Genitalien. Auch von Schlägen und Tritten sowie allerlei Formen erniedrigender Gewalt ist die Rede. Amnesty stuft die Gewalttaten zumindest teilweise als offene Folter ein. Zudem urteilt die Menschenrechtsorganisation, wer Menschen in Zelte an unbekannten Orten festhalte und ihnen jegliche Möglichkeit raube, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, mache sich eventuell eines Verstoßes gegen die Verbote geheimer Internierung und erzwungenen Verschwindenlassens schuldig.

Tote an der Grenze

Die Zustände an der Außengrenze Lettlands entsprechen im Wesentlichen denjenigen an den Außengrenzen Litauens und Polens, an denen ebenfalls, scheinbar legitimiert durch die Ausrufung eines Notstandes, Flüchtlinge pauschal und unter Einsatz von Gewalt abgewiesen werden. Im Fall Litauens ist dokumentiert, dass Grenzbeamte Flüchtlinge in einen Grenzfluss trieben, in dem sie unter Lebensgefahr brusthohes Wasser durchqueren mussten.[2] Die litauischen Internierungslager für Flüchtlinge sind von Amnesty als „hochgradig militarisiert“ beschrieben worden; die Lebensbedingungen in ihnen kommen, urteilt die Organisation, „nach internationalem wie auch nach EU-Recht Folter und anderen Formen von Misshandlung gleich“. Proteste gegen die katastrophalen Verhältnisse wurden mit Tränengas niedergeschlagen.[3] Ähnlich ist die Lage in Polen, wo zeitweise bis zu 24 Flüchtlinge in acht Quadratmeter große Räume gepfercht wurden; einige, darunter Personen, die vor Folter in ihren Herkunftsstaaten geflohen waren, wurden mit dem Ruf „Willkommen in Guantanamo!“ begrüßt.[4] Nach Angaben einer polnischen Anwältin, die für die Helsinki Foundation for Human Rights in Warschau tätig ist, sind inzwischen nachweislich mindestens 20 Flüchtlinge im polnisch-belarussischen Grenzgebiet zu Tode gekommen, mutmaßlich sogar erheblich mehr.[5] Warm empfangen werden auch in Litauen und in Polen ausschließlich weiße Europäer aus der Ukraine.

Menschenrechte als Kampfinstrument

Wie üblich werden Folter, Verschwindenlassen und offener Rassismus an der Außengrenze der EU auch im Fall Lettlands von Brüssel gedeckt. Auf die Wahrung von Menschenrechten dringt die Union lediglich gegenüber Staaten, die sie dadurch aus politischen Motiven unter Druck setzen will.

 

[1] Zitate hier und im Folgenden: Amnesty International: Latvia: Return home or never leave the woods. Refugees and migrants arbitrarily detained, beaten and coerced into „voluntary” returns. London, October 2022.

[2] Amnesty International: Lithuania: Forced out or locked up. Refugees and migrants abused and abandoned. London, 27.06.2022.

[3] S. dazu „Willkommen in Guantanamo!”

[4] Amnesty International: Poland: Cruelty not compassion, at Europe’s other borders. London, 11.04.2022.

[5] Poland’s border wall hasn’t stopped the flow of migrants from Belarus. infomigrants.net 22.09.2022.

Quelle: GERMAN-FOREIGN-POLICY.com v.13.10.2022

Info über Chile

Opfer von Menschenrechtsverletzungen erhalten Versehrtenrente

(Santiago de Chile, 26. September 2022, pressenza/poonal).- Wie der Staatssekretär des Innenministeriums Manuel Monsalve heute bekanntgab, sollen alle Chileninnen und Chilenen, die im Zuge des Estallido Social Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, künftig eine Versehrtenrente erhalten. Der Anspruch wird zuvor vom Menschenrechtsinstitut INDH (Instituto de Derechos Humanos) geprüft. Seit Juni 2022 hat das Innenministerium die Rente bisher in 296 Fällen bewilligt. Das Antragsverfahren ist jedoch langwierig und wird zentral in Santiago durchgeführt. Monsalve versicherte heute, dass alle Menschen, die eine Anspruchsberechtigung nachweisen können, die Renten erhalten werden. Entsprechend der Schwere der Beeinträchtigung liegt die Unterstützungsleistung zwischen 250.000 und 500.000 chilenischen Pesos (etwa 270 bis 530 Euro).

Die Pensión de Gracia

Die Pensión de Gracia ist eine Leistung, die die Lebensqualität von Menschen verbessern soll, die in einer sozial schwachen Situation leben. Sie kann je nach Fall für einen bestimmten Zeitraum oder auf Lebenszeit gewährt werden und wird an Personen gezahlt, die die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

– Sie haben sich über ihre persönlichen Pflichten hinaus um das Wohl des Landes verdient gemacht.

– Sie hatten einen Unfall oder sind durch außergewöhnliche Umstände von einer Katastrophe betroffen, die die Gewährung einer Rente rechtfertigen.

– Sie sind aufgrund von Krankheit, Invalidität, Alter o.ä. nicht in der Lage, Lohnarbeit in ausreichendem Umfang zu verrichten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

– Sie sind von anderen besonderen und ordnungsgemäß begründeten Situationen betroffen, die die Gewährung dieser Leistung rechtfertigen.

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika; Ausgabe September 2022

 Info über Venezuela

Venezuela lehnt Bericht über unabhängige Menschenrechtsmission ab.

In einer Erklärung beschreibt die venezolanische Regierung den Bericht der internationalen Mission als Pamphlet.

Die Regierung Venezuelas wies die Anschuldigungen ohne Rechtsgrundlage der sogenannten Internationalen Erkundungsmission "in einer neuen Broschüre zurück, die am 26. September 2022 vor dem Menschenrechtsrat der Organisation der Vereinten Nationen vorgestellt wurde".

In einer Erklärung lehnt Venezuela die politisierte Verwendung der Menschenrechtsfrage als Angriffsmanöver gegen den venezolanischen Staat ab, "als Werkzeug, um die Souveränität jener Staaten zu untergraben, die sich nicht den von einigen Mächten gewünschten Plänen hegemonialer Kontrolle unterwerfen".

"Bei dieser Gelegenheit, durch einen neuen Pseudobericht, ohne die geringste methodische Unterstützung oder direkten Kontakt mit der Realität des Landes, ist beabsichtigt, weiterhin venezolanische Institutionen anzugreifen, als Teil der kriminellen Strategie des Regimewechsels, die von der Regierung der Vereinigten Staaten mit der Komplizenschaft ihrer Satellitenregierungen in der Welt gefördert wird."

Dieser Mechanismus, die Internationale Erkundungsmission, wurde 2019 auf der Grundlage einer fragwürdigen Resolution geschaffen, die von einer kleinen Gruppe von Regierungen mit schweren internen Situationen von Menschenrechtsverletzungen gefördert wurde, erinnert der Text.

Venezuela ist ein demokratischer und sozialer Rechts- und Rechtsstaat, der die Förderung, Achtung und den Schutz der Menschenrechte als übergeordneten Wert seines Rechtssystems und des Handelns seiner Institutionen in voller Übereinstimmung mit seinen internationalen Verpflichtungen in diesem Bereich annimmt.

In der Erklärung bekräftigt Venezuela seine absolute Ignoranz gegenüber dieser Art von parallelen, barbarischen und interventionistischen Mechanismen, die durch seine Verlautbarungen aúpa und ermutigen die extremistischsten Sektoren, in die massive Verletzung der Menschenrechte der Venezolaner und die Destabilisierung des Landes zurückzufallen.

Ebenso warnt die venezolanische Regierung die Befürworter dieser Initiative, dass sie die entsprechenden politischen und diplomatischen Maßnahmen auf bilateraler und multilateraler Ebene gegen jeden Versuch ergreifen wird, das Mandat dieses Aggressionsmechanismus gegen legitime venezolanische Institutionen weiter zu verlängern.

Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen, die einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung und das Paket zum Aufbau von Institutionen des Menschenrechtsrats sowie gegen andere einschlägige Instrumente dar.

Die Regierung Venezuelas bestätigt, dass sie weiterhin mit dem Menschenrechtsrat zusammenarbeiten wird, immer auf der Grundlage der strikten Einhaltung der Grundsätze der Objektivität, der Nichtselektivität, der Unparteilichkeit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, der Achtung des Multilateralismus und des konstruktiven Dialogs.

Quelle: teleSUR v.26.09.2022

Anzeige wegen Kriegsverbrechen

Aus: Ausgabe vom 13.09.2022, Seite 8 / Inland

UMGANG MIT MENSCHENRECHTEN

»Die Imagekomponente des Angriffs war wichtiger«

Verein Jüdische Stimme zeigt israelische Minister wegen Kriegsverbrechen an. Ein Gespräch mit Wieland Hoban

Interview: Annuschka Eckhardt

 

Der Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost erstattete am Sonnabend Strafanzeige gegen den israelischen Premierminister Jair Lapid und den Verteidigungsminister Benjamin Gantz wegen Kriegsverbrechen. Warum haben Sie diese Anzeige eingereicht?

Es gibt international, und besonders in Deutschland, eine scheinbar unbegrenzte Akzeptanz in der Politik gegenüber den unzähligen Verstößen Israels gegen das Völkerrecht und die grundlegenden Menschenrechte der Palästinenser. Die erneute Bombardierung des Gazastreifens im August richtete sich offiziell gegen hochrangige Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ), einer militanten Gruppe, die im Gegensatz zur Hamas nicht die Rolle eines politischen Akteurs anstrebt. Es wurden dabei 38 Zivilisten von der israelischen Armee getötet, über die Hälfte davon Frauen und Kinder, und weitere 300 verletzt, teils auf schwerste Weise. Das ist zwar zahlenmäßig weniger als bei vorherigen Operationen, stellt aber einen besonders offensichtlichen Fall eines willkürlichen Militärschlags dar, der als Selbstverteidigung verkauft wurde.

Wie bewerten Sie die Rolle der Bundesrepublik in diesem Fall?

Gerade war Lapid in Deutschland zu Besuch und wurde als enger Freund empfangen, nicht als Kriegsverbrecher. Natürlich ist er nicht der einzige solche Gast, aber kein Land wird so in Schutz genommen wie Israel, und in Deutschland wird israelische Propaganda einfach nachgeplappert. Bei keinem anderen Land wird dies als »Staatsräson« bezeichnet. Berichte von Menschenrechtsorganisationen, etwa Amnesty International und Human Rights Watch, sowie B’Tselem oder Jesch Din in Israel, die Israel Apartheid vorwerfen, werden als einseitig bis antisemitisch abgetan; die deutsche Amnesty-Sektion hat sogar versucht, sich vom Bericht der eigenen Mutterorganisation zu distanzieren. Aufgrund dieser Gesamtlage wollten wir ein Zeichen gegen diese jahrzehntelange Straflosigkeit setzen. Und während Lapid nur für den jüngsten Angriff verantwortlich ist, war Gantz bereits 2014 an einer viel größeren Offensive in Gaza beteiligt, bei der etwa 1.500 Zivilisten getötet wurden.

 

Lapid behauptete, sein Volk verteidigt zu haben, Gantz beschrieb die Angriffe als »Präventivschlag«. Welche Gründe sehen Sie hinter diesem Militärschlag?

Wie oft bei solchen Handlungen ging es zum Teil darum, Stärke zu zeigen. Es gibt Anfang November in Israel Wahlen, und Militarismus kommt bei der Wählerschaft gut an. Lapid gilt als moderat, und er muss zeigen, dass er ein Mann der Tat ist, damit die rechten Politiker ihn nicht als Weichei darstellen können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der ehemalige Premierminister Netanjahu ein Comeback wagt, und gerade er wird immer noch für seine Brutalität geliebt. Verteidigungsminister Gantz wiederum hat mit einem Verweis auf Teheran zum Ausdruck gebracht, dass er auch gegen den Iran auszuteilen bereit ist, gerade angesichts dessen Atomverhandlungen mit dem Westen und wohl auch aufgrund der iranischen Unterstützung für PIJ. Meiner Meinung nach war die Imagekomponente des Angriffs aber wichtiger. Das militärische Ziel wurde erreicht, und da palästinensisches Leben in der israelischen Politik nichts wert ist, konnte die Operation als präzise und erfolgreich verkauft werden. Lapid hat die zivilen Verluste zwar kurz als tragisch bedauert, aber lediglich als unvermeidlichen Nebeneffekt einer absolut notwendigen Selbstverteidigung, und deswegen nicht die Verantwortung Israels.

Was verspricht sich die Jüdische Stimme von dieser Strafanzeige?

Natürlich werden die beiden nicht eingesperrt. Aber die Öffentlichkeit muss erneut darauf aufmerksam machen, dass hier wirklich nachweisbare Verbrechen begangen werden. In Deutschland regt man sich über verbale Entgleisungen des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas auf, während es hier um tote Zivilisten geht. Und vielleicht fühlt sich die Elite in Israel sogar ein bisschen unwohl, schließlich achtet man dort sehr auf das Image des Landes, und das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit hat schon manche israelische Politiker von Auslandsreisen abgehalten.

Quelle: junge Welt v.13.09.2022/ Stringer/dpa

Benjamin Gantz (links) und Jair Lapid (Jerusalem, 22.6.2022)

Wieland Hoban ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Verstoß gegen die Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 13.09.2022, Seite 1 / Kapital & Arbeit

EXTREME AUSBEUTUNG

50 Millionen in moderner Sklaverei

Bericht: Anzahl der Menschen weltweit in Zwangsarbeit oder Zwangsehe stark gestiegen

Von Susanne Knütter

 

Weltweit leben 50 Millionen Menschen in »moderner Sklaverei«. Davon befanden sich 28 Millionen im Jahr 2021 in einem Zwangsarbeitsverhältnis, und 22 Millionen lebten in erzwungenen Ehen, in denen sie vor allem als Hausbedienstete ausgenutzt werden. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Organisation für Migration (IOM) und die Walk-Free-Stiftung, die sich gegen Sklaverei engagiert, am Montag in Genf vorlegten. Die Zahl der Menschen in extremen Ausbeutungsverhältnissen ist demnach in den vergangenen fünf Jahren erheblich gestiegen. Im Jahr 2021 befanden sich zehn Millionen Menschen mehr in moderner Sklaverei, verglichen mit den globalen Schätzungen von 2016. Frauen und Kinder sind weiterhin besonders stark gefährdet.

Moderne Sklaverei kommt in fast allen Ländern der Welt vor. Mehr als die Hälfte aller Fälle von Zwangsarbeit und ein Viertel aller Zwangsverheiratungen finden sich in Ländern mit mittleren oder hohen Einkommen. Die meisten Fälle von Zwangsarbeit (86 Prozent) sind im privaten Sektor zu verzeichnen. 23 Prozent davon macht die kommerzielle sexuelle Ausbeutung aus. Fast vier von fünf der von kommerzieller sexueller Zwangsausbeutung Betroffenen sind Frauen oder Mädchen.

 

Für 14 Prozent der Zwangsarbeiter (3,9 Millionen) ist die Arbeit staatlich verordnet. Mehr als die Hälfte der Betroffenen wird in Gefängnissen für private Interessen ausgebeutet. Die Wahrscheinlichkeit für Arbeitsmigranten, in Zwangsarbeit zu landen, ist dreimal so hoch wie für erwachsene Lohnabhängige ohne Migrationshintergrund. Vor dem Hintergrund betonte António Vitorino, Generaldirektor der IOM, am Montag: Dieser Bericht unterstreiche die »Dringlichkeit, sicherzustellen«, dass die gesamte Migration »sicher, geordnet und regulär« verläuft. Der Bericht fordert entsprechend die Verbesserung und Durchsetzung von Gesetzen und Arbeitsinspektionen, strengere Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel in Unternehmen und Lieferketten, die Ausweitung des Sozialschutzes und die Stärkung des Rechtsschutzes.

Quelle: junge Welt v.13.09.2022/ Molly Crane-Newman/IMAGO/ZUMA Wire

Jeder achte Zwangsarbeiter ist ein Kind. Die Mehrheit von ihnen wird sexuell ausgebeutet

Aktivitäten und Organisationen zur Umsetzung der Menschenrechte

HUGO CHAVEZ INTERNATIONALE STIFTUNG

FÜR FRIEDEN, FREUNDSCHAFT UND SOLIDARITÄT

 

HCIF-PFS

E-Mail-Adresse: hugochavezfoundation@gmail.com

 

Öffentliche Pressemitteilung8. September 2022 

 

ERKLÄRUNG ZUM 15.JAHRESTAG DER EASTABLISHMENT DER HUGO CHAVEZ INTERNATIONAL FOUNDATION FOR PEACE, FRIENDSHIP AND SOLIDARITY

 

AUSSAGE:

 

Herzliche Grüße an euch alle! Willkommen zu unserem Jubiläum!

 

Ich erinnere mich noch an den Tag, als ich diese edle Reise auf afrikanischem Boden mit nur einer Handvoll Menschen und ohne Ressourcen begann. Von dort bis heute haben wir eine lange und raue Reise zurückgelegt. Aber wie die verstorbene revolutionäre Ikone Kubas, Fidel Castro, einmal sagte: "Macht Wege, wenn es keinen Weg gibt", so haben wir heute den revolutionären Führer des 20. Jahrhunderts aller Zeiten bestätigt. Wir haben all die Jahre nur gelebt, indem wir Wege geschaffen habenwenn es schwierig ist, Platz zu machen.  Wir standen Schulter an Schulter, mit dem Test der Zeit, und jetzt sind wir stolz auf die Leistungen, die wir bisher gemäß unseren Zielen erzielt haben. 

 

Heute vor fünfzehn Jahren haben wir mit vielen Träumen, Hoffnung und immensem Eifer begonnen und heute feiern wir ein weiteres Jahr der Geburt.  Nichts hat sich geändert, außer der Tatsache, dass wir unsere Träume wahr gemacht haben und jetzt neu sind. Das diesjährige Jubiläum gibt uns die Möglichkeit, uns an Erinnerungen zu erinnern und sie wieder zurückzugewinnen.

 

Wir heißen Sie herzlich willkommen und möchten ihnen allen Respekt zollen, die diesen besonderen Tag mit uns teilen. Es ist richtig zu sagen, dass es keinen Unterschied macht, wohin du in deinem Leben gehst, aber der wichtigste Faktor ist, mit wem du zusammen bist. Es ist uns eine Freude, dass wir heute viele Interessengruppen eingeladen haben, mit uns dieses historische Wahrzeichen zu feiern. 

 

Wir haben diese Organisation, die Hugo Chavez International Foundation for Peace, Friendship and Solidarity (HCIF-PFS), mit Afrikanern aus Sierra Leone, Ghana, Mali, Togo, Liberia, Guinea und Kamerun gegründet und sind heute in 185 Ländern weltweit bekannt. Dank unserer Mitgliedschaft im britischen Global Waste Cleaning Network (GWCN) und dem Segen unseres Allmächtigen. Dies geschah nicht als Überraschung, sondern als Dividende des Engagements für UmweltMenschenrechte demokratische verantwortungsvolle Staatsführung, Forschung und Interessenvertretung. 

 

Das Global Waste Cleaning Network (GWCN) ist eine weltweite Organisation, die sich der Erhaltung und Erhaltung gesunder Ozeane, Küsten, Länder und der Atmosphäre für Mensch und Natur widmet. Durch Forschungs- und Naturschutzprojekte, Aufräumaktionen, Umweltbildung und die Beteiligung an einer Reihe wichtiger internationaler Gremien unternimmt GWCN konkrete Schritte für ein gesünderes Leben.

Zu diesem Zweck ist GWCN bestrebt, die Umwelt zum Wohle der Menschheit zu schützen, zu erhalten und zu verbessern, und zwar durch: den Aufbau eines internationalen Netzwerks aktiver Umweltorganisationen und -spezialisten, die  Sensibilisierung für die negativen Auswirkungen von Abfällen auf die Umwelt, die Förderung guter Abfallbewirtschaftungspraktiken und den Beitrag zur Förderung der Forschung in der Abfallwirtschaft.

 

In all den Jahren, die vergangen sind, haben wir all diese Erfolge und Misserfolge, Feiern und Krisen, alles erlebt. Aber das einzige, was wir nie getan haben, war, die "Niederlage" zu akzeptieren und uns von den Possen der Kritiker mitreißen zu lassen. Dies ist unser Glaube und unser Vertrauen in jeden geprüften Freiwilligen der Hugo Chavez International Foundation for Peace, Friendship and Solidarity, und unser Engagement für die zugrunde liegenden Werte der Stiftung sind die Prinzipien, die uns an den Ort gebracht haben, an dem wir uns befinden. Ich muss allen Freiwilligen gegenüber ehrlich sein, dass diese Reise ohne euch heute nicht so erfolgreich gewesen wäre. Meine Freiwilligen sind immer meine Stärke und mein Rückgrat für die Stiftung.

 

An diesem glückverheißenden Tag verspreche ich allen Freiwilligen, freundlich und hilfsbereit zu sein, wie es in den letzten 15 Jahren geschehen ist.  Ich übersetze mich immer gegen unsere Freiwilligen und erinnere sie daran, dass eine Sache, die sie mir schulden, Vertrauen ist. Dies liegt daran, dass Vertrauen ein Klebstoff ist, der die Beziehungen zusammenhält, und ich weiß, dass ich mein Versprechen erfüllt habe, mit meinen Freiwilligen und Begünstigten transparent zu sein. Und damit verspreche ich, mit all meinen Versprechen und Gelübden  voranzukommen.

 

Für eine erfolgreiche Institution ist es wichtig, dass man anderen vertraut und vertrauenswürdig ist. Ich habe einige zuverlässige, vertrauenswürdige und vorhersehbare Freiwillige in der Stiftung. Diese Freiwilligen können die Stiftung bei jeder Versammlung oder Plattform überall im globalen Dorf vertreten. Ich habe ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse und Bestrebungen meiner Freiwilligen und die  Bedürfnisse unserer Begünstigten, und ich engagiere mich für die Erreichung der Ziele der Stiftung. 

 

Zu diesem historischen Anlaß möchte ich alle Freiwilligen der Stiftung grüßen, unsere Öko-Krieger-Helden und Heldinnen, Menschenrechtsverteidiger und Friedensbotschafter, die nicht mehr unter uns sind, einer von früher unter uns und der Welt als Leuchtfeuer der Hoffnung für die machtlosen, verarmten und armen Menschen, die enormstolz gewesen wären, zu sehen, was diese Stiftung  ist geworden. El-Commandante Hugo Chavez, unser Mentor und unser Freund-"Sie werden immer in unseren Herzen leben und eine Inspiration für diejenigen sein, die Sie kannten, besonders für diejenigen, die in den frühen Jahren der Bolivarischen Sozialistischen Revolution an Ihrer Seite für ein würdiges Heimatland Venezuela gearbeitet haben. 

 

Die Internationale Hugo Chavez Stiftung für Frieden, Freundschaft und Solidarität

ist eine freiwillige, selbstverwaltete, wohltätige, gewaltfreie, friedliche, nicht-religiöse, unparteiische in der Politik, nicht gemeinschaftsbasierte und eine autorisierte gemeinnützige Nichtregierungsorganisation mit legalem Status. Es wurde am 8. September 2007 in Bamako, Republik Mali, nach umfangreichen Konsultationen und längeren Überlegungen gegründet.

 

Die Stiftung ist eine enorme Ehre und ein Ausdruck der Liebe für Kommandant Hugo Chavez und bereit, das Erbe des verstorbenen venezolanischen Führers zu verteidigen und zu bewahren. Das Vermächtnis des Kommandanten Hugo Chavez drückt die Freiheit und Würde der Menschheit aus. Die Stiftung wird von Afrika initiiert, von Afrika verwaltet und von Afrika finanziert. 

 

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich sagen, dass der vor uns liegende Weg herausfordernd sein wird, weil die Unvorhersehbarkeit weiterhin herrschen wird, aber ich werde Sie weiterhin dazu inspirieren, alle Ihre Fähigkeiten zu stärken, um besser zu verstehen. 

 

Ich muss mich  noch einmal bei meinen Freiwilligen bedanken, besonders bei denen von mir, für die immense Säule der Unterstützung, die sie sind. Danke, dass du hinter mir stehst und mir hilfst, alle Hindernisse zu bekämpfen, dick und dünn, kämpfend und kämpfend. Ich habe keine Worte, um meine Dankbarkeit für Ihre unermüdliche Unterstützung auszudrücken. Ihr Beitrag ist für mich mehr als nur ein Diamant.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bitte genießen Sie die Feier des 15-jährigen Bestehens unserer Stiftung.

 

Gelesen von:

 

 

(Häuptling) Alimamy Bakarr Sankoh

 

Internationaler Exekutivdirektor (IED) und Interimspräsident des EZB-Rats

Die Internationale Hugo Chavez Stiftung für Frieden, Freundschaft und Solidarität

HCIF-PFS 

 

Menschenrechte  in Zeiten des kolonialen Erbes ?

Die britische Monarchin und ihre "Beziehung" zu Afrika - BBC-Huldigung erhält kritische Kommentare

9 Sep. 2022 22:15 Uhr

Der britische Sender BBC hat die Kommentarfunktion unter einem Tweet deaktiviert, in dem die "langjährigen Beziehungen" von Königin Elisabeth II. zu Afrika gewürdigt wurden. Kommentatoren bezeichneten die Hommage als "Rebranding des Kolonialismus".

Quelle: AFP © ANNA ZIEMINSKI / AFP

Nach dem Tod der britischen Monarchin überschlugen sich Meldungen über ihren Beitrag für eine gerechte Welt. Der afrikanische Zweig der BBC veröffentlichte auf Twitter am Donnerstag die Huldigung ihrer "langjährigen Beziehungen" zu Afrika mit einem viereinhalbminütigen Video, das die Beziehungen von Königin Elisabeth zu Afrika und seinen Staatsoberhäuptern würdigte. Einige Menschen nahmen jedoch Anstoß an dem Beitrag und erklärten, die BBC versuche, dem britischen Kolonialismus ein anderes Image zu verpassen, indem sie die britische Herrschaft über Afrika, die bis ins späte 20. Jahrhundert andauerte, beschönige. 1980 erlangte Simbabwe als letztes afrikanisches Land die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich.

Viele gaben Beispiele dafür, wie afrikanische Freiheitskämpfer im Laufe der Jahre durch ihre britischen Unterdrücker gelitten hätten. Einige Nutzer verwiesen auf den antikolonialen Mau-Mau-Aufstand in Kenia Anfang der 1950er Jahre, wo die lokalen Kikuyu durch die Expansion der weißen Siedler ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden und die britische Regierung jahrelang um politische Rechte baten. Dies wurde ihnen jedoch verwehrt, woraufhin es zu Protesten kam und die Briten Militär entsandten. 1,5 Millionen Kenianer wurden in britischen Lagern und stark patrouillierten Dörfern gefangengehalten, wo sie verhungerten und teils gefoltert wurden. Laut BBC gab es dabei mindestens 11.000 Tote.

 

Ein Twitter-Nutzer erinnerte an diesen Teil der britischen Geschichte, der in diesen Tagen mit zahlreichen Meldungen zum Ableben der Monarchin wenig beleuchtet wurde.

"Sie wurde Königin, während sie in Kenia auf Tournee war. Afrikaner wurden in ihrem eigenen Land ausgegrenzt, versklavt, gefoltert und getötet", so der Kommentar, der die BBC für die einseitige Darstellung kritisierte: "Das ist es, was die BBC als eine langfristige Beziehung betrachtet."

Ein anderer Nutzer hatte ebenfalls die Art von Beziehung näher definiert:

"Wir hatten nie eine Beziehung zu Elisabeth, es war Imperialismus und Kolonialismus, das heißt, sie wurde uns aufgezwungen. KOLONIALE Beziehung."

Einige versuchten jedoch, den Beitrag zu verteidigen. So schrieb eine Person, dass die Menschen den Tod der Königin nun als Mittel nutzen, um alles zu kritisieren, was Großbritannien in den letzten 70 Jahren getan hat.

Als die negativen Äußerungen nicht aufhörten, verbot das Social-Media-Team der BBC Africa alle neuen Kommentare und erlaubt nun nur noch denjenigen, die vom Sender selbst markiert wurden, zu diesem Thema beizutragen.

Königin Elisabeth II. ist am Donnerstag im Alter von 96 Jahren auf Schloss Balmoral in Schottland verstorben.

Quelle: rtd. /Bild Die britische Königin Elisabeth II. und die nationale Gesangs- und Tanzgruppe, nachdem sie eine Handels- und Investitionsausstellung im Polana-Hotel in Maputo eröffnet hat. Maputo, Mosambik, 15. November 1999.

08.09.
2022

Menschenrecht auf Bildung

Wie versteht Paulo Freire befreiende Bildung?

Anlässlich des Weltalphabetisierungstages und des hundertsten Jahrestages von Freire nähern wir uns seinem Hauptbeitrag.

Ist es möglich, die Gesellschaft zu verändern, wenn die Art und Weise, wie Menschen erzogen werden, nicht verändert wird? Ist es möglich, Bildung zur Unterdrückung in Erziehung zur Befreiung umzuwandeln? Was ist befreiende Bildung? Insbesondere der Vorschlag des brasilianischen Pädagogen Paulo Freire (1921-1997).

Um die Idee der befreienden Bildung zu verstehen, wird es zunächst notwendig, das Konzept zu verstehen, das sie überwinden will: die Bankbildung.

In seinem Buch "Pädagogik der Unterdrückten" kritisiert Paulo Freire den Geist der Bankkonzeption, für die Bildung der Akt des Einlagerns, des Transfers, der Vermittlung von Werten und Wissen ist.

Durch die Reflexion der unterdrückerischen Gesellschaft erhält und stimuliert die Bankausbildung die Dichotomie zwischen Pädagogen und Lernenden, zwischen demjenigen, der weiß, und demjenigen, der es nicht weiß, zwischen demjenigen, der Wissen erzählt oder überträgt, und demjenigen, der es auswendig lernt, zwischen denen, die Macht, Autorität und diejenigen, die sich ihr unterwerfen.

In dieser Vorstellung von Bildung dreht sich alles um den Lehrer, er ist der Hauptprotagonist. Bildung ist eminent vertikal, der Erzieher setzt die Regeln durch und baut eine Unterdrücker-unterdrückte Beziehung auf.

Freires Hauptergebnis ist, dass diese Art von Beziehung über die pädagogische Ebene selbst hinausgeht, so dass es möglich ist, diese Analyse auf den Rest der Gesellschaft auszudehnen, um die Struktur der Herrschaft zu erklären.

Angesichts der Bankbildung, deren Zweck die soziale Domestizierung ist, schlägt Paulo Freire eine befreiende Bildung vor, die mit der Überwindung (nicht der Umkehrung) des Widerspruchs zwischen Pädagoge und Lernendem beginnt.

Aus dieser Perspektive sind Pädagoge und Lernender miteinander verbundene Subjekte, die sich in ihren jeweiligen Rollen erkennen, zusammen lernen sie, gemeinsam suchen und bauen sie Wissen in dem Maße auf, in dem sie sich verpflichtet fühlen, dies mit Freiheit und Fähigkeit zur Kritik zu tun.

Laut Freire beinhaltet Bildung aus dieser Perspektive den Akt des Wissens und nicht die bloße Übertragung von Daten. Auf diese Weise teilen Lehrer und Schüler den gleichen Status, der in einem pädagogischen Dialog, der durch die Horizontalität ihrer Beziehungen gekennzeichnet ist, zusammengebaut wurde.

Die Befreiung der Bildung wird weder als unpolitisch noch als unideologisch angesehen: Sie hat einen klaren Zweck, der die Enthüllung und den Abbau der Herrschaftsstrukturen ist, nicht nur der pädagogischen, sondern auch der sozialen.

Die befreiende Bildung fördert den Dialog durch das Wort als das Grundlegende, um den kognitiven Akt auszuführen, weckt Kreativität und reflektierende Kritik im Lernenden, stärkt den historischen Charakter des Menschen, fördert den Wandel und den Kampf um Emanzipation.

Frei Betto, ein brasilianischer Theologe, der Freires Werk fortsetzte, sagte über die Befreiung der Bildung und ihre Konkretisierung in der Volksbildung: "Es ist die Methode des Sozialismus und der Sozialismus der politische Name der Liebe."

Quelle: teleSUR v.08.09.2022

Info über Brasilien

Indigene Brasilianer mobilisieren zur Verteidigung des Amazonas

Bisher hat das Land in diesem Jahr 20 Prozent mehr Waldbrände erlitten als 2021.

Indigene Brasilianer verschiedener Ethnien mobilisierten in Sao Paulo und anderen Städten des Landes, um gegen die Abholzung und Zerstörung des Amazonas und anderer Biome dieses Landes zu protestieren.

Am Tag des Amazonas und der internationalen indigenen Frauen trafen sie sich in Sao Paulo im Augusta Park, wo die einheimische Führerin Sonia Guajajara sagte, sie werde Politiker für die Abgrenzung von Territorien beschuldigen; Lösungen gegen illegalen Bergbau, der Quecksilberverschmutzung verursacht; und Entwaldung.

Dem fügte er hinzu, dass "wir stehen zu sagen, dass wir nicht zurückgehen werden, wir werden die Politik bevölkern, den Nationalkongress bevölkern" als Teil einer Bewegung, in der Frauen aus indigenen Gemeinschaften einen Kreis mit Pflanzen und Materialien aus dem Dschungel bildeten, die die Phrasen bildeten: Amazonien ist indigene Frau. Indigene Frau ist Amazonien.

In Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas (Nordwesten), demonstrierten einheimische Führer und Vertreter sozialer Minderheiten auch gegen die Bedrohungen, denen die Regierung von Jair Bolsonaro ihre Völker ausgesetzt war.

Mehrere Beschwerden verschiedener Organisationen behaupten, dass die Bolsonaro-Regierung "die Bundesumweltschutzbehörden, das brasilianische Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen und das Chico Mendes-Institut für den Schutz der biologischen Vielfalt geschwächt hat, wodurch indigene Länder noch anfälliger für eine Invasion geworden sind".

Dies wurde bei mehr als einer Gelegenheit vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen von der Articulation of the Indigenous Peoples of Brazil unter dem Vorwurf der Vernichtungspolitik gegen indigene Gemeinschaften angeprangert.

Hinzu kommt die Zunahme von Morden, verschiedenen Drohungen, Morddrohungen und versuchten Verbrechen gegen indigene Völker in den letzten Jahren, eine Bevölkerung, die nach Schätzungen der letzten Volkszählung 900.000 Brasilianer übersteigt.

Vom ersten Januar bis zum 4. September 2022 registrierte der Amazonas 58.000 Brände, 20 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2021.

Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Amazonasregion in 37 Jahren das Zehnfache der Oberfläche des Bundesstaates Rio de Janeiro verloren hat; während es die höchste Entwaldung seit 15 Jahren registriert.

Derzeit erstreckt sich eine durch Waldbrände verursachte Rauchwolke durch Nordbrasilien und die Nachbarländer, die nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) eine Fläche von fünf Millionen Quadratkilometern umfasst.

Quelle: teleSUR v.06.09.2022

Verstoß gegen die Menschenrechte

China: USA für Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten verantwortlich

9 Aug. 2022 21:08 Uhr

Die Chinesische Gesellschaft für Menschenrechtsstudien warf Washington in einem Bericht ernsthafte Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten vor. Insbesondere die Praxis des Regime-Changes prangerte die chinesische Organisation an.

In einem Bericht wirft die Chinesische Gesellschaft für Menschenrechtsstudien den Vereinigten Staaten vor, sie hätten US-amerikanische Werte im Nahen Osten gewaltsam gefördert, indem sie auf Regimewechsel drängten, die "amerikanische Demokratie" gewaltsam verpflanzten und die Souveränität und die Menschenrechte anderer verletzten, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Die Gesellschaft veröffentlichte den Bericht am Dienstag. 

In dem Bericht mit dem Titel "USA begehen ernste Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten und anderswo" heißt es, dass die Vereinigten Staaten versuchen, die Länder im Nahen Osten umzuwandeln und schwache, abhängige Regierungen zu etablieren, um ihre globale Hegemonie zu fördern. 

Das Hauptziel Washingtons sei die Aufrechterhaltung der militärischen, wirtschaftlichen und konzeptionellen Hegemonie der USA, "was in der Folge die unabhängigen Entwicklungspfade der regionalen Länder verändert und die Souveränität der entsprechenden Länder im Nahen Osten sowie das Recht der Menschen auf Entwicklung und Gesundheit ernsthaft untergraben hat", heißt es in dem Bericht.

Die Vereinigten Staaten unterstützten seit Langem die Infiltration mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Stellvertretern im Nahen Osten und hätten die Entwicklungswege der Länder des Nahen Ostens wiederholt durch "farbige Revolutionen" gewaltsam verändert, wird im Bericht weiter festgestellt.

Dem Bericht zufolge habe die von den USA erzwungene "Transformation" Afghanistans, des Irak, Syriens, Libyens und vieler anderer Länder die politische Ordnung gestört und den sozialen und nationalen Zusammenhalt in diesen Ländern zerstört.

Die von den USA erzwungenen "institutionellen Exporte" mit einem starken hegemonialen Unterton hätten "die Bemühungen der regionalen Länder, ihre Entwicklungswege unabhängig zu erkunden, gelähmt und eine Reihe von katastrophalen Folgen verursacht", so der Bericht.

https://www.podbean.com/ew/pb-zsr3m-1292cf9

 

Quelle: rtd.de v.09.08.2022

Verstoß gegen die Menschenrechte 

Aus: Ausgabe vom 08.08.2022, Seite 8 / Ansichten

KOMMENTAR

Doppelte Standards

Israel bombardiert erneut Gaza

Von Arnold Schölzel

 

Im Mai 2021 wurden nach elf Tagen Raketenbeschuss aus Gaza Richtung Israel und israelischer Bombardierung der mehr als zwei Millionen Einwohner des größten Freiluftgefängnisses der Welt mehr als 260 Tote gezählt – 13 auf israelischer Seite. Der UN-Menschenrechtsrat setzte am 27. Mai 2021 eine unabhängige, unbefristete Untersuchungskommission ein, die unter Vorsitz der südafrikanischen Richterin Navanethem »Navi« Pillay die tieferen Ursachen des Konflikts und konkrete Verbrechen untersuchen soll. Der Kommission wurde die Einreise nach Israel verwehrt, Ägypten weigerte sich, Zugang nach Gaza zu verschaffen. Sie ging ihrer Aufgabe dennoch akribisch nach.

Am 14. Juni hielt Pillay auf einer Pressekonferenz in Genf zum ersten Kommissionsbericht fest: Hauptursache waren und sind die andauernde Besatzung Palästinas, das mangelnde Interesse Verbündeter Israels für Rechte von Palästinensern sowie doppelte Standards. Gemeint ist: Eine Untersuchungskommission für Verbrechen im ­Ukraine-Krieg kam im Handumdrehen und ohne Hindernisse zustande. Aber 22 UN-Mitgliedstaaten verweigerten dem Pillay-Bericht die Zustimmung – maßgeblich dabei die USA und die Bundesrepublik. In Wahrung regelbasierter Außenpolitik.

Doppelte Standards bei Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gröbsten Ausmaßes, also etwa bei Folter und extralegaler Tötung, gelten insbesondere in der NATO-Wertegemeinschaft nicht nur für Israel, sondern auch für Marokko und dessen Besatzungsregime in der Westsahara, erst recht für die Kriege des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien und dem Irak und selbstverständlich für alle Kriege von USA und EU-Staaten. Kein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen hat allerdings bisher seit Jahrzehnten so wie Israel die UN-Mechanismen untergraben. Morde mit Drohnen nach dem Vorbild der USA wie jüngst in Kabul sind nun ebenso eine »Regel« wie die Inkaufnahme von toten und verletzten Zivilisten durch Luftangriffe auf Gaza. Hintergrund waren dafür 2021 wie auch jetzt anstehende Parlamentswahlen in Israel.

 

Flankiert wird das Besatzungsregime durch sorgfältig orchestrierte Kampagnen gegen angebliche Antisemiten in EU-Staaten und Nordamerika. Gegenwärtig wird zum Beispiel eine gegen ein Mitglied der Pillay-Kommission, den indischen Juristen Miloon Kothari, inszeniert. Er hatte im Interview mit dem Internetportal Mondoweiss am 25. Juli erklärt, er halte die Bezeichnung »Apartheid«, die der UN-Sonderberichterstatter Michael Lynk im März für die Zustände in den von Israel besetzten Gebieten gefunden hatte, für »nicht ausreichend«. Er frage, warum Israel »überhaupt Mitglied der Vereinten Nationen« sei. Die eigenen Verpflichtungen als UN-Mitgliedstaat respektiere es jedenfalls nicht.

Genau darin besteht das Wesen der »regelbasierten Außenpolitik« des Westens: Willkür statt Recht. Die Pillay-Kommission macht das sichtbar. Für Palästinenser ist das viel.

Quelle: junge welt v. 08.08.2022 Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

Nach den israelischen Luftangriffen auf Gaza: Trauernde bei der Beisetzung der Getöteten (7.8.2022)

 

Verstoß gegen die Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 01.08.2022, Seite 3 / Schwerpunkt

VERBRECHEN DER KATHOLISCHEN KIRCHE

»Es war Völkermord«

Langer »Weg zur Versöhnung«: Papst Franziskus spricht nach Kritik in Kanada von »Genozid« an Indigenen

Von Jürgen Heiser

 

Hintergrund: Die Kommission

Am 15. Dezember 2015 veröffentlichte die kanadische Truth and Reconciliation Commission (TRC) ihren Abschlussbericht über die Geschichte der etwa 130 Residential Schools. Die Gründung der TRC 2008 war Folge des Drucks von Kanadas First Nations. Ein nationales Forschungszentrum der TRC sammelte Aussagen ehemaliger Schülerinnen und Schüler sowie Dokumente von Kirchen und Behörden. Im Juni 2010 hielt die TRC ihre erste Nationale Versammlung in Winnipeg ab, an der Tausende teilnahmen. Sie hörten die Berichte der Überlebenden und erfuhren, dass einige staatliche und kirchliche Institutionen dem TRC Dokumente verweigerten.

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Am Freitag abend beendete Papst Franziskus seine Kanada-Reise und machte sich auf den Rückflug nach Rom. Aufsehen erregte seine Äußerung, das Internatssystem sogenannter Residential Schools, in dem gut 100 Jahre lang bis in die 1990er Jahre hinein Generationen indigener Kinder »umerzogen« werden sollten, sei »Völkermord« gewesen. Das habe Franziskus laut Vatican News zu Reportern auf seinem Rückflug gesagt, meldete am Sonnabend der indigene Newsblog Native News Online (NNO).

Dieses Wort sei ihm während seiner »Pilgerreise der Buße« in Kanada zunächst nicht in den Sinn gekommen, so der Papst, obwohl er das »Entführen von Kindern« und »die zwangsweise Veränderung einer ganzen Kultur verurteilt« habe. »Völkermord« sei ein klar definierter Begriff. »Sie können also berichten«, so der Papst zu den Presseleuten, »dass ich gesagt habe, dass es ein Völkermord war.« Das Einlenken des Papstes war eine Reaktion auf die zuvor häufig geäußerte Kritik, er habe versäumt, anzuerkennen, dass »die von der Kirche einst gutgeheißenen Greueltaten an den indigenen Völkern in Nord- und Südamerika einem Völkermord gleichkommen«, wie die Juristin Pamela Palmater von der Eel River Bar First Nation in New Brunswick in einem Kommentar der Zeitung Toronto Star erklärte.

Zum Abschluss seines sechstägigen Besuchs bei den indigenen First Nations, Métis und Inuit war Franziskus am Freitag in Iqaluit, der Hauptstadt des Territoriums Nunavut am Nordpolarmeer eingetroffen. Nach Begegnungen in den Provinzen Alberta und Québec traf er zum dritten Mal Überlebende der Internatsschulen und bat das Volk der Inuit um Vergebung für »das Böse, das von nicht wenigen Katholiken« begangen wurde. Er sei »mit dem Wunsch gekommen, gemeinsam einen Weg der Heilung und Versöhnung zu gehen«, so das Kölner Domradio.

Nicht Idee des Vatikan

Auf dem Flughafen von Iqaluit hatte Generalgouverneurin Mary Simon das katholische Kirchenoberhaupt empfangen. Simon, Angehörige der Inuit, ist die erste Indigene in diesem Amt. Sie vertritt in der »föderalen parlamentarischen Monarchie« Kanada die britische Queen Elizabeth II., die offizielle Herrscherin des Landes. Deshalb sprach Franziskus auch nur für zehn Minuten mit Regierungschef Justin Trudeau in Québec, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, nachdem »seine Heiligkeit« dort am Mittwoch eine Rede vor Vertretern von Regierung, Behörden und diplomatischem Korps sowie 50 Überlebenden der Internate gehalten hatte. Letztere konnten jedoch nicht direkt mit dem Papst sprechen, wie Kenneth Deer von der Mohawk Nation gegenüber NNO berichtete. Und das, obwohl Generalgouverneurin Simon hervorgehoben hatte, es sei »dem Mut und der Widerstandsfähigkeit« der Überlebenden zu danken, »dass der Weg für die Bitte um Vergebung der Kirche auf indigenem Land in Kanada geebnet« wurde.

 

Die päpstliche Reise war keine Idee des Vatikanstaates. Vielmehr war es der 94 Punkte umfassende Handlungskatalog, der 2015 im Abschlussbericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission veröffentlicht wurde, der die Katholiken zu dem Schritt drängte. Nach Vorarbeit der kanadischen Bischofskonferenz und Gesprächen am 1. April in Rom mit Delegierten der First Nations und Überlebenden der Internate hatte sich nun auch der Papst endlich auf den Weg gemacht.

Die von ihm besuchten indigenen Gemeinden machten ihm jedoch schon bald klar, dass seine Kirche auf ihrem »Weg zur Versöhnung« noch eine sehr lange Strecke vor sich hat. Vor allem weil Franziskus durch seine Äußerungen zu Beginn seiner »Büßerreise« den Eindruck vermittelte, dass nicht die Kirche, sondern der kanadische Staat hauptverantwortlich war für den Terror der Internate.

Versteinerte Gesichter

Das deutete Franziskus jedenfalls am vergangenen Montag in seiner ersten Rede an, die er in Maskwacis in der Provinz Alberta hielt, dem Ort der berüchtigten Ermineskin Residential School. Vor Tausenden Indigenen aus ganz Kanada bedauerte der Papst »zutiefst, dass viele Christen die Kolonialmentalität der Mächte unterstützten, die die indigenen Völker unterdrückt haben«. Er bitte »insbesondere um Vergebung für die Gleichgültigkeit vieler Glieder der Kirche«, die an der von den damaligen Regierungen geförderten »kulturellen Vernichtung und Zwangsassimilation in den Internaten mitgewirkt« hätten. Er bitte »demütig um Vergebung für das Böse, das so viele Christen an den indigenen Völkern begangen haben«.

Laut Agenturberichten waren während der Rede des Papstes im Rund der Zuhörenden viele versteinerte Gesichter zu sehen. Ältere Indigene brachen angesichts ihrer Erinnerungen an den Horror des Erlebten in Tränen aus. Es gab indes auch Beifall für die päpstlichen Worte. Überrascht habe die Menge laut NNO, dass »Häuptling Wilton Littlechild dem Papst einen traditionellen Federkopfschmuck schenkte«. Franziskus habe den Kopfschmuck jedoch nur kurz und wortlos aufgesetzt.

Viele Indigene äußerten sich dazu entrüstet im Internet. Russell Diabo von der Mohawk Nation, Herausgeber der Publikation First Nations Strategic Bulletin, verurteilte die Geste auf Twitter als »ein Spektakel aus oberflächlichen Erklärungen des Papstes und dem Aufsetzen des Federschmucks«. Sie nütze nur »der Zusammenarbeit von Kirche und Staat bei der Schaffung der Mythologie einer gemeinsamen ›Versöhnungs‹-Agenda«. Christian Big Eagle von der »Cree Warriors Society« reagierte wütend auf das Geschenk an Franziskus. Einen solchen traditionellen Federschmuck müsse man sich verdienen, schrieb er auf Twitter. Der Papst sei jedoch »Oberhaupt einer Organisation, die indigene Kinder vergewaltigt und ermordet hat«.

 

Quelle: junghe Welt 01.08.2022/Adam Scotti/Prime Minister's Office/Handout via REUTERS

»Horror des Erlebten«: Die Sängerin Si Pih Ko mit einem emotionalen Lied beim Papstbesuch am 25. Juli in Alberta

 

Verstoß gegen das Völkerrecht

Aus: Ausgabe vom 30.07.2022, Seite 8 / Ausland

EU-ABSCHOTTUNG

Vertuschte Verbrechen

EU-Kommission hält weiterhin Bericht über völkerrechtswidrige Methoden der Grenzagentur Frontex zurück

Von Matthias István Köhler

 

Die EU-Kommission weiß davon, schweigt aber, mehr noch – sie verhindert seit Monaten, dass ihre eigenen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit gelangen: Ein interner Untersuchungsbericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) hält auf 129 Seiten die tatkräftige Unterstützung der sogenannten Grenzschutzagentur Frontex bei den völkerrechtswidrigen »Pushbacks« der griechischen Küstenwache fest. Das Nachrichtenmagazin Spiegel und die französische Zeitung Le Monde hatten am Donnerstag darüber berichtet und auch aus dem als geheim eingestuften Papier zitiert.

Vorwürfe bekannt

Ganz neu sind die Ermittlungsergebnisse des OLAF nicht. Die Vorwürfe gegen Frontex und auch die griechischen Grenzbeamten wegen systematischer Menschenrechtsverletzungen sind von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen und Medien teils minutiös nachrecherchiert und dokumentiert worden. Der Europäische Gerichtshof verurteilte erst am 7. Juli Griechenland für illegale »Pushbacks« im Jahr 2014, als acht Frauen und drei Kinder östlich der Dodekaninseln ertranken. Anfang Mai musste der damalige Chef der EU-Abschottungsbehörde, Fabrice Leggeri, zurücktreten – die Beweise, dass Frontex bei den illegalen Tätigkeiten involviert war und sich an deren Vertuschung aktiv beteiligte, waren erdrückend.

Die Bedeutung des OLAF-Berichts liegt darin, dass er unter anderem die Kommunikation Leggeris und seiner Truppe auswertet und weitere Details zu deren Methoden offenlegt. »Sie belogen das EU-Parlament und verschleierten, dass die Agentur einige Pushbacks sogar mit europäischem Steuergeld unterstützte«, heißt es beim Spiegel.

So verhinderte Frontex unter anderem die Aufzeichnung der Menschenrechtsverletzungen durch die griechische Küstenwache in der Ägäis. Flugzeuge der Abschottungsagentur wurden eigens dafür von Patrouillen abgezogen. Auf einer handschriftlichen Notiz vom 16. November 2020 findet sich vermerkt: »Wir haben unser FSA vor einiger Zeit zurückgezogen, um nicht Zeugen zu werden.« FSA sind die Beobachtungsflieger der Behörde. Leggeri persönlich weigerte sich, Inmaculada Arnaez, der damaligen Frontex-Menschenrechtsbeauftragten – auch so etwas gibt es –, Videos und Dokumente auszuhändigen. In der internen Kommunikation hieß es laut Spiegel, sie würde ein »Terrorregime im Stile der Roten Khmer über die Agentur« bringen.

Bloßes Gerede

 

In mindestens sechs Fällen wurde EU-Geld verwendet, um Einsätze mit »Pushbacks« direkt zu finanzieren. Bei Nachforschungen des Parlaments dazu schwieg die Leitung um Leggeri. »Grundrechte werden als Gimmick, als eine Art Spielerei ohne wirklichen Nutzen angesehen«, zitierte Spiegel dazu einen Frontex-Mitarbeiter aus dem OLAF-Bericht.

Vor allem aber macht der Umgang mit dem Bericht klar, dass die EU-Kommission und einige Abgeordnete längst aus eigenem Anschauungsmaterial um die gegen das Völkerrecht verstoßenden Praktiken an der EU-Außengrenze wussten – und die Erkenntnisse mit aller Gewalt unter Verschluss halten wollen. Das EU-Parlament hatte im Mai deswegen gegen die Entlastung des Frontex-Haushaltes gestimmt. Sie monierten, den Bericht nicht zu kennen und so keine informierte Entscheidung treffen zu können.

Geschehen ist in der Sache seither immer noch nichts – bis auf wohlfeile und folgenlose Kritik der EU-Kommission. Damit kann Athen umgehen, solange die Gelder für »Flüchtlingsabwehr« aus Brüssel weiter fließen. Im Juni vergangenen Jahres versicherte der griechische Migrationsminister Panagiotis Mitarachi wiederholt, seine Regierung wende »Technologie an, die internationales Recht nicht verletzt. Wir verteidigen die Grenzen der Europäischen Union, ohne Menschen in Gefahr zu bringen«.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach bei ihrem Besuch am Freitag in Athen die Angelegenheit an. Am Donnerstag hatte sie eine »systematische Aufklärung« der Vorwürfe gefordert. Das heißt, es bleibt beim Gerede – denn der OLAF-Bericht zeigt, dass diese »systematische Aufklärung« zumindest in Ansätzen vorliegt, politisch aber ignoriert wird.

Quelle: junge Welt v.30.07.2022ild Costas Baltas/REUTERS

Augen und Ohren zu: Frontex-Mitarbeiter bei der Arbeit. Während ein Rettungsboot geflüchtete Menschen Richtung Küste eskortiert, wartet das Frontex-Boot im Hintergrund (Lesbos, 28.2.2020)

 

Verstoß gegen die Menschenrechte in Guatemala

Guatemala Stadt – Ende Juli

 Notizen eines deutschen Anwalts in Guatemala (81) 

 

Wir nähern uns Ende Juli; diesmal muss ich die Notizen etwas früher beenden. Ohnehin ist die Entscheidung worüber schreiben, nicht leicht; in dieser Umwälzung eines rachitischen Rechtsstaates hin zu einer Diktatur der Impunidad finden Umwälzungen statt, die täglich katastrophale Nachrichten produzieren. Hier monatlich berichtend zusammenzufassen und Tendenzen zu analysieren ohne Depression zu verbreiten ist eine Herausforderung, von der ich nicht weiß, ob die Notizen ihr immer gerecht werden. Über Rückmeldungen bin ich dankbar. Heute könnte ich über ein Netz von Menschenhandel berichten, in dessen Fängen seit Monaten junge Frauen und Mädchen verschwinden. 1 Genauso könnte es um die tägliche Zerstörung von Infrastruktur gehen und den nicht endenden Raub öffentlicher Gelder; oder um Acisclo Valladares Urruela, Wirtschaftsminister unter Jimmy Morales, der sich jetzt in den USA schuldig erklärte, für seinen früheren Arbeitgeber TIGO2 zwischen 2014 und 2018 Abgeordnete und Funktionsträger in Millionenhöhe bestochen und Geld gewaschen zu haben. Oder ich könnte erneut über die zunehmenden Angriffe und Attentate auf soziale AktivistInnen und JournalistInnen schreiben oder die andauernden Versuche, endlich das ElPeriódico zu schließen. 1Aus der Diskothek ”El Embarcadero 2” in San Juan Sacatepéquez verschwanden nur im Juli 13 junge Frauen; sie ist bekannt für ihren Drogenumsatz. Betreiber der Disco ist der Bürgermeister und der Bruder seines Kollegen von Villa Nueva. Beides sind Städte in Hauptstadtnähe. 2 Telekommunikationsriese 3 Blanca Stalling, damals Richterin des obersten Gerichts, versuchte 2016 einen Kollegen zu Gunsten ihres beschuldigten Auch die Versetzungen und Rausschmisse in Staatsanwaltschaft und Gerichten gingen über den gesamten Monat weiter, genauso wie die Manipulation der Verfahren, die noch aus den goldenen Jahren 2015-17 des Kampfes gegen die Korruption stammen. Sie werden so lange manipuliert, bis wichtige Zeuginnen ausgeschlossen, StaatsanwältInnen oder RichterInnen abgelöst oder Anklageschriften umgeschrieben werden… und damit Haftverschonung, Einstellung oder Freispruch für die Beschuldigten möglich sind. Gleiches passiert, nur andersherum, in den Verfahren gegen die unabhängige Justiz. Wenn ein System systematisch zerstört wird, kommt es unweigerlichen auch zu so absurden Blüten wie die einer der Bestechung überführten und suspendierten Richterin, die jetzt Schadensersatz wegen entgangenen Verdienstes will. 3 Es ist eine verkehrte Welt, in der ich im Juli Kriminelle öffentlich triumphieren und RichterInnen hinter verschlossen Türen weinen sah. Dazu bereitet sich das System auf die Wahlen vor. Giammattei verliert, wie vorausgesagt, an Einfluss und konzentriert sich darauf, sich und seinen Leuten die Straffreiheit für die nächsten Jahre zu garantieren. Da sie auch das TSE (oberstes Wahlgericht) kontrollieren, werden Parteiauflösungsverfahren initiiert oder beendet, wie sie es brauchen. Sandra Torres und die UNE waren Teil des Paktes und unterstützten ihn im Kongress, bis diese Allianz angesichts der kommenden Wahlen (2023) brach. Die UNE soll Sohnes zu bestechen. Richter Ruano zeigte sie an; sie floh filmreif mit Pistole und Perücke, wurde aber gefasst und suspendiert. Jetzt wurde ihr Verfahren eingestellt und sie fordert ihren entgangenen Verdienst in Millionenhöhe, obwohl ihr Mandat seit 2018, wie das ihrer KollegInnen längst abgelaufen ist (versch. Notizen). jetzt aufgelöst werden genauso wie Semilla, die einzig ernstzunehmende Opposition im Kongress, die aus der Antikorruptionsbewegung 2015 entstanden ist. Andere Verbotsverfahren wie das gegen „Prosperidad Ciudadana“, wurden geschlossen; sie blieb Teil des Paktes. Demgegenüber gibt es Initiativen, die versuchen oppositionelle Kräfte zusammenzubringen. Es sollte leicht sein, sich in einer so dramatischen Situation auf die wichtigsten Eckpunkte gemeinsamer Vorschläge zu einigen; dazu könnten soziale Programme, der Kampf gegen Korruption und Straffreiheit und für Menschenrechte gehören. Einige Parteien wie SEMILLA, WINAQ und URNG scheinen auch bereit zu sein, allerdings ohne inhaltliche Vorschläge zu machen, während MLP, die Partei, die von CODECA gegründet wurde und in einigen Regionen eine starke Basis hat, hier eher alter Radikalität verhaftet bleibt und keine Anstalten macht, an solchen Überlegungen teilzunehmen. Das Land ist erzkonservativ; es gibt kaum Zugang zu Bildung und kritischem Denken, die Menschen sind in einem Netz von fundamentalistischen Kirchen verfangen und dazu in dem des täglichen Überlebens. Wenn sich 40 schlecht ausgebildete Schulab[1]gängerInnen um die drei Jobs streiten, die der Bürgermeister im Dorf anbietet, machen 30 von ihnen bei der nächsten Wahl Wahlkampf für irgendeinen Kandidaten. Das System ist eine allgegenwärtige Krake Die Bevölkerung macht sich keine Illusionen über die Korruption, aber das ändert nichts; sie ist unveränderbarer Teil ihrer Realität. Der Staat taucht vor den Wahlen auf und verteilt T-Shirts oder einen Sack Dünger. Ansonsten existiert er nicht; Staat und Wahlen haben keine wirkliche Bedeutung. Man nimmt 4 Wenn man die Stimmen der demokratischen und linken Parteien bei der Präsidentenwahl 2019 zusammenzählt, wäre eine daran teil, ohne auch nur zu hoffen, dass das etwas verändert. Dennoch könnten progressive Vorschläge den Unterschied machen, wenn sie von der Realität der Menschen ausgehen. Giammattei wurde laut einer Umfrage von CID-Gallup im Mai von 81 % der Bevölkerung abgelehnt; heute könnte dieser Prozentsatz bei 85 oder 90% liegen. Linke oder demokratischen Strömungen haben es in diesem Land nach den fatalen Folgen des Krieges sicher schwer; sie könnten sich aber in diesem Vakuum bewegen, wenn sie Hand in Hand arbeiten. 4 Noch kann es 2023 anders werden, aber es spricht zurzeit nicht viel dafür. Nach diesem Rundschlag will ich kurz versuchen, die Brücke zwischen zwei konkreten Ereignissen zu schlagen. Der hier oft erwähnte Richter Gálvez, Symbol des Rechtsstaates und des Kampfes gegen die Korruption, aber auch Verteidiger der Hoffnung der Opfer des Krieges, hängt jeden Tag mehr am seidenen Faden. Nach dem obersten Gericht (CSJ) hat ihm jetzt auch das sog. Verfassungsgericht den Rücken gekehrt. Zwischen der Aufhebung seiner Immunität und seiner möglichen Verhaftung steht jetzt nur noch ein „Untersuchungsrichter“, der der CSJ die Auf[1]hebung der Immunität empfehlen soll. Die Farce nimmt ihren Lauf. Dieser „unabhängige“ Richter, ausgewählt durch dieselbe CSJ, ist Oberst[1]leutnant, war jahrelang Berater des Ministers und dann Chef der juristischen Abteilung des Verteidigungsministeriums, dazu Berater im Kongress für Sicherheitsfragen. Er empfahl schon die Aufhebung der Immunität des Richters Xitumul und war mit dem gleichen Verfahren gegen Richterin Aifán befasst. Das ist die Justiz, die wir heute haben; das Ergebnis steht längst fest, auch wenn der interamerikanische gemeinsame Kandidatin in die Stichwahl gekommen. Aber niemand wollte auf die eigene Kandidatur verzichten… Gerichtshof für Menschenrechte am 9.7. in einer Eilentscheidung anordnete, dass Guatemala den Schutz von Gálvez und seiner richterlichen Unabhängigkeit garantieren solle. Parallel dazu haben die USA ihre Engel-Liste erweitert. Ich könnte jetzt darauf eingehen, dass zum ersten Mal wichtigen Unternehmern, wie u.a. dem Zuckerbaron Moncho Campollo, das Visum entzogen wird und möglicherweise auch der Zugang zu seinen Konten in den USA. Oder ich könnte analysieren, warum 5 (fünf) RichterInnen (darunter 2 der CSJ) und Staatsanwalt Curruchiche, dieser unsägliche Chef dessen, was einmal die FECI war, aufgenommen wurde. Die entscheidende Frage ist aber, was diese Liste, die in den Notizen immer wieder Thema war, wirklich bringt. Hier haben viele auch darauf gehofft, dass sie der Vorläufer ernster Sanktionen sei und dass die USA endlich Maßnahmen ergreifen, die diese Allianz von organisiertem Verbrechen und Staat im Herzen trifft. Vielleicht kommt das noch. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass der Pakt mit seiner Unabhängigkeitsrhetorik auch ein Körnchen Wahrheit auf seiner Seite hat. Diese Mechanismen waren immer Teil der Politik der Einmischung und Knebelung durch die USA. Xiomara Castro, die neue Präsidentin von Honduras hat die aktuell erweiterte Engelliste wegen genau dieser Einmischung abgelehnt, sind doch auch Elemente der neuen Regierung auf ihr vertreten. Dagegen war die jahrelange 5 Sie behauptet, dass die USA mit dieser „sog. Engel-Liste“ die guatemaltekische Verfassung „flagrant verletzt“ und „hier vor allem das Recht auf Verteidigung, da niemand verurteilt oder von seinen Rechten ausgeschlossen werden kann“, der sich nicht vor einem Richter verteidigen konnte. Damit behauptet dieses Licht am Horizont der Rechtswissenschaften, dass GuatemaltekInnen ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf Visum in den USA haben. Das ist blühender Unsinn und klingt den MigrantInnen, die ihr Leben riskieren, um in die USA zu kommen, sicher wie Hohn in den Ohren. Dann kam sie auch noch mit der Unschuldsvermutung Forderung der Opposition vor der Regierungsübernahme missachtet worden, endlich den damaligen Präsidenten und Drogenhändler Hernández aufzunehmen und zu ächten. Das geschah nie. Und doch zeigt die ebenso wirre wie absurde Stellungnahme5 von Silvia Valdés, der obersten Juristin des Landes und Präsidentin (!) der CSJ, dass ihnen die Liste weh tut… …und das freut mich, ich gebe es gerne zu. Miguel Mörth daher, als wenn die gegenüber Verwaltungshandeln bestehen würde. Sie fantasierte weiter, dass auch das Recht auf einen geordneten Prozess verletzt sei, da diese List keinerlei Legitimation habe, sondern auf unentschuldbare Weise in die Justiz eingreifen würde… was ihr besonders verwerflich erschien, da es doch um ehrenwerte RichterInnen ginge. In welche Justiz hier mit Verwaltungshandeln eingegriffen wird, ob in die der USA oder Guatemalas, blieb dazu ihr Geheimnis. Das Ganze ist juristisch völlig absurd und eher Abschreckungsmaterial für die Einführung von Studienanfängern.

 

Quelle. Juli 2022, Flurina Doppler
Koordinatorin | Guatemalanetz Bern
Coordinadora | Red Guatemala-Suiza

Verstoß gegen Menschenrechte

„Ein vertrauenswürdiger Partner”

Ägyptens Präsident Al Sisi besucht zum Ausbau der bilateralen Kooperation Berlin. Kritiker protestieren – wegen schwerster Menschenrechtsverbrechen der ägyptischen Behörden.

18

JUL

2022

KAIRO/BERLIN (Eigener Bericht) – Proteste von Menschenrechtsorganisationen überschatten den aktuellen Besuch des ägyptischen Präsidenten Abd al Fattah al Sisi in Berlin. Al Sisi hält sich zur Zeit in der deutschen Hauptstadt auf, um die Zusammenarbeit zwischen Ägypten und Deutschland zu intensivieren. Dabei geht es nicht nur um Milliardengeschäfte für deutsche Konzerne; kürzlich hat Siemens den größten Auftrag der Firmengeschichte in dem nordafrikanischen Land erhalten. Vor allem hat Berlin Kairo als Lieferanten von Energieträgern im Visier. So ist geplant, dass Ägypten israelisches Erdgas verflüssigt und in die EU exportiert; künftig soll es auch grünen Wasserstoff produzieren. Ägypten sei als Energielieferant „ein vertrauenswürdiger Partner“, lobte unlängst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Pikant ist, dass der „Energiepartner“ sich schon seit vielen Jahren mit schweren Menschenrechtsverletzungen hervortut; seit sich die Militärs im Jahr 2013 in Kairo an die Macht putschten, sind laut Berichten bis zu 65.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert worden. Folter ist verbreitet, zahllose Regierungsgegner sind verschwunden.

Al Sisi in Berlin

Ägyptens Präsident Abd al Fattah al Sisi ist gestern zu einem mehrtägigen Besuch in Berlin eingetroffen. Dort leitet er nicht nur gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock den Petersberger Klimadialog. Er wird heute auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und von Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gesprächen empfangen.[1] Al Sisi ist regelmäßiger Gast in der Bundesrepublik; bereits 2015 und 2018 hielt er sich zu Verhandlungen in Berlin auf. Umgekehrt reisen deutsche Politiker immer wieder nach Kairo, um dort die Beziehungen zu intensivieren. Zuletzt hielt sich Außenministerin Baerbock in der ägyptischen Hauptstadt auf, um Schritte zum Ausbau der bilateralen Kooperation zu unternehmen. Kairo sei „ein wichtiger Ansprechpartner“, teilte Baerbock damals mit.[2]

Folter und Mord

Gegen den aktuellen Empfang für Präsident Al Sisi in Berlin protestieren Menschenrechtsorganisationen erneut. In Ägypten sind Tausende Regierungsgegner, Menschenrechtler, Journalisten und Wissenschaftler allein wegen ihrer oppositionellen Haltung inhaftiert; seit die ägyptischen Militärs sich im Juli 2013 in Kairo an die Macht putschten, sind laut Berichten bis zu 65.000 Personen aus rein politischen Gründen ins Gefängnis geworfen worden.[3] In den Haftanstalten sind unmenschliche Lebensbedingungen sowie eine völlig unzulängliche medizinische Versorgung an der Tagesordnung; Amnesty International geht davon aus, dass mindestens 56 Todesfälle in Haft teilweise oder sogar vollständig darauf zurückzuführen sind.[4] Folter ist verbreitete Praxis; zahlreiche Oppositionelle sind spurlos verschwunden. Frauen werden diskriminiert, ebenso Nichtheterosexuelle und Angehörige religiöser Minderheiten. Streiks und andere Proteste von Arbeitern werden oft brutal unterdrückt. 21 Menschenrechtsorganisationen haben Ende vergangenen Woche Außenministerin Annalena Baerbock in einem offenen Brief ausdrücklich aufgefordert, Al Sisi zur Freilassung der politischen Gefangenen zu drängen. Auch solle, heißt es in dem Schreiben, der Druck auf die ägyptische Zivilgesellschaft eingestellt werden.

Milliardengeschäfte

Beobachter gehen freilich nicht davon aus, dass Baerbock oder Kanzler Olaf Scholz jenseits von Lippenbekenntnissen wirklich Druck auf Al Sisi ausüben. Hintergrund ist, dass Berlin eine enge Kooperation mit der Regierung in Kairo sucht – ökonomisch, beim Bezug von Energieträgern sowie politisch. Ägypten ist der zweitgrößte Handelspartner Deutschlands in Afrika nach Südafrika und drittgrößter Investitionsstandort deutscher Firmen auf dem Kontinent. Aktuell sind deutsche Kfz-Zulieferer, so etwa Leoni, bemüht, beim geplanten Aufbau der ägyptischen Automobilbranche attraktive Marktanteile zu erobern.[5] Vor allem aber fallen immer wieder bemerkenswerte Großaufträge für deutsche Konzerne an. Siemens etwa konnte sich im Jahr 2015 in Ägypten den damals größten Auftrag seiner Geschichte sichern; es handelte sich um den Bau dreier Gas- und Dampfturbinenkraftwerke sowie von Windkraftanlagen für insgesamt rund acht Milliarden Euro.[6] Ende Mai teilte Siemens mit, den Rekord mit einem neuen Geschäft in Ägypten übertroffen zu haben. Dabei geht es um Bau und Ausstattung eines 2.000 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsnetzes; der Münchner Konzern soll dafür etwa 41 Hochgeschwindigkeits- und 94 Regionalzüge plus 41 Güterlokomotiven sowie Infrastruktur liefern – für 8,1 Milliarden Euro.[7]

Erdgas und Flüchtlingsabwehr

Besitzt die Förderung profitabler Geschäfte für deutsche Konzerne Gewicht an sich, so hat die Bundesregierung es in Kairo speziell auf Erdgaslieferungen abgesehen. Mitte Juni besuchte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die ägyptische Hauptstadt, um dort eine entsprechende Absichtserklärung zu vereinbaren. Ägypten fördert Erdgas nicht nur selbst; es bezieht seit 2020 auch über eine Pipeline Erdgas aus Israel. Die EU will künftig bis zu 15 Milliarden Kubikmeter israelischen Erdgases jährlich in Ägypten verflüssigen lassen – Ägypten besitzt zwei Verflüssigungsanlagen – und es von dort importieren.[8] Ergänzend plant Brüssel, perspektivisch auch Strom und grünen Wasserstoff aus dem Land einzuführen. Kairo sei „ein vertrauenswürdiger Partner“, wie man ihn für langfristige Energiegeschäfte suche, teilte von der Leyen bei ihrem Aufenthalt in der ägyptischen Hauptstadt mit. Zur selben Zeit stellte die von ihr geführte EU-Kommission in einem internen Papier Ägypten 80 Millionen Euro für neue Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr in Aussicht. Allein von Januar bis Mai seien rund 3.500 Ägypter per Boot nach Italien gelangt, hieß es; dies müsse nun aufhören.[9] Berlin und Brüssel kooperieren mit Kairo in puncto Flüchtlingsabwehr bereits seit Jahren.[10]

Gegen China

Nicht zuletzt zielt die Bundesregierung mit ihrer Kooperation mit Ägypten darauf ab, in dem nordafrikanischen Land nicht noch mehr Einfluss gegenüber China zu verlieren. Chinesische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren zweistellige Milliardensummen in Ägypten investiert und nehmen eine führende Rolle in der Suez Canal Economic Zone (SCEZ) ein, einer strategisch äußerst günstig direkt am Suezkanal gelegenen Sonderwirtschaftszone, die als „Eckstein der langfristigen Wirtschaftsstrategie der ägyptischen Regierung“ gilt.[11] Auch am Bau der neuen Hauptstadt, die die Regierung im Osten von Kairo errichtet, sind Unternehmen aus der Volksrepublik maßgeblich beteiligt. „Ägypten ist die Drehscheibe von Chinas Mittelostpolitik“, wird etwa Degang Sun, Professor für internationale Studien an der Fudan University in Shanghai, zitiert. Das Land befinde sich „an der Schnittstelle dreier Zivilisationen“, erläutert Chuchu Zhang vom Zentrum für Mitteloststudien an der Fudan University: „die arabische, die mediterrane und die afrikanische Zivilisation“.[12] Zudem ist der Suezkanal eine Wasserstraße von weit herausragender geostrategischer Bedeutung. Mit ihren Aktivitäten in Ägypten sucht die Bundesregierung dort nicht zuletzt ihren eigenen Einfluss gegen China zu behaupten.

 

Quelle: German-Foreigen-Policy.com vom 18.07.2022

Verstoß gegen die Menschenrechte

Melilla – mindestens 23 Menschen sterben am Grenzzaun

(Melilla, 25. Juni 2022, ANRed/El Salto).- Etwa 2.000 Migrant*innen haben am Freitagmorgen versucht, den Zaun zu überwinden, der die spanische Exklave Melilla umgibt. Marokkanische und spanische Sicherheitskräfte schlugen mit brutaler Gewalt zurück. Wie viele Menschen im Zuge der anschließenden zweistündigen Schlacht zu Tode kamen, steht noch nicht fest; bisher wurden 23 Todesfälle bestätigt. Menschenrechtsorganisationen gehen von über 40 Menschen aus, die durch Schläge und Schüsse getötet wurden, dazu kommen etliche Verletzte. Der Großteil der Migrant*innen stammt aus den Ländern südlich der Sahara. In diesem Jahr sind bisher 1.402 Einwanderer über die Exklavenstädte Ceuta und Melilla nach Spanien eingereist, das sind etwa 80 Prozent mehr als im Vorjahr.

Seit Wochen hatte sich die Lage zugespitzt

Die Tragödie des 24. Juni hatte sich bereits seit längerem angebahnt. In den letzten Wochen waren die Sicherheitskräfte im Umfeld der Stadt Nador immer wieder mit Massenverhaftungen, Razzien in Lagern und Zwangsumsiedlungen gegen Migrant*innen vorgegangen. Mit der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen Marokko und Spanien im Kontext der Grenzsicherung wurden die koordinierten Aktionen zwischen den beiden Ländern ab März 2022 massiv intensiviert. Bei diesen Aktionen kam es im Norden (Nador, Tetouan und Tanger) sowie im Süden Marokkos (El Aaiun, Dakhla) immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen. Das Drama des 24. Juni ist die Folge des stetig gestiegenen Drucks gegen die Vertriebenen.

Elend in den Lagern

Seit mehr als anderthalb Jahren haben die Migrant*innen in Nador keinen Zugang zu Medikamenten oder medizinischer Versorgung, ihre Lager wurden geplündert und niedergebrannt, ihre spärliche Nahrung vernichtet, und sogar das bisschen Trinkwasser, das ihnen in den Lagern zur Verfügung steht, wurde beschlagnahmt. Die Gewalt gegen die Flüchtenden war von nationalen, regionalen und UN-Gremien bereits bei zahlreichen Gelegenheiten verurteilt worden. Der spanische Präsident Pedro Sánchez hingegen äußerte sich nach dem brutalen Polizeieinsatz lobend über die gute Mitarbeit der marokkanischen Streitkräfte bei der Bekämpfung afrikanischer Migrant*innen. Als Reaktion auf die Ereignisse unterzeichneten mehrere Menschenrechtsorganisationen mit Schwerpunkt Migration die folgende Erklärung:

29 Tote an europäischen Grenzen: Das spanisch-marokkanische Einwanderungsabkommen tötet

„Die tragischen Ereignisse vom 24. Juni 2022 an der Grenze zwischen Nador und Melilla in Marokko sind ein blutiger Verweis auf das Scheitern der sicherheitsorientierten Migrationspolitik. 27 tote und hunderte verletzte Migrant*innen und marokkanische Polizeikräfte sind das tragische Sinnbild der Politik der Europäischen Union (EU), die auf Abschottung der Grenzen setzt. Ein Land des Südens trägt ebenfalls Schuld an der Katastrophe: Marokko. Der Tod der jungen Afrikaner an den Grenzen der „Festung Europa“ führt uns die blutigen Folgen der spanisch-marokkanischen Zusammenarbeit zum Schutz vor Einwanderung vor Augen.

  • Wir sprechen den Familien der Opfer, sowohl auf Seiten der Migrant*innen als auch in den Reihen der Ordnungskräfte, unser tiefstes Beileid aus.
  • Wir verurteilen, dass die verletzten Migrant*innen nicht sofort versorgt wurden, das hat die Zahl der Opfer weiter in die Höhe getrieben.
  • Wir fordern eine angemessene medizinische Versorgung für alle Verletzten, die nach dieser Tragödie ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
  • Wir fordern die marokkanischen Behörden auf, die Toten in Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften der Migrant*innen zu identifizieren und die sterblichen Überreste der Opfer an ihre Familien zurückzugeben.
  • Wir fordern eine unverzügliche Untersuchung der Ereignisse durch Marokko und Spanien, und zwar durch unabhängige Kommissionen, sowie eine internationale Untersuchung, damit die Umstände dieser menschlichen Tragödie geklärt werden.
  • Wir fordern ein Ende der kriminellen Politik der EU, die in Kooperation mit verschiedenen Staaten sowie internationalen und zvilgesellschaftlichen Organisationen durchgezogen wird.
  • Wir fordern die diplomatischen Vertretungen der afrikanischen Länder in Marokko auf, ihre Verantwortung für den Schutz ihrer Bürger in vollem Umfang wahrzunehmen, statt sich zu Handlangern der Politik zu machen.
  • Wir befinden uns in einem kritischen Moment. Das Recht auf Leben ist in Gefahr. Wir appellieren an alle Menschenrechtsorganisationen und Initiativen, die für die Rechte von Migrant*innen kämpfen, nicht tatenlos zuzusehen und Position zu beziehen.“

 

Aus Melilla ein Kommentar der spanischen Juristin und Politologin Irene Graiño Calaza:

Derzeit gibt es 27 tote Migranten und Hunderte von Verletzten (Stand: 25. Juni). Bilder und Videos von AMDH Nador und anderen Organisationen zeigen die enorme Brutalität, mit der die marokkanische Polizei in Zusammenarbeit mit den spanischen Streitkräften gegen die Einreise von Migrant*innen vorgeht. AMDHCaminando Fronteras, das Kollektiv der subsaharischen Gemeinschaften in Marokko, der Verband zur Unterstützung von Migrant*innen in prekären Situationen und Attac Maroc hatten die Zustände in den Lagern seit Wochen kritisiert.

Präsident Sánchez bedankt sich für die tolle Zusammenarbeit

In der Erklärung der Verbände heißt es, die Eskalation sei eine Folge der erneuten Zusammenarbeit beider Länder bei der Grenzsicherung, wobei die Annäherung zwischen der Regierung Sánchez und dem Regime von Mohammed VI. auf Kosten der Menschen in der Westsahara geht. Die Bilder von AMDH Nador zeigen die willkürliche Gewalt der „gelungenen polizeilichen Kooperation“ und deren Folgen: Hunderte von Menschen, auf sich selbst gestellt, verletzt, schutzlos, die niemanden haben, der ihnen hilft, während die „Sicherheits“-Organe beider Staaten sich darin überbieten, es an  Menschlichkeit fehlen zu lassen. Noch am Freitagabend bedankte sich der spanische Präsident Pedro Sánchez für das Vorgehen der marokkanischen Polizei in Melilla, die etliche Menschen das Leben kostete, und lobte „die außergewöhnliche Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko“.

Die Festung Europa spaltet Migrant*innen in „Erwünschte“ und „Kriminelle“

Wieder einmal wird die südliche Grenze zu einem Ort des Schreckens und der Entmenschlichung, einem Ort im Ausnahmezustand. Menschenrechtsverletzungen gegenüber Migrant*innen sind an der Tagesordnung. Das Szenario der Gewaltexzesse, Autoritätsmissbrauch, Straflosigkeit und Kriminalisierung werden von beiden Regierungen unter dem Label „intelligente Grenzpolitik“ subsumiert und billigend in Kauf genommen. Die Südgrenze als Einfallstor und Spiegel einer Festung Europa, die Migrant*innen in „Erwünschte“ und „Kriminelle“ spaltet. Spanien und ganz Europa betreiben eine Politik der Selektion und Exklusion von Migrant*innen mit Hilfe hierarchischer Unterdrückungsfaktoren: Herkunft, Nationalität, Geschlecht und Ethnie. Die Zurückweisung der Migrant*innen aus den Ländern des globalen Südens verläuft entlang den historischen Achsen der Unterdrückung. Die Migrationspolitik der Mitgliedstaaten der EU wird bestimmt von Rassismus und Kolonialismus. Die „Kooperation“ zwischen Spanien und Marokko bedeutet im Klartext: Marokko übernimmt für die EU die Rolle des Torwächters und kümmert sich darum, die erste Sicherheitskontrolle an der Südgrenze mit systematischer Brutalität durchzuführen. Die in den letzten Jahren eingeführten Grenzkontroll- und Sicherheitsmaßnahmen sind die tödlichste, egoistischste und unmenschlichste Facette der „Sicherheitspolitik“ des globalen Nordens, die für die Menschen aus dem Süden, Tod, Gewalt und unbeschränkte Verletzung bedeutet.

Es ist an der Zeit, dass der Norden historische Verantwortung übernimmt

Die Menschen aus dem Süden fliehen. Vor Massakern und Kriegen, vor Besatzung, den Folgen der Klimakrise, vor Ressourcenverknappung, extremer Armut und Hunger, für die der Norden direkt verantwortlich ist, weil er ihnen den Zugang verwehrt und sie damit zum Tode verurteilt. Was wir sehen, sind die Auswirkungen der Geschichte, die der Norden zu verantworten hat, auch wenn er nicht gern darüber spricht. Einer Geschichte von extremster Ressourcenplünderung, Vergewaltigung, Kolonialisierung, Extraktivismus, Missbrauch, Unterstützung von Diktaturen und Machteliten, Waffenlieferungen etc., die der Westen hinter Begriffen wie „bilaterale Kollaborations- und Kooperationsabkommen“ zu verbergen versucht. Es ist an der Zeit, dass der Norden historische Verantwortung übernimmt und Wiedergutmachung leistet an den Völkern, die systematisch ausgeplündert, unterdrückt und niedergemacht wurden. Als erster Akt der Verantwortung muss eine Migrations- und Asylpolitik umgesetzt werden, die ihren Namen verdient. Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen müssen gestoppt und sanktioniert werden. Wie wir sehen, setzt sich die Geschichte von Rassismus und Kolonialismus in den heutigen strukturellen Unterdrückungsmechanismen fort: Die Migrationspolitik arbeitet mit der Kontruktion des Andersseins, um Menschen aus einigen Ländern willkommen zu heißen, während andere brutal zurückgewiesen werden. Was das bedeutet, zeigen uns die Bilder aus Melilla. Die spanische Aufnahme- und Integrationspolitik muss auf Gleichheit, Nichtdiskriminierung, und den von Spanien eingegangenen Verpflichtungen zu Einhaltung der internationalen Menschenrechte erfolgen. Dass Menschen, die vor Gewalt fliehen, willkommen geheißen werden, darf nicht fallweise und auf der Grundlage einer ausgrenzenden Solidarität entschieden werden, sondern ist gemäß den europäischen und nationalen Rechtsvorschriften und den unterzeichneten internationalen Menschenrechtspakten eine Pflicht für Spanien und die EU. Die Festung Europa verstößt gegen ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen und verletzt unter dem Vorwand der gemeinschaftlichen Grenzsicherung ihre eigenen Gesetze.

Die Opfer verdienen es, nicht vergessen zu werden

Was in Melilla passiert, ist extrem heftig. Es ist ein neuer Höhepunkt in der Geschichte der Abschottung, Kriminalisierung der Migration und Auslagerung der Grenzen, die in den letzten Jahren betrieben wurde. Migrationspolitik wird zu einer Politik des Todes; hier passt der von Achille Mbembe geprägte Begriff der Nekropolitik. Menschen, die vor einem Massaker fliehen, erwarten in der Festung Europa noch mehr Massaker, Gewalt und Tod. Es ist dringend erforderlich, die fortschreitende Gewalteskalation der Politik zu stoppen und Verantwortung zu übernehmen für das, was passiert. Wir brauchen eine sichere Migrationspolitik, die Menschen, die aus Notlagen fliehen, willkommen heißt. Angesichts der Gewalt in Melilla ist Schweigen eine unerträgliche Haltung, die Mitschuld schafft. Schluss mit der rassistischen und ausgrenzenden Migrationspolitik, die zu Tod und Unsicherheit führt! Die Bilder von AMDH Nador machen wütend. Also erheben wir die Stimme, um diese Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeiten anzuprangern und zu verurteilen. Die Opfer verdienen Anerkennung, Wiedergutmachung, Wahrheit und Gerechtigkeit, und sie verdienen es, nicht vergessen zu werden. Das Massaker an der EU-Grenze darf nicht ungesühnt bleiben.

Übersetzung: Lui Lüdicke

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika Juni 2022/Bild Melilla von oben
Foto: JJ Merelo
CC BY-SA 2.0

Verstoß gegen die Menschenrechte in Ecuador

Mit Schusswaffen auf Demonstrant*innen

(Quito, 24. Juni 2022, mutantia.ch).- Militär vor dem Parlament, Misshandlungen von Festgenommenen und Polizisten, die mit Schusswaffen auf friedliche Demonstrant*innen schießen: Die staatliche Repression gegen die landesweiten Proteste in Ecuador, die seit dem 13. Juni im Gange sind, wird immer heftiger. Menschenrechtsorganisationen berichten von zahlreichen Missachtungen der Menschenrechte sowie der Gefährdung für Leib und Leben. Mindestens sechs Personen sind bei den Auseinandersetzungen bisher ums Leben gekommen.

Hinzu kommen Entführungen von Demonstrant*innen, die im Polizeifahrzeug vorübergehend festgehalten werden, und – bevor die Beamten sie irgendwo wieder auf freien Fuß setzen –, damit bedroht werden, dass man sie bei der nächsten Festnahme verschwinden lassen würde. Am Donnerstagabend (23.6.) sind mehrere Demonstrant*innen durch Pistolenschüsse von der Polizei verletzt worden. Sie saßen gerade beim Abendessen auf dem Trottoir bei der Universidad Central in Quito, als Polizisten vom Motorrad aus das Feuer eröffneten.

Festnahme des CONAIE-Präsidenten heizt Proteste an

Doch nicht nur das: Ähnlich wie beim Landesstreik im Oktober 2019, bei dem mindestens elf Personen ums Leben gekommen sind, schießt die Polizei Tränengaspatronen auch dieses Mal wieder auf die Köpfe und Körper der Menschen. In der Provinzhauptstadt Puyo im Amazonasgebiet zeigten Röntgenaufnahmen, wie sich eine dieser Patronen direkt in den Schädel eines Demonstranten gefressen hat. Der Mann war sofort tot. Bis Mittwochabend (22.6.) sind landesweit mehrere Dutzend Personen schwer verletzt worden, einzelne schweben in Lebensgefahr.

Aufgerufen zum Streik haben die Indigenen rund um Leonidas Iza, Präsident des Dachverbandes der Indigenen Nationen Ecuadors CONAIE. Dieser ist bereits am ersten Streiktag durch Militärs ohne Ausweis festgenommen worden – die Staatsanwaltschaft wurde zunächst nicht darüber informiert. Der 40-Jährige Umweltingenieur aus der Provinz Cotopaxi ist rund 24 Stunden später wieder freigelassen worden. Seine Verhaftung hat die Proteste erst so richtig angeheizt.

Zweiter landesweiter Streik in drei Jahren

Ecuador erlebt damit den zweiten Landesstreik innerhalb von drei Jahren. Grund für die Proteste sind die während der Pandemie gestiegenen Lebenshaltungskosten. Millionen von Ecuadorianer*innen haben keinen Zugang zu verlässlicher Gesundheitsversorgung oder Bildung – und inzwischen nicht einmal mehr zu Lebensmitteln. Das liegt insbesondere an den gestiegenen Treibstoffpreisen, die seit Juni 2020 ohne Subventionen auskommen. Die Regierung hat diese unter anderem auf Grund von Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds aufgelöst.

Die Kosten für einen Liter Benzin sind um fast 50 Prozent angestiegen, was insbesondere die ärmeren Schichten stark bedrängt. Der Dachverband der Indigenen hat dem rechtskonservativen Staatspräsidenten Guillermo Lasso – einem Banker aus der Wirtschaftsmetropole Guayaquil, der seit Mai 2021 an der Macht ist – mehrmals Vorschläge für ein anderes Wirtschaftsprogramm unterbreitet. Doch nach einem Jahr Verhandlungen ohne Resultate haben die Indigenen, deren Werte von der ecuadorianischen Oberschicht nie anerkannt worden sind, die Geduld verloren, und versuchen nun durch landesweite Blockaden das Land lahmzulegen. Insbesondere die Städte, wo ein Großteil der 18 Millionen Einwohner*innen leben, sollen von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten werden. In einzelnen Teilen des Landes sind die Regale bereits leer. Unterstützt werden die Indigenen unter anderem von Gewerkschaften, Student*innen- und Lehrer*innenorganisationen sowie von Feminist*innen und Arbeiter*innen.

Konservativer Präsident setzt auf Härte

Guillermo Lasso, der eng mit dem ultrakonservativen Opus Dei verbandelt ist, hat auf Grund der Ereignisse den Ausnahmezustand für mittlerweile sechs Provinzen ausrufen lassen. Hinzu kommt der Ausnahmezustand in Esmeraldas, Manabi und Guayas, der in Zusammenhang mit den an Einfluss gewinnenden Drogenkartellen steht. Will heißen: Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr sowie eingeschränkte Versammlungsfreiheit.

Lasso weiß große Teile der ecuadorianischen Wirtschaftseliten hinter sich, und kann auf die Verzweiflung jener zählen, die nach zwei Pandemie-Jahren wieder arbeiten wollen, und sich gegen den Landesstreik organisiert haben. So kam es in Quitos Vorort Tumbaco zu mehreren Schießereien zwischen Demonstrant*innen und Bürgern, die arbeiten wollen.

Übersetzung: Christian Cray

Nähere Angaben zur Situation in Ecuador finden sich auch auf der Homepage mutantia.ch (auf Spanisch).

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika Juni 2022/ Bild Menschenrechtsorganisationen in Ecuador beklagen übermäßige Polizeigewalt: Polizist einer Spezialeinheit in der Altstadt von Lima.

Info über Kolumbien im Kampf um die Menschenrechte

Francia Márquez. Von der Umweltaktivistin zur Vizpräsidentin

 (Bogotá, 21. Juni 2022, Ecupres).- Francia Márquez wurde 1981 in einem Dorf namens Yolombó im Department Cauca geboren. Hier haben große Bergbaufirmen das Sagen; wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Kämpfe bestimmen den Alltag. Einen Teil des Familieneinkommens bestritt die Mutter durch ihre Tätigkeit als Hebamme in der örtlichen Gesundheitsversorgung, Francias Vater arbeitete in den Minen, und auch sie selbst hatte ihren ersten Job als traditionelle Goldschürferin. Danach begann sie als Hausangestellte zu arbeiten und wurde mit 16 Jahren zum ersten Mal Mutter. Trotzdem schaffte sie es, sich an der Universität von Santiago de Cali einzuschreiben und ein Jurastudium zu absolvieren.

Eine Geschichte des militanten Widerstands gegen Extraktivismus

Währenddessen nahmen Umweltschäden in ihrer Heimatregion zu.  Hunderte von Menschen in der Umgebung ihres Dorfs wurden zwangsumgesiedelt. Diese beiden Faktoren bezeichnete Márquez später als Auslöser für ihr politisches und soziales Engagement: Die Vergabe von Bergbautiteln an Unternehmen in aller Welt beförderte einen umweltschädlichen Extraktivismus, dazu mehrten sich Menschenrechtsverstöße. 2009 setzte Márquez sich für den Fluss Ovejas ein und forderte, das Gewässer vor der Verschmutzung durch den Bergbau zu bewahren. Viele weitere Aktionen folgten und brachten ihr öffentliche Anerkennung und verschiedene Auszeichnungen ein, darunter der Goldman-Preis, der als Umweltnobelpreis gilt. 2014 nahm sie an einem interkulturellen Runden Tisch teil, bei dem der kolumbianischen Regierung die Forderung vorgelegt wurde, den illegalen Bergbau und die Vergabe von Bergbautiteln ohne vorherige Konsultation in den Gebieten indigener Gemeinschaften zu unterbinden. Die von ihr geäußerten Korruptionsvorwürfe machten sie zur Zielscheibe paramilitärischer Attacken.

Zunehmende Bedrohung durch Paramilitärs

Als sie im selben Jahr gewaltsam von ihrem Wohnort vertrieben wurde, organisierte Márquez zusammen mit etwa 70 weiteren Afrokolumbianerinnen den „Marsch der Turbane“.  Die Aktion war aus der Initiative „Schwarze Frauen für die Bewahrung des Lebens und der angestammten Gebiete“ hervorgegangen. Der Marsch setzte sich am 17. November in Bewegung und zog 600 Kilometer weit von Suárez bis in die Hauptstadt Bogotá, wo die Aktivistinnen ein energisches Vorgehen gegen den illegalen Bergbau forderten. Während der Friedensgespräche zwischen der Regierung Santos und der Führung der FARC reiste Márquez ebenfalls  nach Kuba. 2015 nahm sie an einer Gemeindeversammlung im Norden von Cauca teil, die sich für den Schutz von Menschenrechtsaktivist*innen engagierte und die kolumbianischen Regierung aufforderte, gegen die ständigen Bedrohungen vorzugehen. Ihre wachsende Bekanntheit als antirassistische Aktivistin und militante Vertreterin der Landbevölkerung brachte ihr zunehmend Angriffe und Drohungen ein. 2019 verübten Paramilitärs sogar ein Attentat auf Márquez, die zu dem Zeitpunkt als Gemeinderätin im Dorf La Toma de Suárez tätig war.

Ein Symbol der Hoffnung für alle Marginalisierten

Bei der Präsidentschaftswahl schreckten Vertreter des konservativen Spektrums nicht davor zurück, Márquez‘ Eignung für das Amt der Vizepräsidentin in Frage zu stellen: Eine Frau, und noch dazu eine Afrokolumbianerin sei wohl kaum die passende Besetzung für den Posten. Wie um ihren Kritikern zu trotzen, kandidierte Márquez in den für ihre Region typischen farbenfrohen Kostümen und zog mit ihrem rhetorischen Geschick die Wähler*innen, vor allem die jungen, in ihren Bann. Márquez entwickelte sich zu einem politischen Phänomen, einem Symbol der Hoffnung für die Marginalisierten, die in der Politik traditionell an den Rand gedrängt und vergessen werden. Auch einen weiteren Kritikpunkt, der ihr während des Wahlkampfs immer wieder angetragen wurde, ihre mangelnde Erfahrung in der parteipolitischen Arena, wusste sie geschickt zu kontern: „Immer wieder wird mir vorgeworfen, ich besäße nicht die nötige Erfahrung, um Gustavo Petro zu begleiten und dieses Land zu regieren. Da frage ich mich doch: Warum hat ihre Erfahrung es uns nicht möglich gemacht, in Würde zu leben? Warum hat ihre Erfahrung uns so viele Jahre dieser Gewalt ausgesetzt, die mehr als acht Millionen Menschen das Leben gekostet hat? Warum hat ihre Erfahrung nicht allen Kolumbianern ein Leben in Frieden beschert?“

Wo immer ihr auch seid…

Einen Teil ihrer ersten Rede als neugewählte Vizepräsidentin widmete Francia den sozialen Bewegungen und Kämpfen von Minderheiten. „Wir Frauen werden das Patriarchat in unserem Land besiegen, wir werden uns für die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinschaften einsetzen, für die Rechte unserer Mutter Erde, die Rechte des großen Hauses. Um dieses große Haus, unser großes Haus müssen wir uns kümmern, um die biologische Vielfalt, und gemeinsam werden wir den strukturellen Rassismus besiegen.“ Ihren Erfolg bei der Präsidentschaftswahl widme sie „allen sozialen Führungspersönlichkeiten, die in diesem Land ermordet wurden, den Jugendlichen, die ermordet wurden, die verschwunden sind, den Frauen, die vergewaltigt wurden, die verschwunden sind. All‘ jenen, von denen ich weiß: Ihr seid bei uns in diesem Augenblick, diesem für Kolumbien so bedeutenden historischen Moment.“

Quelle: Nachrichtenpool Lateinamerika Juni 2022/Bild Foto: Enlace Noticias Barrancabermeja
CC BY 3.0

Verstoß gegen die Menschenrechte

„Willkommen in Guantanamo!”

Amnesty International prangert Misshandlung von Flüchtlingen in Litauen sowie rassistische Diskriminierung nichtweißer gegenüber ukrainischen Flüchtlingen an, spricht von „Folter“.

27

JUN

2022

VILNIUS/WARSCHAU/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Litauische Grenzbeamte und Lagerwächter misshandeln regelmäßig nichtweiße Flüchtlinge und brechen dabei mit ihrem Vorgehen das Völkerrecht. Das belegt eine neue Untersuchung, die Amnesty International heute veröffentlicht. Demnach wurden Flüchtlinge bei der illegalen Zurückweisung an Litauens Grenze zu Belarus etwa in einen Fluss mit brusthohem Wasser getrieben. Andere wurden mit Stöcken und mit Elektroschockern malträtiert. Die Lebensbedingungen in Litauens Internierungszentren kommen laut Amnesty „Folter gleich“. Explizit prangert die Organisation die Diskriminierung nichtweißer gegenüber ukrainischen Flüchtlingen an, die mit offenen Armen empfangen werden. Nichtweiße Flüchtlinge hingegen sind an den Grenzen wie auch in den Lagern zusätzlich einem krassen Rassismus ausgesetzt. Ähnliche Verhältnisse hatte Amnesty bereits im April in Polen festgestellt. Amnesty schreibt der EU und insbesondere der EU-Kommission unter ihrer deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen Mitverantwortung zu: Brüssel unterstützt die Grenzabschottung, nimmt aber Misshandlungen und Völkerrechtsbrüche an den Grenzen faktisch hin.

In den Grenzfluss getrieben

Die Völkerrechtsbrüche und die Misshandlungen, denen nichtweiße Flüchtlinge in Litauen ausgesetzt sind, beginnen quasi zur Begrüßung unmittelbar an der Grenze, wo litauische Grenzer Einreisewillige, die nicht aus der Ukraine kommen, regelmäßig zurückweisen – ohne jede Prüfung ihres Asylgesuchs und damit unter offenem Bruch des Völkerrechts. Flüchtlinge bestätigten Amnesty International, man habe ihnen ihre Handys, zuweilen auch ihr Geld abgenommen, bevor man sie – nicht selten bei Minustemperaturen – ohne Wasser und Nahrung in belarussische Wälder abgeschoben habe. Dabei seien sie mit Stöcken geschlagen, mit Elektroschockern misshandelt worden. Zuweilen wurden Flüchtlinge durch einen Fluss nach Belarus getrieben und mussten dabei brusthohes Wasser durchqueren. Mehrere Kubaner wurden Amnesty International zufolge acht Mal hin und her über die Grenze gezwungen, bevor es ihnen gelang, einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte herbeizuführen. Dieser verpflichtete Vilnius zur Prüfung ihres Asylbegehrens. Sogar das hielt die litauischen Grenzschützer nicht ab, die Kubaner noch nach der Gerichtsentscheidung ein weiteres Mal über die Grenze nach Belarus abzuschieben – unter doppeltem Bruch des Völkerrechts.[1]

„Wie Folter“

Diejenigen Flüchtlinge, denen die Einreise gelingt, werden von den litauischen Behörden willkürlich unter inhumanen Bedingungen interniert. Eine Amnesty International-Delegation konnte im März zwei Internierungszentren besuchen (Medininkai, Kybartai), erhielt dabei aber nur Zugang zu ausgewählten Teilen der Einrichtungen und musste Interviews mit Flüchtlingen vorzeitig abbrechen. Laut Amnesty sind die Zentren „hochgradig militarisiert“, von Mauern, Zäunen und Stacheldraht umgeben; sie sind massiv überfüllt, Wasser und Nahrung sind von schlechter Qualität, der Zugang zu medizinischer Versorgung ist völlig unzulänglich. Die Lebensbedingungen, konstatiert Amnesty, „kommen nach internationalem wie auch nach EU-Recht Folter und anderen Formen von Misshandlung gleich“. Schon im November 2021 wurden Proteste gegen die schlimme Lage in Medininkai mit Tränengas niedergeschlagen. Zuletzt waren – Stand: 6. Juni – 2.647 Menschen in den Zentren interniert, darunter 592 Minderjährige. Hinzu kommt, dass die Asylverfahren, die den Flüchtlingen gewährt werden, international gültigen Anforderungen auch nicht im Geringsten entsprechen. Die litauischen Behörden üben zudem beträchtlichen Druck auf Internierte aus, vorgeblich freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.

Gewalt und Rassismus

Amnesty weist in dem Bericht ausdrücklich auf den „bemerkenswerten Unterschied“ in der Behandlung ukrainischer und nichteuropäischer Flüchtlinge hin. In Litauen seien alleine bis Mai 2022 mehr als 50.000 geflohene Ukrainer registriert worden; das zeige, dass die Frage, ob man Flüchtlinge aufnehme oder nicht, keinem Sachzwang geschuldet sei, sondern von politischen Prioritäten abhänge. Ihre Diskriminierung im Vergleich zu weißen ukrainischen Flüchtlingen wird von den nichtweißen Flüchtlingen in den Internierungszentren genau registriert; als es deshalb – und wegen der desolaten Situation in den Lagern – am 1. März in Medininkai erneut zu Protesten kam, schlugen die Repressionsbehörden diese wieder mit Gewalt nieder. Flüchtlinge berichteten, teils mit Stöcken verprügelt worden zu sein; eine Gruppe schwarzer Frauen wurde halb entkleidet mit gefesselten Händen bei großer Kälte im Freien festgehalten. Vor allem schwarze Flüchtlinge berichteten Amnesty, sie seien in den Lagern wie zuvor an der Grenze regelmäßig rassistischen Übergriffen durch litauisches Personal ausgesetzt. Ihr sei gesagt worden, sie solle doch einfach „in den Wald zum Jagen“ gehen, berichtete eine junge Frau aus einem Land in Afrika südlich der Sahara der Amnesty-Delegation; „alle Wächter“ seien „sehr rassistisch“.

„Rassismus und Heuchelei“

Die Völkerrechtsbrüche und die Misshandlung von Flüchtlingen in Litauen sind keine Einzelfälle. Bereits im April hatte Amnesty International ganz ähnliche Verhältnisse in Polen ausführlich dokumentiert. Demnach werden auch dort nach wie vor Flüchtlinge illegal unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen, zuweilen unter vorgehaltener Waffe.[2] Polen hat ebenfalls Internierungszentren eingerichtet, in denen Flüchtlinge in überfüllten Zellen ohne angemessenen Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Hilfe festgehalten werden. Im Internierungslager Wędrzyn mussten, als Amnesty Recherchen durchführte, bis zu 24 Männer in acht Quadratmeter großen Räumen dahinvegetieren. Viele Flüchtlinge waren unwürdiger Behandlung, etwa überflüssigen Leibesvisitationen, oder teils rassistischen Beleidigungen ausgesetzt; einige, darunter Personen, die vor Folter in ihren Herkunftsländern geflohen waren, wurden mit dem Ruf „Willkommen in Guantanamo!“ begrüßt. Amnesty weist darauf hin, dass allein im vergangenen Jahr rund 2.000 Flüchtlinge in Polen unter den erwähnten katastrophalen Bedingungen interniert wurden. Dass dies bis heute fortgesetzt wird, während Flüchtlinge aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen werden, hat Amnesty zufolge einen „Beigeschmack von Rassismus und Heuchelei“.

Die tödlichsten Grenzen der Welt

Die Abschottung der polnischen und der litauischen Grenze zu Belarus sowie die illegalen Rückschiebungen haben Todesopfer gekostet; im Grenzgebiet sind inzwischen mehr als 20 Todesfälle unter Flüchtlingen dokumentiert.[3] Flüchtlingshelfer gehen freilich von einer hohen Dunkelziffer und einer entsprechend erheblich höheren Zahl an Todesfällen aus. Die Todesopfer an EU-Außengrenzen in anderen Regionen kommen hinzu. Am Freitag kamen beim Versuch von rund 2.000 Flüchtlingen, die drakonisch abgeschottete Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden, mindestens 23 Flüchtlinge zu Tode. Einige verstarben, weil die Grenzbeamten sie stundenlang ohne medizinische Hilfe verletzt am Boden liegen ließen.[4] An den südlichen und südöstlichen Grenzen der EU sind in diesem Jahr laut Angaben der International Organization for Migration (IOM) mindestens 850 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die Gesamtzahl der an den EU-Mittelmeergrenzen verstorbenen Migranten beläuft sich der IOM zufolge seit 2014 auf mehr als 24.000; die Organisation geht ebenfalls von einer großen Dunkelziffer aus. Die EU-Außengrenzen sind demnach unverändert die tödlichsten Grenzen der Welt: Auf dem afrikanischen Kontinent kamen seit 2014 rund 11.500 Menschen zu Tode, weniger als halb so viele wie bei der Einreise in die EU; in Zentralamerika verloren im selben Zeitraum fast 6.500 Menschen ihr Leben. Rund die Hälfte aller Flüchtlingstode weltweit geht damit auf das Konto der ihre Grenzen abschottenden EU.

 

[1] Belege und Zitate hier und im Folgenden aus: Lithuania: Forced out or locked up. Refugees and migrants abused and abandoned. London, 27.06.2022.

[2] Poland: Cruelty not compassion, at Europe’s other borders. London, 11.04.2022.

S. auch Flüchtlingssterben im Niemandsland (III).

[3] Sertan Sanderson: Poland to end state of emergency upon completion of border wall. infomigrants.net 10.06.2022.

[4] Sturm auf spanische Exklave – Zahl der Toten steigt. zeit.de 26.06.2022.

GERMAN-FOREIGN-POLICY.com v.27.06.2022

Kampf um die Menschenrechte

Aus: Ausgabe vom 21.06.2022, Seite 8 / Abgeschrieben

Freiheit für Assange!

 

In einer gemeinsamen Pressemitteilung forderten Sevim Dagdelen (Die Linke), Ulrich Lechte (FDP), Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) und Frank Schwabe (SPD) – Mitglieder der fraktionsübergreifenden Abgeordneten-AG »Freiheit für Julian Assange« – am Montag, die Auslieferung von Julian Assange an die USA zu verhindern:

Journalisten sollten für ihre Arbeit nicht verfolgt und bestraft werden. Nirgendwo. Die Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel, die Auslieferung des Journalisten Julian Assange an die USA zu genehmigen, ist bedauerlich und falsch. Im Interesse der Pressefreiheit wie auch aus humanitären Gründen muss Julian Assange umgehend freikommen.

Wir appellieren an Großbritannien, die Auslieferung von Julian Assange an die USA, wo ihm wegen der Enthüllung von Kriegsverbrechen 175 Jahre Gefängnis drohen, nicht zu vollstrecken. Wir rufen US-Präsident Joe Biden auf, die Klage gegen Julian Assange fallenzulassen. Wir fordern die britische Regierung auf, endlich die Pressefreiheit zu verteidigen und das Europäische Menschenrechtssystem nicht länger zu ignorieren. Nach einer jüngsten Resolution der parlamentarischen Versammlung des Europarates ist Julian Assange unverzüglich freizulassen. Wir fordern die Bundesregierung auf, bei Gesprächen mit dem Vereinigten Königreich dieser Forderung entschlossen Nachdruck zu verleihen und sich für die Freilassung von Julian Assange einzusetzen sowie bei US-Präsident Joe Biden auf ein Ende der politischen Verfolgung des Journalisten zu drängen. (…)

In einem Appell der Initiative »Frieden links« an die Delegierten des Linke-Parteitags am kommenden Wochenende in Erfurt heißt es:

 

Die 20er Jahre dieses Jahrhunderts entwickeln sich zum gefährlichsten Jahrzehnt der Geschichte. (…) Es geht um nicht weniger als den Fortbestand der Zivilisation. Die Atomkriegsgefahr war laut SIPRI seit dem Kalten Krieg nie größer, die amerikanischen Atomwissenschaftler haben ihre »Weltuntergangsuhr« auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt. (…) Daraus ergibt sich die Verantwortung der Linken, auf eine Friedensordnung hinzuwirken, die Militärbündnisse wie die NATO überwindet. (…) Doppelte Standards der einseitigen Kritik nur an Russland sind ein zentrales Element der Propaganda für Hochrüstung und Eskalation durch die NATO und ihre Lobby. Die NATO-Führungsmacht USA hat durch Kündigung und Nichtverlängerung von Verträgen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung die Lage in Europa weiter destabilisiert. Die Priorität auf schwere Waffen statt Diplomatie verschlimmert die Katastrophe. (…)

Die Rüstungskonzerne in den NATO-Staaten drängen die Politik zu einer immer weiteren Bewaffnung der Staaten, zu immer mehr und immer ausgefeilteren und gefährlicheren Arsenalen, die das Potential einer finalen Katastrophe in sich bergen. Ihre Profite und Aktienkurse erreichen seit dem Ukraine-Krieg immer neue Rekordmarken. Sie und die fossile Industrie sind Kriegsgewinnler, die auf einen langen Krieg spekulieren. (…)

Die Linkspartei des Erfurter Programms ist in dieser globalen und nationalen Situation unverzichtbar als Partner der alternativen Bewegungen für Frieden, Solidarität und Ökologie – als Alternative zum Kurs der Militarisierung der anderen Bundestagsparteien. Die inner- und außerparlamentarische Opposition ist heute so gefordert wie lange nicht.

https://frieden-links.de/

Quelle: junge Welt 21.06.2022 Robert Bumsted/AP Photo